Montag, 31. März 2008

... oder darf's ein bisserl mehr sein?

Wenn vom Transrapid die Rede ist, wird regelmäßig das Wort vom Geschwindigkeitsrausch bemüht. An einen Rausch - oder anderweitig benebelten Zustand der Entscheidungsträger - erinnert der fast genau ein halbes Jahr andauernde Bohei um die Transrapidstrecke in München tatsächlich in vielen Punkten - der anschließende Kater dürfte sich entsprechend anfühlen.

Die erwähnte Strecke wird nicht gebaut, das dürfte nun jeder mitbekommen haben. Als Abschiedsgeschenk für Ede war das Projekt dann doch ein wenig zu teuer. Diese Entwicklung überrascht nicht: Noch während erbittert darum gerungen wurde, wer wieviel Geld zu den offiziellen Kosten von 1,85 Milliarden Euro beisteuern soll, hat schon niemand mehr ernsthaft an diese Zahl geglaubt. Nun ist es heraus: Das Ding soll nicht ein bisserl mehr kosten, auch nicht deutlich mehr, sondern mit geschätzten dreieinhalb Milliarden Euro fast doppelt so viel. Warum das so kommen musste, obwohl das Transrapid-Konsortium die 1,85 Mrd. seinerzeit als Festpreis zugesagt hat, lassen wir mal offen.

Statt dessen zollen wir dem niedersächsischen Wirtschaftsminister Walter Hirche unseren tief empfundenen Respekt. Mit einem grandiosen Gespür für gutes Timing hat der FDP-Mann das Aus für München noch am selben Tag zum Anlass genommen, die Idee eines Eurorapid wieder ins Spiel zu bringen - nicht kleckern, sondern klotzen, heißt wohl die Devise. Hirche meinte allerdings nur einen Teil des dort geplanten Streckennetzes, den von Amsterdam nach Hamburg nämlich, also jenen Teil, der größtenteils durch Niedersachsen führen soll. Raffiniert. Nur eines verstehe ich nicht, vielleicht kann es mir jemand erklären: Wenn der Bau einer 37 Kilometer langen Strecke mit 3,5 Milliarden Euro schlichtweg nicht bezahlbar ist - wie soll das dann mit einer 420 Kilometer langen Verbindung gehen?

Donnerstag, 27. März 2008

Von Lidl lernen heißt Siegen lernen

Der Preis für den schillerndsten Erklärungsversuch der Woche gebührt ohne Zweifel dem Lidl-Management. Mit den Stern-Recherchen zur Ausspionierung der Mitarbeiter konfrontiert, sagte IM Petra Trabert aus der Chefetage, die Überwachungen "dienen nicht der Mitarbeiterüberwachung, sondern der Feststellung eventuellen Fehlverhaltens". Wo liegt denn da bitte der Unterschied? Ich hoffe stark, dass Schäuble und Konsorten die Lidl-Berichterstattung nicht verfolgen, ansonsten bekommen sie ganz neue Munition in der Debatte um Online-Überwachung und Vorratsdatenspeicherung: "Wir wollen doch nur etwaiges Fehlverhalten der Bürger feststellen!" - "Na, wenn's so ist, wird das schon in Ordnung sein..."

Nimmt man dieses "Fehlverhalten" unter die Lupe, zeigt sich, was Lidl unter Fehlverhalten versteht: Falsche Muttersprachlichkeit ("Die Kräfte Frau E. und Frau F. unterhalten sich, auch vor Kunden, auf polnisch miteinander!" - schließlich soll der Kunde ja nicht unbedingt mitkriegen, dass Lidl polnische Billiglohnkräfte beschäftigt); falscher Netto-Verdienst; falsche Essgewohnheiten; falsche Freizeitplanung. Vorschlag zur Güte: Das tschechische Modell, bei dem Verkäuferinnen, die ihre Tage haben, dies mit einem Stirnband zu erkennen geben müssen, kann doch auch hier Anwendung finden. Wer zu wenig Geld hat, soll dies durch einen mehrfach geflickten Lidl-Kittel zeigen und wer samstags frei haben will, bekommt eine Eselsmütze.

