Donnerstag, 4. März 2010

Der Sarrazin ist dem Westerwelle sein Rot

Manchmal kommt es einem so vor, als gäbe es in der SPD genau so viele Parteiausschlüsse wie in der ollen KPdSU in ihren schlechtesten Zeiten, nur weniger Erschießungen. Das war mir beizeiten auch schon mal eine Umfrage wert, die damit endete, dass der Ausschluss von Hubertus Heil gefordert wurde, weil er vom Namen her eher in die CSU passen würde. Im Moment allerdings wollen die Genossen eher Thilo Sarrazin loswerden - und wer will's ihnen verdenken? Aber das ist nicht ganz einfach. Schließlich dürfte der Mann nicht zuletzt wegen seines SPD-Parteibuchs im Bundesbank-Vorstand sitzen.

Es geht bei der Ausschlussfrage weniger darum, dass Sarrazin sich als elitäres Sackgesicht positioniert, dessen Verachtung der unteren Schichten nur von seiner egomanischen Arroganz übertroffen wird - eigentlich würde ihm selbst eine kalte Dusche auch mal gut tun. Den Kopf unter den Wasserhahn zu halten würde auch schon reichen. Oder in einen Eimer, gerne auch zehn Minuten lang.

Nein, sein selbstgerecht-ätzendes Herumgetrampel auf Hartz-IV-Empfängern spielt offenbar keine Rolle für den Parteiausschluss: Die Schwachen herunterzuputzen und den Sozialneid zu schüren ist mit der SPD-Linie wohl ganz gut vereinbar. Es geht ausschließlich um seine rassistischen Sprüche im berüchtigten "Lettre International"-Interview. Die Partei hat sich sogar wissenschaftlich bestätigen lassen, dass Äußerungen wie etwa die, dass ihm osteuropäische Juden aufgrund ihres höheren Durchschnitts-IQs lieber seien als Türken, tatsächlich rassistisch sind. Gesunder Menschenverstand hätte zum selben Ergebnis geführt und wäre billiger gewesen, aber sei's drum.

Nun setzten sich die Berliner Sozialdemokraten nicht weniger als sieben Stunden lang mit ihrem schnäuzertragenden Vorzeige-Populisten und jenen Genossen zusammen, die dessen Ausschluss fordern - und kommen zu keinem Ergebnis. Als normal denkender Mensch fragt man sich schon, was man eigentlich noch tun muss, um aus dieser Partei zu fliegen. Die Antwort liegt auf der Hand: Man darf auf übelste Art und Weise gegen Arme und Ausländer hetzen, wie man lustig ist - aber wehe, man rät dem Wähler dazu, sein Kreuzchen woanders zu machen. Dann ... nun, dann denkt die SPD zumindest ernsthaft über einen Ausschluss nach., kriegt aber fast ein ganzes Jahr lang nichts auf die Reihe und lässt sich vom Delinquenten auf den letzten Metern noch den Wind aus den Segeln nehmen.

Ich bin ein großer Freund der Meinungsfreiheit und sehe eine allzu hohe Parteidisziplin durchaus kritisch, aber in so einem Fall geht es immerhin um Werte wie Menschenwürde und darum, dass Sarrazin nicht nur als armer Irrer, sondern auch als prominentes SPD-Mitglied auftritt - schließlich ist er nicht irgendein Stammtischprediger aus Klein-Wölferode. Tatsächlich habe ich trotz jahrzehntelanger Kneipenarbeit noch keinen Stammtisch erlebt, an dem auf derartig niedrigem Niveau pseudoargumentiert wird. Wäre ich in der SPD, würde ich austreten, da ich es nicht ertragen könnte, derselben Organisation anzuhängen wie Sarrazin.

So bleibt wohl auch den Sozis ihr eigener Westerwelle vorerst erhalten, und wie immer, wenn zwei Menschen nahezu gleich ticken, können die beiden sich offenbar nicht leiden. Dass Sarrazin dann aber Westerwelle "geistige Armut" bescheinigt - das lässt sich bloß noch als Treppenwitz verbuchen, dem aber irgendwie die Pointe fehlt.

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