Dienstag, 23. März 2010

Vulvenausbruch in Wikitukaland

Soso, da hat die Wikipedia also ein Foto einer gespreizten Vulva nebst näherer Umgebung inklusive anderer Körperöffnungen auf ihre Homepage gestellt, da der dazugehörige Artikel zum "Artikel des Tages" ernannt wurde und sich die Nerds einmal als Superprovokateure aufspielen wollten. Die sich daraus ergebene elend lange und ermüdende Diskussion war dabei mal wieder das Beste an der Möchtegern-Weltenzyklopädie und hat problemlos die Halbes-Megabyte-Datenmüll-Schallmauer geknackt, ohne je auch nur im entferntesten realistische Chancen gehabt zu haben, irgendwie an der Sache auch nur zu rütteln.

Die Argumentation fokussiert sich im Wesentlichen auf folgende Punkte:
  • Die Leute, die das Bild unpassend finden, bringen hervor, es sei geschmacklos oder unappetitlich, manche nennen es auch pornografisch oder exhibitionistisch. Die Zurschaustellung von Geschlechtsorganen in der Öffentlichkeit sei nunmal nicht gerade gesellschaftskonform, viele Menschen fühlten sich dadurch belästigt. Außerdem würden Kinder die WP nutzen und dabei mit diesem Bild konfrontiert werden; ebenso Menschen, die ein Problem mit der freizügigen Darstellung gewisser Körperteile haben, etwa weil sie aus entsprechenden Kulturkreisen kommen. Und man stelle sich vor, dass Zeitungen o.ä. ein solches Bild auf der Titelseite brächten. Eine anatomische Zeichnung hätte es doch auch getan.
  • Die Befürworter des Bildes hingegen werfen allen Kritikern Verklemmtheit und Prüderie vor.

Wenngleich ich persönlich kein Problem mit der Abbildung an sich im Artikel habe, frage ich mich schon, ob das auf der Startseite unbedingt sein musste - denn an der kommt man ja nicht vorbei, wenn man nicht per Google auf ein bestimmtes Lemma geleitet wird. Sprich: Den Besuchern wird das Bild geradezu aufgenötigt, und mit Sicherheit werden sich davon manche unangenehm berührt gefühlt haben (was die Diskussion ja auch beweist). Vielleicht ist das Prüderie - na und? Haben etwa Wikipedianer darüber zu urteilen, ob das gut oder schlecht ist und sich auch noch als Richter und Vollstrecker aufzuspielen? Mit welchem Recht meinen dann diese selbsternannten missionarischen Eiferer solche Leute gleich am Kragen packen und mit der Nase auf das Vulva-Bild stoßen zu müssen?

Die verantwortlichen Wikipedianer lassen sich wie üblich nicht in ihre kleine Scheinwelt, in der sie allein wissen, was gut für die Menschheit ist (z.B. Hakenkreuze), hineinreden, schon gar nicht von außen. Sie nehmen für sich Sonderregeln in Anspruch und stellen sich überheblich als Speerspitze der Aufklärung, letzte Bastion der freien Wissenschaft und Armee des Guten dar, auf der allein alle Hoffnungen liegen, den Rückfall ins 19. Jahrhundert zu verhindern. Der droht zwar sowieso eher von anderer Seite als nun ausgerechnet von Leuten, die die Abbildung einer Vulva als anstößig empfinden, aber sei's drum - auch so zeugt das arrogante Auftreten der Hardcore-Wikipedianer von einer pseudoelitären Vermessenheit, die eigentlich nur noch von ihrer Nerdhaftigkeit übertroffen wird.

Man möchte angesichts derartiger selbstverliebter Vernageltheit fast von einem Elfenbeinturm sprechen, in dem die WP-Alphatiere sitzen - aber das wäre übertrieben: Es handelt sich bloß um ein selbstgezimmertes Baumhaus, das sie in Ermangelung des teuren Materials, das symbolhaft für die Ehrwürdigkeit der Wissenschaft steht, einfach eierschalenfarben gestrichen haben. Dort sitzen sie nun, schmollen und lästern über die pöhse Welt da draußen, die noch nicht reif ist für ernsthafte Debatten über den pädagogischen Wert von Ejakulations-Animationen (ja, gibt es dort wirklich).

Aber ich bin ja immer daran interessiert, bei der Lösung solcher Konflikte zu helfen. Also, Vorschlag zur Güte: Alle Gegner solcher Abbildungen auf der Startseite ziehen ihre Kritik zurück, wenn die befürwortenden Wikipedianer in ihrer jeweiligen Heimatstadt auf den Marktplatz gehen, ihre Hosen herunterlassen, ihr Geschlechtsteil spreizen, ziehen, hochwichsen oder anderweitig präsentieren und dabei schreien: "Was denn? Das ist doch alles ganz natürlich!" Und wenn sie dann nach kurzer Zeit in den Polizeiwagen verfrachtet werden, darf natürlich nicht fehlen, den Umstehenden zuzurufen: "Mein Name ist Soundso. Merken Sie sich den Namen! Rufen Sie die Medien an! Ich werde hier in Ausübung meiner Rech..." *Rums* *Tatütata*.

In einer Art vorauseilender Weinerlichkeit schrieb irgendwo einer der verantwortlichen Wikipedianer, man müsse damit rechnen, dass sich sowieso Medien und Blogsphäre auf das Thema stürzen würden. Was die Medien betrifft, so sind die Leutchen in ihrer Egozentrik nun sicher enttäuscht: Die interessiert deren kleinliches Geplänkel nicht die Bohne. Und was die Blogger angeht: Bitte sehr, gern geschehen. Außerdem soll man Spinnern ja immer recht geben.

8 Kommentare:

Ulf hat gesagt…

Ich fand das wenig aufregend. Eine ganz normale Möse. Sehe ich genug von auf der Arbeit.

Dr. No hat gesagt…

Naja, du schon, andere eher nicht. Ich bin durchaus auch für einen unverkrampfteren Umgang mit diesem Thema, aber muss diesen ja nicht unbedingt mit der Brechstange durchprügeln, wie es die WP gemacht hat.

Ulf hat gesagt…

Ich hätte das noch nicht einmal bemerkt... :-D

Dr. No hat gesagt…

Ein Tweet mit dem Inhalt "Fickipedia" hatte mich darauf aufmersam gemacht... ;-)

Anonym hat gesagt…

Hach, was ist Würgipedia wieder progressiv!

(gähnt dezent)

Gehen denen die Klickzahlen aus oder wozu braucht es eine derart danenbengepeilte Aktion?

Dr. No hat gesagt…

Peinliches Provokationsverhalten postpubertärer Paragrafenreiter.

Mit den Klickzahlen hat es eher weniger zu tun: Wikipedianer leiten ihr Selbstwertgefühl nicht von PIs ab, sondern von der Länge der Diskussionen, die sie mit ihren Aktionen provozieren.

Anonym hat gesagt…

Ach so! Ja, dann ist ja alles klar.

PussyImpi hat gesagt…

Toll. Und ich habs nicht gesehen. :-(