Dass Lidl seine Beschäftigten nicht viel besser als Leibeigene behandelt, ist nichts Neues. Was aber in Menschen vorgeht, die ihre Angestellten auf eine derart widerwärtige Weise bespitzeln und sich dann auch noch mit Floskeln wie "Fairness" und "Vertrauen" dicke tun, weiß ich nicht - weder, was die Lidl-Chefs, noch, was die Detektive betrifft. Vielleicht war der Möchtegern-Nick Knatterton aber auch einfach nur frustriert, dass auch er unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten musste: "Die Heizung auf dem Herren-WC funktioniert nicht."

Montag, 24. März 2008

Von deutschem Boden darf nie wieder ein Boykott ausgehen!

Da die Spiele-Verderber in Tibet weiter darauf beharren, wahrgenommen zu werden, fühlen sich die Olympia-Funktionäre nunmehr genötigt, Klarheit zu schaffen - und ihre Stellungnahmen sind an Unehrlichkeit, Egoismus und politischer Unbedarftheit kaum zu überbieten. Ein ebenso trauriges wie peinliches Symbol für den offiziellen Umgang der Sportoberen mit der Tibetkrise lieferte jetzt das griechische Fernsehen bei der Übertragung der Zeremonie zur Entzündung der olympischen Flamme. Kaum waren protibetische Demonstranten im Bild, waren sie auch schon wieder heraus und wurden durch heimelige Naturaufnahmen ersetzt.

Vorangeprescht sind bei dem Boykott der Boykottfrage natürlich wieder mal die Deutschen, die jetzt klipp und klar gemacht haben, dass sie auf alle Fälle teilnehmen werden und daran erinnerten, dass der Boykott der Spiele in Moskau 1980 auch nichts gebracht habe. Vor einer Woche klang das aus dem Mund von DOSB-Chef Thomas Bach noch so: "Der Boykott wäre der falsche Weg, weil dadurch Gesprächsfäden abgeschnitten würden." Das ist natürlich Unsinn und widerspricht der IOK-Eigeninterpretation: Wenn die Spiele wirklich unpolitisch sind, bilden sie auch keine Gesprächsfäden zur chinesischen Regierung - Gespräche laufen auf dem diplomatischen Weg und nicht auf der 100-Meter-Bahn.

Sinniger ist da das Schlupfloch, das Bach zu Ostern aus dem Ärmel gezaubert hat und mit dem er die moralische Verantwortung den Athleten zuschanzt. In der offiziellen Erklärung zur Teilnahme an den Spielen heißt es:
"Der DOSB bekennt sich zum Prinzip des ,Mündigen Athleten'. Jedem Mitglied der DOSB Olympiamannschaft wird es im Rahmen der Regeln der Olympischen Charta möglich sein, seine Meinung vor, während und nach den Olympischen Spielen frei zu äußern."
Dumm nur, dass die Olympische Charta im Abschnitt 51 jedwede politische Agitation untersagt: "No kind of demonstration or political, religous or racial propaganda is permitted in any Olympic sites, venues or other areas." Glückwunsch, Herr Bach, zu diesem raffinierten Trick 17, mit dem der DOSB aus dem Schneider ist. Sie könnten fast Politiker werden.

A propos Politiker. Der stellvertretende Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses Peter Rauen (CDU) befürwortete die Teilnahme mit der Begründung, die Spiele in Peking seien "die große Chance, konkrete Verbesserungen zu erreichen. Ein Boykott der Spiele würde die Lage der Menschenrechte nur verschlechtern." Na, wir alle wissen ja, wie sehr die Olympischen Spiele von 1936 - die von keinem Land boykottiert wurden - dazu beigetragen haben, die Menschenrechtslage im Nazireich nachhaltig zu verbessern: Schließlich wurde bereits 13 Jahre später eine demokratische Verfassung erlassen. Spaß beiseite: Natürlich ist China nicht Hitlerdeutschland - aber die Vorstellung, dass ein vierwöchiges Sportfest eine Diktatur zu dauerhaftem Beachten der Menschenrechte veranlassen könnte, ist schon geradezu rührend naiv.

