Und wieder ist der Untergang des Abendlandes ein Stück näher gerückt: Die knallharten Lokaljournalisten von den Westfälischen Nachrichten haben aufgedeckt, dass im Online-Rollenspiel "World of Warcraft" zum Saufen aufgefordert wird! Zum Saufen - Huuaah! Dazu haben die Redakteure richtig dick aufgetrumpft, einschließlich Anrufen im Bundesfamilienministerium und beim unvermeidlichen Prof. Pfeiffer. Wie reagieren die Münsteraner Redakteure erst, wenn sie weiter investigativ recherchieren und dann herausfinden, dass das Spiel auch noch dazu ermuntert, mit Äxten auf lebende Wesen einzuschlagen? Schalten sie dann die UNO ein?
Hintergrund dieses Sturms im Wasserglas ist, dass in der WoW-Welt derzeit ein "Braufest" gefeiert, dass leicht als Anspielung auf das in der realen Welt stattfindende Oktoberfest zu erkennen ist. Die Aufgaben, die Spieler in WoW sonst lösen, lauten in diesem speziellen Fall auch nicht "Betrete die Festung des Bösen, vernichte zahllose Skelettarmeen, töte den Drachen und schnapp' dir das Amulett der Rückkehr ins Reale Leben", sondern eher so wie "Schüttet euch so voll, dass ihr einen Wolpertinger vorbeihoppeln seht." Ein Wolpertinger ist ein bayrisches Fabelwesen, und um nicht zu bemerken, dass das ganze eine Persiflage auf das größte Besäufnis der Welt in München gemeint ist, braucht man schon eine ganz große Portion Verbohrtheit und Humorlosigkeit.
"Aber das spielen doch schon Zwölfjährige!", krähen die empörten Provinzreporter, die vermutlich durch den Anruf einer besorgten Mutti überhaupt erst auf das Thema gekommen sind, nun: "Dann fangen sie im normalen Leben doch auch an zu saufen!". Nun ja, wäre ja immer noch besser als Amoklaufen, oder? Im Übrigen liegt die Suchtgefahr bei Spielen wie WoW ganz woanders; und nebenbei finde ich es auch ziemlich bigott, dass dieselbe Zeitung kein Problem darin sieht, Fotostrecken mit saufenden Eingeborenen vom Oktoberfest in Borken online zu stellen, wo sich die Zwölfjährigen in ihren raren WoW-Pausen mithin anschauen können, wie sich Papi und Mami vollaufen lassen - und zwar im Real Life.
Von der Killerspieldebatte zur Säuferspieldebatte - als nächstes ist vielleicht ein Spiel wie "Need for Speed" an der Reihe und löst eine Raserspieldebatte aus. Oder "FIFA 10", weil man da Gegenspieler foulen kann: Zeit für eine Unsportlichkeitsspieldebatte. Das sind aber ohnehin doch alles gesellschaftliche Scheingefechte, die wirkliche Gefahr geht natürlich von Spielen wie "Civilization" aus: Hier werden die zarten Kindelein zu knallharten Weltherrschaftsfantasien verleitet! Von solchen sind - nebenbei bemerkt - wohl auch WN-Journalisten nicht ganz frei, denn die großspurige Titelzeile "World of Warcraft unter Beschuss!" zu verwenden, obwohl sich außerhalb der Münsteraner Lokalredaktion niemand sonst auch nur zwei Sekunden lang für das Thema interessiert, ist schon ziemlich schweres Geschütz. Die Maus, die brüllte.
Ich war übrigens mit dreizehn schon mal besoffen. Und zwar ganz ohne WoW.
--> Gefunden bei Ulf.
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