So, seit zwei Jahren gibt es nun das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), auch als Antidiskriminierungsgesetz bekannt und gescholten. Und zwar von Wirtschaftsverbänden, die darin einen Angriff auf das Recht des Arbeitgebers sahen, Frauen deutlich weniger Lohn zu zahlen als ihren männlichen Kollegen oder Menschen mit ausländisch klingenden Namen eine Absage zu erteilen, um kurz darauf einen geringer qualifizierten Karl-Heinz einzustellen. Speerspitze dieser übelriechenden Kampagne war - neben führenden FDP-Politikern - wieder einmal die Springerpresse.
Eine gigantische Prozesslawine sei im Anrollen, jammerten die Schlipsträger landauf, landab (mit Ausnahme der Juristen). Arbeitgeber würden erpressbar; eine Unzahl von niederen Subjekten würde sich gezielt auf Stellen bewerben, die sie sowieso nicht bekommen könnten, nur um die Firma anschließend bis nach Meppen zu verklagen und außerdem entstünde ein riesiger volkswirtschaftlicher Schaden rhabarber fasel. Eine Studie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), eines neoliberalen Think Tanks, dem vornehmlich Wirtschaftskapitäne und Politiker von Union und FDP angehören und der vor einiger Zeit dadurch Bekanntheit erlangte, dass er Dialoge in der Soap "Marienhof" gekauft hatte ("Soviel Steuern? Das ist ja Wucher!" - "Da müssen Sie sich an den Finanzminister wenden!") und heute behauptete, bei Einführung eines Mindestlohns würde niemand mehr zum Friseur gehen -- dieser Haufen Manchesterkapitalisten jedenfalls rechnete die Folgekosten des Gesetzes vor einem Jahr auf 1,73 Milliarden Euro hoch. Die Welt würde nie wieder so sein, wie sie mal war.
Vorher allerdings, ein halbes Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes, hatte sich gezeigt, dass die große Klagewelle ausgeblieben war. Und nun stellt sich heraus, dass das INSM sich ohnehin offenbar ein wenig verrechnet hat: Die wissenschaftliche Kommission der Antidiskriminierungsstelle des Bundes kam zu dem Ergebnis, dass sich die Kosten des AGG lediglich auf 26 Millionen Euro belaufen, selbst wenn man die Methodik der INSM-Studie anwende. Diese Zahl wird auch in deren Studie genannt - als allerunterste Untergrenze. Dazu kämen laut INSM aber noch nebulöse "indirekte Kosten", die sich schließlich nur schätzen ließen, weil sie ja indirekt sind (so der Autor der Studie), und da man sich beim Schätzen wohl fürs Klotzen statt Kleckern entschieden hatte, kam man dort mal eben auf das Sechsundsechzigfache.
Und was ist mit der Methodik? 27 Experten seien hinzugezogen und über 500 Unternehmen befragt worden, prahlt der Autor der Studie. Nun, diese Experten sind zumindest in der Zusammenfassung der Studie nicht namentlich aufgeführt - und Unternehmen sind aus naheliegenden Gründen nicht gerade die größten Fans des AGG. So erstellt man keine Studie, sondern ein Gefälligkeitsgutachten.
Die Antidiskriminierungsstelle hat nach eigenen Angaben seit Einführung des AGG 2671 Anfragen von Bürgern bearbeitet. Das ist, gemessen an der Bevölkerungszahl Deutschlands von über 80 Millionen und dem Zeitraum von zwei Jahren nicht gerade viel. Eigentlich ist das eine mikroskopisch geringe Menge. Die INSM sollte sich glücklich schätzen. Das einzige, was man dem AGG vorwerfen könnte, ist, sich im Alltag nicht besonders durchgesetzt zu haben und noch viel zu selten eingesetzt zu werden - zumindest am miesen Verdienst für Frauen hat sich seitdem nichts Grundlegendes geändert.
Vielleicht hätte man jemand fragen sollen, der mehr davon versteht. Zum Beispiel diese Dame.
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