Fehlt nur noch IOK-Präsident Jacques Rogge, der sagte, ein Boykott würde nur "unschuldige Athleten" treffen. Nun, im Moment werden vor allem unschuldige Tibeter getroffen, und zwar von Knüppeln und Kugeln. Leitet sich daraus nicht ein gewisser, ähm, Handlungsbedarf ab? "Die Spiele müssen in einer friedlichen Atmosphäre stattfinden", legte Rogge jetzt nach, und in dem Punkt können wir beruhigt sein: In Peking wird es im August sowas von friedlich zugehen, dafür werden die Sicherheitskräfte schon sorgen. Und im Zweifelsfall blenden die beteiligten Fernsehsender dann eben hübsche Bilder von Chrysanthemen ein.

Sonntag, 23. März 2008

Grußworte zum 125. Todestag von Karl Marx, Folge 2

"Wir als Christen müssen uns auch mal einmischen [...] Das gilt auch für die Würde des arbeitenden Menschen, den wir schützen müssen vor einem sich überschlagenden Kapitalismus."
Reinhard Marx, Erzbischof von München und nicht verwandt oder verschwägert mit Karl.

An ihren Filmen sollt ihr sie erkennen

Der neue Münchner Erzbischof Reinhard Marx haut auf den Putz: Actionfilme im TV seien zu Ostern nicht akzeptabel. Sendungen wie "Sudden Death" oder "Stirb Langsam" seien "kein angemessener Umgang mit der Osterbotschaft", so der Bischof mit dem unpassenden Nachnamen. Bischof Gebhard Fürst, der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz, setzte noch einen drauf: "Das ist ein Angriff auf die öffentliche Ordnung."

Da haben die beiden Oberhirten wohl etwas nicht mitbekommen. Natürlich passt ein Film mit dem Titel "Stirb langsam" zum Karfreitag - wenn nicht dann, wann sonst? Schließlich dauerte es im Falle Jesu ja auch ganz schön lange bis zum letzten Seufzer. Ich bin der festen Überzeugung, Sat1 wollte mit dieser Programmplatzierung nur zur Stärkung des Glaubens beitragen. Anders natürlich die Heiden von Pro7 mit "Sudden Death": Wenn man erst gefoltert wird und dann stundenlang am Kreuz hängt, kommt der Tod alles andere als plötzlich. Keine Ahnung von der Passionsgeschichte, was? Dafür wartet auf die Programmplaner ewige Verdammnis.

Schönes Osterfest!

Donnerstag, 20. März 2008

Mein Haus, mein Boot, meine Gewerkschaft

Nach einem Bericht des Spiegel hat die PIN-Group die im letzten Oktober neu gegründete "Gewerkschaft der Neuen Brief- und Zustelldienste" GNBZ, also die Vertretung ihrer eigenen Arbeitnehmer, massiv finanziert. Es kam mir doch gleich komisch vor, als die PIN-Zusteller auf die Straße gingen, um gegen Lohnerhöhungen zu demonstrieren.

Nur einem wurde offenbar der Mindestlohn spürbar angehoben, nämlich dem GNBZ-Vorsitzenden Arno Doll, dessen Grundgehalt dem Bericht zufolge von PIN - also letztlich dem Springer-Verlag - mal eben auf das Siebenfache hoch gezaubert wurde und der noch vor wenigen Tagen jegliche finanzielle Zuwendung an die Gewerkschaft durch die Arbeitgeber abgestritten hat.

Ein schöner Trend. Nachdem die Unternehmen unlängst massenhaft begonnen haben, eigene Personaldienstleistungsgesellschaften zu gründen, um Tarife und Kündigungsschutz zu umgehen, gründen sie jetzt auch noch ihre eigenen Gewerkschaften. Was als nächstes? Betriebseigene Steuerprüfer?

