Donnerstag, 29. Oktober 2009

Schon vor dem Gebührenfahnder GEZittert?

Unter Umständen steht das Ende einer weiteren Ära bevor: Die Länder denken über eine Abschaffung der geräteabhängigen Rundfunkgebühr nach, die durch eine "Medienabgabe" pro Haushalt ersetzt werden soll. Darüber werden sich unzweifelhaft all diejenigen freuen, die ihren Fernseher schon vor langer Zeit abgeschafft haben, weil nur noch Schwachsinn ausgestrahlt wird: Sie dürften künftig genauso zur Kasse gebeten werden wie die TV-Junkies, die keine Folge von "Marienhof" verpassen. Viel tragischer ist aber etwas anderes - nämlich dass dies das Aus für eine der - wie ich finde - schönsten Urban Legends bedeuten würde: Der über die berüchtigten Peilwagen der GEZ, die von der Straße aus feststellen können, ob in der Wohnung im siebten Stock die Glotze an ist, was für ein Programm läuft und ob sich der Bewohner gerade auf einen RTL-Fickfilm einen wedelt.

Hachja. Wer erinnert sich nicht wehmütig an seine Sturm-und-Drang-Zeit: Die erste eigene Bude, der erste eigene Fernseher - und der baldigst gefasste Entschluss, niemals so doof zu sein, GEZ-Gebühren zu zahlen. Erstens hat man während seiner Ausbildung oder Studienzeit eh keine Kohle dafür übrig, zweitens ist der Antrag auf Gebührenbefreiung viel zu zeit- und nervaufwendig, um sich ernsthaft damit befassen zu wollen und drittens möchte man ja schließlich vor seinen Freunden, die sich allesamt damit rühmen, keinesfalls auch nur einen Cent zu zahlen, nicht als Spießer oder Dämelack dastehen.

Bald flatterte dann der erste Brief der GEZ in den Postkasten, da man keinerlei Chance hatte, einen Schritt zu tun, ohne dass SIE es mitbekommen; und schon gar nicht war es denkbar, von IHNEN unbemerkt umzuziehen. Dem ersten folgte bald ein zweites und drittes in zunehmend unfreundlicherer und bedrohlicherer Tonart gehaltenes Schreiben, die man allesamt in die Tonne warf.

Und dann lernte man auf einer Party den ersten Menschen kennen, der jemanden kannte, dessen Bekannter "erwischt" worden war. Ein schmieriger Gebührenfahnder hatte an der Tür geklingelt und sich als Heizungsableser, Kripobeamter, Zeuge Jehovas oder als Herzkranker, der dringend einen Schluck Wasser braucht, ausgegeben, um in die Wohnung zu gelangen und den Schwarzseher auf frischer Tat während "Hans Meiser" zu überführen. Die Reaktion des Fahnders sah dann in aller Regel ungefähr so aus:




Irgendwann hatte sich dann herumgesprochen, dass diese Spitzel gar nicht so fürchtenswert waren, weil man sie zum Beispiel gar nicht in die Wohnung lassen musste. Das schrie nach einer weiteren, noch hanebücheneren Story: Wiederum ein Nachbar der Kusine dritten Gerades der besten Freundin einer weiteren Partybekanntschaft sei erwischt worden, weil die GEZ mit einem ihrer berüchtigten Peilwagen zweifelsfrei nachgewiesen habe, dass er schon seit Jahren Fernsehen guckte, ohne Gebühren zu zahlen, was ihm jetzt eine rückwirkende Rechnung von 130 Quadrillionen Mark eingebracht habe.

Und überall, wo ein paar Leutchen zusammenstanden und geistige Getränke zu sich nahmen, war mit Sicherheit mindestens eine(r) dabei, der oder die felsenfest überzeugt war, dass es solche Peilwagen gäbe, und bereit waren, dies beim Grabe ihres Wellensittichs zu schwören. Schließlich haben sie schon einmal einen gesehen! Nun ja, nicht direkt selbst gesehen, aber sie kennen jemanden, der blahblahblah. Und wer behauptete, die ominösen grauen VW-Bullis mit der mysteriösen Antenne auf dem Dach gehörten eigentlich der Post und seien lediglich dazu da, elektromagnetische Störfelder aufzuspüren, wurde scheel angeguckt - vermutlich gehörte er zu IHNEN. Die bundesdeutsche Variante der Furcht US-amerikanischer Militia-Spinner vor den schwarzen Helikoptern der Weltregierung.

Schön waren diese Zeiten, in denen junge Menschen schlaflose Nächte durchstehen mussten, weil schon den ganzen Tag ein Lieferwagen vor der Tür stand und sie sich schworen, sich morgen nun aber wirklich mal um ein Befreiungsformular zu bemühen. Nun droht aber, ach, das Ende der Legende von den GEZapo-Bullis, die nicht nur unangemeldete Rundfunkgeräte aufspüren, sondern den Menschen nebenbei auch eine mittlere Gehirnwäsche verpassen können. Und kein Endzwanziger wird mehr in den Genuss des halb befreienden, halb peinlichen Gefühls kommen, endlich zu kapieren, dass das ganze Gelabere um die GEZ Kokolores war.

Es ist eine Schande. Was haben heutige Nestflüchtlinge denn noch für einen Thrill zu erwarten, wenn ihnen diese wichtige Erfahrung, die den Charakter bildet und einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zum Erwachsenwerden darstellt, genommen wird? Wieder ist die Welt ein Stück weit grauer geworden.

So grau wie die Peilwagen.

3 Kommentare:

buchstaeblich hat gesagt…

Die neue Legende handelt dann von GPS-Sendern, die heimlich in Empfangsgeräte eingebaut werden, damit Schwarzseher geortet werden können.
Fans der Trendsportart Geo-Caching (heißt das wirklich so?) werden sich zuhauf bei der GEZ verdingen wollen.

juliaL49 hat gesagt…

Also das mit den Peilwagen habe ich noch nie gehört, sondern nur dass die Papiercontainer nach TV-Zeitschriften durchsuchen.
Jedenfalls musste ich rückwirkend einige Monate zahlen, aber der Fahnder hat das völlig emotionslos aufgenommen. Seitdem lasse ich mir aber immer sehr viel Zeit mit dem Überweisen und auch der Antwortbrief (Erkundigung, ob ich nicht noch mehr angeschafft habe, Autoradio und so) wird ohne Briefmarke zurückgeschickt.

Ich finde die Idee jedenfalls grandios, da der größte Teil der GEZ für die Verwaltung (und Bezahlung der Fahnder) draufgeht und wenn einfach pauschal alle zahlen, dann wird der Beitrag so niedrig sein, dass es sich alle leisten können.

carluv hat gesagt…

Die Perfidie geht noch weiter: Wirklich gut aussehende Undercover-Agenten der GEZ knüpfen Beziehungen in Diskotheken, Mensen oder sozialen Netzwerken, und die Antwort auf die Frage "Zu mir oder zu dir?" ist immer zu ihr, wo er dann, einmal den Fuß in der Tür, auch den Fernseher entdeckt. Und dann ist Schluss mit lustig...
@Julia: Du glaubst, dass eine einmal erhobene Gebühr sinkt, nur weil der Verwaltungsaufwand sinkt? Wirklich?