Donnerstag, 14. August 2008

Vorwärts, vorwärts - schmettert der nicht besonders helle Lehrer

Vor einem halben Jahr machte ein Delmenhorster Musiklehrer Schlagzeilen, als er seine Klasse dazu bewegte, mit ihm das HJ-Lied "Vorwärts! Vorwärts! schmettern die hellen Fanfaren" zu singen und dabei den Hitlergruß zu zeigen. Nun sieht alles danach aus, dass er nicht nur straffrei ausgeht, sondern eventuell auch an die Schule zurückkehren darf, die ihn nach dem Vorfall loswerden wollte.

Was war geschehen? Der Lehrer stimmte das Lied, das u.a. die Textzeilen "Führer, wir gehören dir, wir Kameraden, dir!" und "Wir marschieren für Hitler durch Nacht und durch Not" enthält, vor der Klasse an, riss den Arm hoch und forderte seine Schüler auf, es ihm nachzutun. Später rechtfertigte er sich, er habe das Lied "zu Demonstrationszwecken" singen lassen. Unklar blieb, was genau er damit demonstrieren wollte, außer seinem Hang zur NS-Romantik. Ein Versuch, das Experiment der "Welle" zu wiederholen, war das sicher nicht. Das sah auch die Schule so und entließ ihn aus seinem Beamtenverhältnis auf Probe. Mehrere Eltern erstatteten Anzeige wegen Volksverhetzung.

Und jetzt wird's noch ein bisschen ekliger.

Der Vorwurf der Volksverhetzung war bereits nach wenigen Tagen vom Tisch. Grund: Obwohl das Lied verboten ist, sei der Straftatbestand erst dann erfüllt, wenn eine "nicht übersehbare Zahl von Personen betroffen" sei, was bei einer Schulklasse nicht der Fall sei, so der Sprecher der Oldenburger Staatsanwaltschaft. Tatsächlich greift § 86a StGB ("Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen") erst bei Verwendung in der Öffentlichkeit bzw. bei Versammlungen, wozu geschlossene Gruppen wie Schulklassen nicht zählen. Das heißt soviel wie: Reichsparteitag = Volksverhetzung; Singen von HJ-Liedern oder wohl auch Vorlesen von Passagen aus "Mein Kampf" im Kindergarten = keine Volksverhetzung.

Und nun darf der Lehrer, der sich nach dem Vorfall erst mal krankgemeldet hatte, offenbar auch wieder in den Staatsdienst zurückkehren. Das Verwaltungsgericht Oldenburg erteilte dem selbsternannten Jungscharführer Rechtsschutz gegen seine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe. Der Grund: Die Landesschulbehörde hatte die Entlassung nicht verfügt, weil er die zarten Kinderseelen mit Nazidreck kontaminierte, sondern aus "gesundheitlichen Gründen", wie es so schön heißt: wegen der Krankmeldung und einer daraus abgeleiteten etwaigen Dienstunfähigkeit.

Das war wahrscheinlich ursprünglich mal clever ausbaldowert: Da nach kurzer Zeit klar war, dass der Mann mit dem Singen des Hetzliedes kein Gesetz gebrochen hatte (bitte noch mal lesen!), sah man vermutlich den gesundheitlichen Zustand als einzigen Ansatzpunkt, um ihn loswerden zu können. Dieser Schuss ist nun nach hinten losgegangen - ärztliche Gutachten bescheinigen, dass eine Dienstunfähigkeit noch keineswegs angezeigt sei. Obgleich der Fall noch nicht abgeschlossen ist, kann man sich wohl langsam an den Gedanken gewöhnen, dass der HJ-Fan wieder auf die Schüler losgelassen werden - und dafür auch noch vom Staat dafür bezahlt werden - könnte.

Tja, die geistige Gesundheit des Mannes scheint von niemandem untersucht worden zu sein. Und die von bestimmten Juristen auch nicht - denn nach dieser Rechtsauffassung könnte man in jeder geschlossenen Gruppe jeden Nazimist straffrei durchziehen. Wie wäre es mit einem gemeinsamen Singen von "Die Fahne hoch" vor Schichtbeginn? Oder einer schicken Reichskriegsflagge in der Krabbelgruppe? Falls sich jemand aufregen sollte - keine Panik: Man wollte damit eben irgendetwas demonstrieren.

3 Kommentare:

ragingreporter hat gesagt…

tja, man sieht sie vor dem geistigen auge ja schon in reih und glied auf die grundschule zumarschieren in ihren kleinen braunen hemdchen. immer ein fröhliches lied auf den lippen....."dem adolf hitler, dem haben wir's geschworen..." der vorkämpfer für deutsches liedgut im musikunterricht ist aber in zukunft wahrscheinlich etwas vorsichtiger und lädt "zu demonstrationszwecken" statt eigener einlagen den einen oder anderen "volkssänger" ein, die sich dem vernehmen nach in sächsischen landen großer beliebtheit erfreuen sollen. cd's von störkraft gibt's auf dem schulhof ja eh geschenkt und damit dürfte sichergestellt sein, daß aus der jungschar auch was wird. so sie dem musischen verbunden bleibt könnte es zumindest reichen zur security beim melt festival, die sich schon heute ganz offensichtlich aus den einschlägigen kreisen zu rekrutieren scheint. aber hey, wen kümmert's? da geht es doch nur um musik.....

Anonym hat gesagt…

oh gott. jetzt ist mir übel!

ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es da an der schule nicht zu massiven protestdemos von schülerInnen, eltern und lehrkräften kommt. das wäre für mich zumindest die einzig mögliche antwort auf so eine ungeheuerlichkeit. (natürlich vorrausgesetzt, es hat sich so abgespielt wie berichtet)

Dr. No hat gesagt…

Immerhin: Die Schule will ihn nicht zurück, und das Land sträubt sich auch gegen eine Weiterbeschäftigung. Könnte also über Umwege doch noch ein Happy End geben... aber es ist m.E. ein unfassbarer Skandal, dass es offenbar keine rechtliche Handhabe gibt, Lehrkräfte in solchen Fällen schnell und problemlos loszuwerden.