Dienstag, 18. März 2008

Grußworte zum 125. Todestag von Karl Marx, Folge 1

"Ich glaube nicht an die Selbstheilungskräfte des Marktes ... Global operierende Banken brauchen global operierende Aufsichtsbehörden."
Josef Ackermann, Vorstandschef der Deutschen Bank

Montag, 17. März 2008

Lasst die Spiele beginnen - oder auch nicht

Boykottieren? Oder nicht? Hat die olympische Idee mehr Gewicht als ein politisches Signal - und wäre ein Boykott überhaupt das richtige Signal? Die Frage, ob man an den Spielen in Peking teilnehmen soll, wird hitzig diskutiert. Keine einfache Frage - die großen Olympia-Boykotte von 1976, 1980 und 1984 hatten immerhin den Kalten Krieg bzw. das südafrikanische Apardheitsregime im Fokus. Würde man China mit einem solchen Schritt nicht zum Antipoden der Weltgemeinschaft erklären?

Schon nach den wenigen Tagen, in denen Tibeter wieder niedergeknüppelt und erschossen sowie etwaige Augenzeugen aus dem Land geworfen werden, ist zumindest eines klar: Die Diskussion um die Olympischen Spiele ist die einzige, die betreffend des Umgangs mit China überhaupt ernsthaft geführt wird. Den Politikern scheint's nur recht zu sein, denn die scheinen das Thema nicht mit der Beißzange anfassen zu wollen. Nehmen wir als Beispiel Außenminister Frank-Walter Steinmeier ("The next Kurti Beck"). Der sagte zum gewaltsamen Vorgehen der chinesischen Truppen: "Wir [die EU] haben appelliert, das Gespräch mit den Repräsentanten der Tibeter zu suchen, um zu einer Beilegung der aktuellen Streitigkeiten zu kommen." Whoo-hooh! Das nenne ich eine volle Breitseite. Ich hätte zu gerne gesehen, wie Hu Jintao schlotternd zu Boden gesackt ist, als ihn diese Aussage erreichte.

Nein, im Ernst: Einen noch weichgespülteren Satz kann ich mir auch aus Politikermund kaum vorstellen. Allerdings muss bei Steinmeiers Zurückhaltung ein gewisses Maß an Ehrlichkeit konstatiert werden, denn mehr als dieser nicht einmal halbherzige Appell wird nicht kommen. Zum einen vermute ich einmal, dass Angela Merkel keinen gesteigerten Wert darauf legt, dass öffentlich erörtert wird, ob der Empfang des Dalai Lama die Eskalation eventuell befördert haben könnte. Und zum anderen: Wer legt sich schon mit dem Reich der Mitte an? Sicher nicht die deutsche Politik, der die Wirtschaft im Nacken sitzt, die in den letzten Jahren unfassbare Beträge in China investiert hat. Und auch nicht der Durchschnittsbürger, der die Bilder aus Lhasa vielleicht schrecklich findet, andererseits aber auch nicht auf DVD-Player für 40 Euro verzichten mag.

Das ist die traurige Realität auf dem diplomatischen Parkett, auch im beginnenden 21. Jahrhundert: Freund ist nicht, wer dieselben Überzeugungen teilt - Freund ist, wer wirtschaftlich oder strategisch etwas zu bieten hat. Da kann Russland noch so viele Tschetschenen auf dem Gewissen haben, die USA noch so viele Angriffskriege führen oder China noch so viele Dissidenten, Uiguren, Tibeter oder wen auch immer massakrieren.

Olympische Idee? Schon die Entscheidung für Peking als Austragungsort war politisch motiviert. Olympia wird schon seit Jahrzehnten politisch instrumentalisiert. Und während sich Sportfunktionäre den Kopf darüber zerbrechen, ob die olympische Fackel durch Tibet getragen werden sollte, frage ich mich: müssen in einem Land, das die Menschenrechte offen mit Füßen tritt, eigentlich erst Spiele stattfinden, bevor öffentlich darüber gesprochen wird? Falls ja, fielen mir eine Menge Städte ein, die als nächste Austragungsorte in Frage kämen.

