So - einer muss ja mal den Anfang machen, sonst hört das nie auf. Hiermit verkünde ich feierlich, dass ich ab sofort nicht mehr über Thilo Sarrazin berichten werde. Keine Wiedergabe seiner schwachsinnigen Spinnereien, keine Bezugnahme mehr auf seine elitären Eitelkeiten, kein auch nur sekundäres Zitieren seiner hässlichen Hetztiraden - dieser Blog ist von nun an eine sarrazinbefreite Zone. Ich hoffe, dass sich möglichst viele Kollegen anschließen und man dann als Medienkonsument baldmöglichst von seinen derzeit omnipräsenten Schwachheiten verschont bleibt - je eher, desto besser. Denn im Moment wird diese schnäuzertragende Schießbudenfigur allseits für wichtiger genommen, als sie eigentlich ist.
Natürlich bleibt es weiterhin skandalös, was der hochrangige Genosse und Bundesbank-Vorstand so vor sich hin salbadert, und es ist schwer, sich nicht über ihn aufzuregen - aber seien wir ganz ehrlich: Er ist bloß ein Spinner. Wohnte er in der Nachbarschaft, würde man jeglichen Kontakt mit ihm einstellen. Zu sich nach Hause einladen würde man ihn nur ein einziges Mal, danach nie wieder. In einer Kneipe würde man ihm gepflegt die Meinung geigen oder notfalls mit ihm vor die Tür gehen, wenn es einem zu bunt wird. Warum sollte es da eine gute Idee sein, seine widerwärtigen Hirnwichsereien andauernd per Massenmedien unters Volk zu bringen?
Es ist doch überhaupt nicht seine Aufgabe, in seiner Funktion als einer der obersten Kassenwarte der Republik irgendwelche Ansichten zur Sozialpolitik zu äußern, und ihm würde außerhalb seines Esszimmers auch kein normaler Mensch zuhören - wenn, ja wenn er nicht leider immer wieder genau danach gefragt werden würde, und zwar von Redakteuren, die sich sicher sein können, damit eine schöne neue Reißergeschichte hinzubekommen. Dummerweise antwortet die rote Pappnase auch noch stets, wenn man sie fragt.
So einfach war es noch nie, die Zeitung vollzukriegen. "Mist, uns fehlt für morgen noch so ein richtig knackiges Aufregerthema." - "Ruf doch einfach mal den Sarrazin an." - "Super Idee, mach' ich gleich!" Das scheint mittlerweile im Dreitagestakt zu geschehen, man könnte in den meisten Medien schon eine eigene Sarrazin-Rubrik einrichten. Wem will er jetzt wieder was kürzen? An Einfallsreichtum mangelt es ihm ja wahrlich nicht. Aktuell will er Schülern das Kindergeld streichen, die ihre Hausaufgaben vergessen.
Warum auch darüber berichten, dass Finanzinvestoren weitermachen wie früher und ganze Volkswirtschaften in den Abgrund reißen? Ist eh' zu kompliziert für den Leser. Wozu die liberalen Pläne zur restlosen Liquidierung jeglichen Solidarprinzips auseinanderklamüsern? Viiieeel zu schwerer Stoff. Und Afghanistan ist auch ganz schön ausgenudelt. Nehmen wir doch einfach Sarrazin, der geht immer, wie Tiere und Kleinkinder. Dabei sollte der Mann höchstens noch Erwähnung finden, wenn er endlich zwangspensioniert werden würde - aber eigentlich nicht einmal dann. Stattdessen wird jede seiner vor Wahnsinn triefenden Sprechblasen millionenfach multipliziert und bis ins letzte Wohnzimmer weitergetragen.
Und nebenbei gibt man viel gefährlicheren Leuten wie Westerwelle damit Schützenhilfe, und sei es auch unbewusst: Der kann sich geschmeidig aus der Hartz-IV-Schusslinie stehlen, weil sich Vollpfosten wie Sarrazin und rückgratlose Stimmenfischer wie Kraft freiwillig in selbige reinstellen. Was bringt es denn schon, wenn irgendein auf ein nach Parteienproporz vergebenes Pöstchen abgeschobener 08/15-Sozi zur Zielscheibe des Volkszorns wird? Der sitzt nicht im Kabinett - andere schon.
