Montag, 26. Oktober 2009

Ringelpiez mit Stühlerücken

Die Koalition steht: Die letzte Phase der Verhandlungen, das Ämterschachern, ist nun vollzogen. Das Fell des erlegten Bären SPD wurde verteilt und wie bei jeder neuen Regierungsbildung auch sonst fleißig "Die Reise nach Jerusalem" gespielt. Und die getroffenen Personalentscheidungen sind wieder einmal von einer Art, die kein normaler Mensch voraussagen konnte.

Fassen wir zusammen: Karl Theodor zu Guttenberg, der eigentlich als außenpolitischer Experte gilt, zuletzt aber ins Amt des Wirtschaftministers gepresst wurde, wird nun - Verteidigungsminister. Klar. Schon seine Vorfahren dürften ja schließlich irgendwann mal irgendwelche Armeen kommandiert haben. Guttenberg beerbt damit den völlig fehlbesetzten Franz-Josef Jung, der nicht etwa in die EU oder nach Hessen abgeschoben, sondern - Minister für Arbeit und Soziales wird. Okay - man muss ja schon froh sein, dass dieses Amt nicht an die FDP ging; aber die Qualifikation des Mannes für diesen ja nicht ganz unbedeutenden Posten ist mir persönlich bislang nicht zur Kenntnis gebracht worden. Bleibt zu hoffen, dass nicht demnächst größere Ansammlungen von Arbeitslosen bombardiert werden.

Jungspund Philipp Rösler gilt, wie ohnehin jeder FDP-Politiker, als Finanz- und Wirtschaftsexperte, also bekommt er - das Gesundheitsministerium. Logisch, dort muss ja auch gewirtschaftet werden. Und immerhin ist der Mann Arzt, weiß also, wie man das System am besten ausplündert... äh, ich wollte sagen: Er wird wissen, was zu tun ist, damit das System weiterhin läuft wie geschmiert. Ein Neoliberaler als oberster Gesundheitswächter - da sollten sich die Versicherten warm anziehen, und nicht nur wegen der nächsten Erkältungswelle.

Ebenso ging das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung an die FDP. Das beinhaltet nicht nur die Einbindung Deutschlands in die internationalen Ausbeuterinstitutionen wie Weltbank und IWF, sondern auch Entwicklungshilfe - was ich mir sehr interessant vorstelle, wenn Dirk Niebel den Eingeborenen eines beliebigen von Monsanto und Co in den Hungertod getriebenen zentralafrikanischen Landes erst einmal das Prinzip des freien Marktes erklärt.

Westerwelle wird nun doch tatsächlich Außenminister; eine Position, in der er reichlich Gelegenheit haben wird, das Prinzip der Zickigkeit in die diplomatische Welt einzuführen. Bin gespannt, wie er sich in einer außenpolitischen Krise so schlägt. Mit seiner "Nein, ich esse meine Suppe nicht!"-Taktik macht er bestimmt Eindruck. Zumindest bei ausländischen Journalisten.

Zensursula von der Leyen behält ihren Posten als Familienministerin, was niemanden überrascht; erhält aber entgegen zeitweise gestreuten Gerüchten zum Glück nicht noch mehr Macht. Weitere Kommentare überflüssig.

Und Schäuble soll Finanzminister werden - eine hervorragende Idee. Zwar war er in den letzten vier Jahren derartig leidenschaftlich damit beschäftigt gewesen, die bürgerlichen Freiheiten in diesem Land Stück für Stück abzubauen, dass man sich gar nicht mehr vorstellen kann, dass er irgend etwas anderes tun könnte. Aber als Finanzminister kann er nur von seinen Erfahrungen profitieren: Wie wäre es denn mal mit Videoüberwachung bei Geheimbesprechungen der Vorstände der Energieriesen? Oder Bundestrojanern auf Firmenrechnern, um Steuerhinterziehung aufzudecken? Mithören der Telefongespräche von Investmentbankern? Da geht doch einiges.

Schäubles Nachfolger im Innenministerium wird der bisherige Kanzleramtsminister Thomas de Maizière, was ich toll finde. Nicht, weil ich mir von de Maizière irgendwelche Maßnahmen in bezug auf eine Stärkung der bürgerlichen Freiheitsrechte erhoffe - ich habe keine Ahnung, wofür der Mann steht und vermutlich wird die Behörde schon dafür sorgen, dass er genau so ein faschistoider Paranoiker wird wie seine Vorgänger. Nein, ich finde diese Besetzung aus einem anderen Grund toll: De Maizière räumt seinen Stuhl im Kanzleramt für - Ronald Pofalla, den unerträglich schleimigen und Phrasen näselnden Kettenhund der Christdemokraten, den man nun - so hoffe ich - nicht mehr so oft vor der Kamera wird ertragen müssen wie zuletzt als Generalsekretär.

Vielleicht war ja allein das den Regierungswechsel wert.

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