Samstag, 15. März 2008

Des Pudels Kern?

Wer ist der gefährlichste Feind der USA - Osama Bin Laden? Muktada Al-Sadr? Kim Jong Il? Alles falsch. Wenn man Sally Kern, einer republikanischen Abgeordneten aus Oklahoma, glauben darf, dann muss der US-Bürger deutlich mehr Angst vor Menschen wie Freddie Mercury und Melissa Etheridge haben. Kern sagte nämlich: "Studien zeigen, dass keine Gesellschaft, die Homosexualität vollständig angenommen hat, mehr als ein paar Jahrzehnte überdauert hat. [...] Also ist es der Todesstoß für unser Land." - Ich liebe Argumentationsversuche, die mit den Worten "Studien zeigen ..." beginnen. In diesen Fällen kann der Adressat sicher sein, dass diese erwähnten Studien nicht existieren. Wie denn auch - welche Gesellschaft soll denn in diesem Fall Gegenstand der Studien gewesen sein? Homosexualität "vollständig angenommen", was auch immer das heißen mag, und dann nach ein paar Jahrzehnten untergegangen? Wer Mrs Kern selbst fragen möchte: sallykern@okhouse.gov. Die Antwort könnte allerdings ein bisserl auf sich warten lassen, die Frau bekommt derzeit zigtausende Mails und arbeitet erstmal die mit den Todesdrohungen ab. Außerdem muss sie sich mit Gerüchten herumschlagen, ihr eigener Sohn sei schwul - das zerrt an den Nerven, also bitte Geduld haben.

Wenn die Schwulen und Lesben aber tatsächlich die größere Bedrohung für die Zukunft der USA sein sollten als die Terroristen, dann sind die amerikanischen Truppen in Afghanistan und im Irak natürlich absolut fehl am Platz - sie müssten San Francisco besetzen und bestimmte Viertel New Yorks bombardieren. Die dann zu erwartenden Flüchtlinge könnten wir in Köln ansiedeln - wir helfen ja gerne.

Donnerstag, 13. März 2008

Deutschland - Österreich 1:0, Torschütze: O. Habsburg (Eigentor)

Selbstverständlich sollte man alten Menschen mit Höflichkeit, Achtung und Respekt begegnen. Es sei denn natürlich, sie heißen Otto von Habsburg und reden im österreichischen Parlament gequirlten Dünnpfiff. "Wenn es immer wieder blamable Diskussionen darüber gibt, ob die Österreicher Mitschuldige oder Opfer waren, dann muss ich sagen, dass es keinen Staat in Europa gibt, der mehr Recht hat, sich als Opfer zu bezeichnen!" - sprach der 95-Jährige und verglich den frenetischen Jubel, mit dem Hitler in Wien empfangen wurde, mit einem Fußballspiel. Dafür erntete er nicht etwa Prügel, wie es in einer gerechteren Welt vielleicht der Fall gewesen wäre, sondern Beifall von den Konservativen.

Nun, Otto muss recht haben. Schließlich ist er Abkömmling der Dynastie, die über Jahrhunderte das Kaiserreich Österreich-Ungarn von Gottes Gnaden regierte - und Gott sollte ja eigentlich unfehlbar sein. Zumindest sind seine Wege unergründlich - genauso unergründlich wie die Wege der Gedanken im offenbar altersschwachen Hirn des Möchtegern-Monarchen.