Auch ich habe mich munter am Sarrazin-Bashing beteiligt - es war mir einfach zu haarsträubend und zu widerlich, was der Mann von sich gegeben hat, als das ich es unkommentiert lassen wollte. Aber es lenkt eigentlich nur von den menschenverachtenden Ansichten und den Sozialstaat bedrohenden Gesetzesvorhaben des Vizekanzlers und Außenministers, des Gesundheitsministers, des Wirtschaftsministers oder der Familienministerin oder des Rests der Wespenbagage ab, die zugunsten der täglichen feuchten Armenbestrafungsfantasie eines abgehalfterten Ex-Sozensenators unter den Tisch fallen. Da muss man ja mal die Verhältnisse zurechtrücken.
Also kann Sarrazin ab sofort sehen, wo und wie er seine Provokationen unters Volk bringt - hier, in diesem Blog, finder der Mann nicht mehr statt. Er hat überhaupt keine Aufmerksamkeit verdient. Ich ignoriere ihn einfach. Vielleicht tun es andere ja auch. Dann können wir uns wieder mit Politik befassen statt mit medialen Nebenkriegsschauplätzen. Sarrazin ist nicht einmal die 140 twitter-Zeichen wert.
Also: Aaab... jetzt!
4 Kommentare:
Och, der ist so simpel gestrickt in seinem Wollpullover- und Kaltduschwahnvorstellungen und damit das ideale Opfer für jede Art von Spott. Gerechterweise müsste man sonst Westerwelle auch nicht mehr erwähnen. Und Koch. Und Kraft. Und die Sarrazins der ganzen Welt.
Ich habe auch schon mal einen Monat nicht mehr aus Focus zitiert, aus intellektuellem Ekel und wegen Hetzerei von denen. Die Folgen: Keine. Focus gibt es immer noch. Der Sarrazin wird genauso weiter quatschen. Warum sollen wir nicht weiter den verdienten Spott über ihn ausgießen? Verdient hat er es. Seine Anhänger halten doch auch nicht die Klappe.
Ich bin eher dafür, an jeden Blogartikel, egal, ob es um die Katze oder weniger wichtige Dinge geht, anzuhängen: Außerdem bin ich der Meinung, dass Sarrazin schlecht angezogen ist. Jede andere Beschimpfung ist ebenso angemessen.
Stimmt ja alles. Aber einen wichtigen Unterschied gibt es für mich: Wer wäre Sarrazin, wenn ihm nicht tagtäglich irgendwelche krawallgeilen Journalisten ihr Mikro unter die haarige Nase halten würden? Ein abgenudelter Ex-Landespolitiker auf dem Altenteil als Bundesbanker. Keine Sau würde ihn mehr kennen, niemand ihn nach seiner unmaßgeblichen Meinung zu Sozialreformen fragen; er könnte seinen Senf bestenfalls in seiner Stammkneipe abladen. Erst die Medien sorgen dafür, dass es alle mitkriegen, was er aus seinem kranken Hirn wringt.
Westerwelle, Koch und Kraft hingegen sitzen ungleich näher an den Schalthebeln der Macht (oder wollen dahin), dass sie ihren Worten ohne allzu viele Umwege auch Taten folgen lassen können. Siehe Kochs Ausländerfragebogen oder die FDP-"Sozialpolitik". Daher sollte man m.E. einen Großteil der Aufmerksamkeit, die täglich einer Pfeife wie Sarrazin zuteil wird, eher den Leuten widmen, die tatsächlich über uns zu bestimmen haben.
In diesem Sinne, falls dies aus meinem Post nicht deutlich geworden ist: Mit Nichtachtung strafen, aber natürlich nicht totschweigen.
Ich denke noch einmal darüber nach.
Außerdem bin ich der Meinung, dass Herrn Sarrazins Schnauzer einfach albern aussieht.
Immerhin kann man meine These aus dem Post, dass Westerwelle nun fröhlich aus der Schusslinie tänzeln kann, wieder fallen lassen - im Gegenteil, die Einschläge kommen näher.
Und wenn wir DEN erstmal los sind, dann lästere ich auch gerne wieder über alle anderen. ;-)
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