Sonntag, 4. Mai 2008

Erst wenn der letzte Arbeitslose einen Minijob hat, werdet ihr sehen, dass man McKinsey nicht essen kann

Vollbeschäftigung sei also möglich, meinen die Wirtschaftspropagandisten von McKinsey in ihrer Studie Deutschland 2020, um die sie niemand gebeten hat. Und das Erfolgsrezept dazu lautet - Überraschung! - eine unternehmensfreundliche Politik seitens der Regierung, die damit die Grundlage für mehr Wachstum schaffen soll, was in der Folgezeit zu explosionsartig steigenden Löhnen führen werde.

Vollbeschäftigung ist indes nicht nur ein höchst dehnbarer Begriff, sondern vor allem ein Heilsversprechen ohne jede Substanz. Sicher ist die Vollbeschäftigung ohne großen Aufwand zu erreichen, und die Bundesregierung und die ihr angeschlossenen Behörden tun eine ganze Menge dafür: die Arbeitsmarktstatistiken frisieren, die Neo-Sklaverei namens Leiharbeit ebenso wie den berüchtigten Niedriglohnsektor - was früher einmal kurz und griffig "Ausbeutung" genannt wurde - nach Kräften fördern sowie Autobahnen bauen. Das hat schließlich schon mal geklappt.

Das neuerliche Bramarbasieren über Vollbeschäftigung klingt einmal mehr so, als handele es sich dabei um einen Selbstzweck. Aber was nutzt es dem Einzelnen, wenn die Arbeitslosenquote unter soundso viel Prozent sinkt, man selbst aber trotz Arbeit nicht über die Runden kommt? Man kann nämlich für sich persönlich durchaus "voll beschäftigt" sein und 40, 50 oder 60 Stunden pro Woche in zwei oder drei Jobs arbeiten und trotzdem die Miete nicht zahlen können. Wenn nun Politik und Wirtschaft blühende Landschaften Vollbeschäftigung in absehbarer Zeit versprechen, dann drängt sich doch der leise Verdacht auf, das von den wirklichen Problemen - den seit Jahren sinkenden Reallöhnen und dem massiven Sozialabbau - abgelenkt werden soll.

Aber halt, schreit McKinsey an dieser Stelle, letztendlich führt unser Plan doch bis 2020 zu höheren Löhnen! Ja, sicher. Als ob diese Idee besonders neu wäre: wir tätscheln und streicheln die Unternehmen ein paar Jahre lang, bis deren schwarze Kassen so richtig doll klingeln, und DANN werden sie mit dem verdienten Geld neue Leute einstellen, die Löhne anheben, die Wochenarbeitszeiten bei Lohnausgleich reduzieren und ihren Mitarbeitern Nektar und Ambrosia in der Kantine darbieten. Is klar.

Zur Erinnerung: McKinsey ist ein Wirtschaftsberatungskonzern. Das sind keine gesellschaftspolitischen Visionäre oder von einer besseren Welt träumende Revolutionäre. Wenn sich diese Büttel des Kapitals nun ins Rampenlicht drängeln und - ohne rot zu werden! - die düstere Prophezeihung treffen, dass, wenn man den Unternehmen nicht noch mehr Geschenke mache, nun auch die Mittelschicht in die Armut abrutschen würde, nachdem man mit der Unterschicht ja schon fertig ist, dann - ja, dann fallen mir für diese Leute nur noch Worte ein, die gleich mehrere Straftatbestände erfüllen würden.

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