Man muss versuchen, Otto zu verstehen. Während die anderen europäischen Staaten also zwar ein paar Millionen Tote durch den Nationalsozialismus zu beklagen haben, so hatten diese Länder es wenigstens mit nackter, ehrlicher Gewaltanwendung zu tun. Bei einem guten alten Krieg nebst Deportationen weiß man ja schließlich, woran man ist.
Ungleich perfider das Vorgehen in Österreich. Mit dem Einsatz kosmischer Strahlen (oder schwarzer Magie, die Wissenschaft ist sich da noch nicht ganz sicher) hatten die Nazis die armen Eingeborenen des kotelettförmigen Landes über Jahre hinweg planmäßig beeinflusst und sie veranlasst, ihre eigene Demokratie ab 1933 Stück für Stück zu demontieren. Und niemand kann sich heute mehr die Brutalität vorstellen, mit der eine Viertelmillion Österreicher gezwungen wurde, Hitler auf dem Heldenplatz zuzujubeln, obwohl sie sicherlich lieber die Invasoren bekämpft oder zumindest zivilen Ungehorsam geleistet hätten. Aufrechte und untadelige österreichische Bürger wie Arthur Seyß-Inquart, Ernst Kaltenbrunner, Odilo Globocnik und Adolf Eichmann mussten fortan gegen ihren Willen für die Nazis arbeiten. Ein Land, das so viel einstecken musste, hat zweifellos mehr Recht, sich als Opfer zu fühlen als etwa, sagen wir: Polen.

Zynismus beiseite: Dass ein 95-Jähriger, der sein Leben lang frustriert war, weil man ihm 1918 sein Lieblingsspielzeug weggenommen hat, derartigen Bockmist von sich gibt, ist vielleicht erklär-, aber nicht entschuldbar. Dass ausgewachsene Volksvertreter dazu klatschen, ebensowenig - und auch nicht das geifernde Krakeele angefressener Deutsch-, Verzeihung: Österreichnationaler. Schämt euch. Und nicht vergessen: Hitler war Österreicher.

Dienstag, 11. März 2008

Gedenket des Elends...

Mit leichter Verwunderung habe ich festgestellt, dass am heutigen Dienstag offenbar kein Gedenktag oder Welttag für irgendwas ist. Daran werde ich nun etwas ändern: Ab heute sei der 11. März fürderhin der "Welttag der journalistischen Phrase". Natürlich werde ich sofort mit gutem Beispiel vorangehen; für jede verwendete Phrase werfe ich ein Zwei-Euro-Stück ins neben mir stehende Phrasenschwein. Alsdann:

Nachdem SPD-Chef Kurt Beck nach seinem Eigentor (*pling*) im Zusammenhang mit den Äußerungen zur Linkspartei zwischenzeitlich vor einem Scherbenhaufen stand (*pling*), sieht er nun wieder einen Silberstreif am Horizont (*pling*). Bei der gestrigen Pressekonferenz erteilte er jedweder Zusammenarbeit mit der Linken eine Absage (*pling*), gab jedoch grünes Licht (*pling*) für die Landesverbände, im Einzelfall anders zu entscheiden. Zuvor hatte die Union massive Kritik geübt (*pling*) und Beck als "wortbrüchig" gegeißelt (*pling*). Beck wies die Vorwürfe zurück (*plingpling*, weil's so schön ist). Die SPD-Spitze stellte sich geschlossen hinter Beck (*pling*) und stärkte dem Pfälzer (*pling*) den Rücken (*pling*).

Nicht übel für den ersten Versuch - 24 Euro für diese Nicht-Meldung. Die Erlöse kommen meiner in Liechtenstein ansässigen Stiftung zur Rettung bedrohter Phrasenschweine zugute. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Sonntag, 9. März 2008

Und sie bewegt sich doch...

... die katholische Kirche nämlich, die Galileo Galilei im kommenden Jahr - 367 Jahre nach seinem Tod - mit einer Marmorstatue in den Vatikanischen Gärten ehren will. Pünktlich zum von den UN ausgerufenen "Jahr der Astronomie" schmückt sich die Kirche mit dem Mann, den sie einst mit dem Tode bedroht hat, weil er es gewagt hat zu behaupten, die Erde würde sich um die Sonne drehen und nicht umgekehrt.

Dass die Katholen dreieinhalb Jahrhunderte brauchen, um ihren Irrtum einzugestehen, scheint mir typisch zu sein; dass sie im ausgehenden 20. Jahrhundert noch einmal 13 Jahre gebraucht haben, um sicherzustellen, dass es tatsächlich ein Irrtum war - DAS ist denkwürdig. Aber ich will mich nicht lange damit befassen und an der katholischen Kirche herumnölen, sondern konstruktiv an ihrer Modernisierung mitwirken. Also: in diesen Gärten ist doch bestimmt Platz für noch ein paar Statuen. Wie wäre es mit Charles Darwin?

Freitag, 7. März 2008

Reinhard - Das Eiserne Kreuz

Manchmal ist es schon erstaunlich: es scheint keine Idee zu geben, die zu absurd ist, um von irgendjemandem gehabt und auch noch laut ausgeprochen zu werden. Aktueller Fall: Als ob das Gerede um die Stiftung eines neuen Tapferkeitsordens für die Bundeswehr nicht an sich schon peinlich genug wäre, meldet sich auch noch ein Unions-Hinterbänkler namens Reinhard Beck zu Wort und schlägt allen Ernstes vor, das Eiserne Kreuz wieder einzuführen.

Ausgerechnet das Eiserne Kreuz! Vom Marketing-Standpunkt aus betrachtet ein sicherlich nachvollziehbarer Vorschlag: Alleinstellungsmerkmal, etablierte Marke, hoher Wiedererkennungswert in fast ganz Europa und Nordafrika - all dies ist bereits gegeben. Das Ding hat sich immerhin in zwei Weltkriegen bewährt.

Was diese Idee aber grenzenlos dämlich erscheinen lässt, ist gerade der Umstand, dass sich das Ding in immerhin zwei Weltkriegen "bewährt" hat. Schließlich hat Deutschland diese Kriege vom Zaun gebrochen, und deutsche Soldaten, von denen einige dieses Kreuz an der Brust hatten, legten weite Teile Europas in Schutt und Asche. Dass der Blechorden bereits 1813 erstmalig gestiftet worden ist, spielt überhaupt keine Rolle: Die Bedeutung eines Symbols ändert sich nun einmal bisweilen - siehe Hakenkreuz. Nicht nur Kriegsverbrechen, sondern auch zahllose Kriegsfilme (auch ohne James Coburn) haben den Zusammenhang "Eisernes Kreuz" und "Wehrmacht" tief in die Gehirne der Menschen eingemeißelt.

Glücklicherweise hat sich der Verteidigungsminister einen Rest Vernunft bewahrt und die hanebüchene Schnapsidee mit dem EK vom Tisch gefegt. Da das Staatsoberhaupt für das Stiften von Orden zuständig ist, hätte das ohnehin komisch gewirkt: Das Eiserne Kreuz ist dann doch ein bißchen zu martialisch für eine Figur wie Hotte Köhler - Ein Orden in Form eines Geldsacks mit gekreuzten Kugelschreibern wäre da passender.

Aber ich schweife ab. Es bleibt die Frage: Warum überhaupt einen Tapferkeitsorden? Bislang kämpft die Bundeswehr doch nicht einmal, vom Kampftrinken einmal abgesehen. Daran wird sich allerdings bald etwas ändern. Nicht nur für die Handvoll KSK-Soldaten, die schon seit Jahren immer wieder mal in Afghanistan zum Einsatz kommen, sondern auch für die Truppen der Quick Reaction Force soll es demnächst heißen: "The Germans to the Front!" Dort können die Helden in spe dann austesten, ob ein Stück lieblos ausgestanztes Blech im Wert von zwanzig Pfennig an der Brust im Notfall ein Projektil abhalten kann.

Mittwoch, 5. März 2008

The not-so-Black Prince

Prinz Harry ist traurig. Nach nur zehn Wochen Armee-Einsatz muss er Afghanistan wieder verlassen - dabei war er bestimmt kurz davor, den Krieg im Alleingang zu entscheiden. Schließlich bekleidet der Liebhaber von Naziuniformen mit seinen süßen 23 Jahren den Rang eines Unterleutnants - zweifellos ein geborener Heerführer. In einem typischen Anflug von aristokratischem Chauvinismus hatte das Haus Windsor den Milchbubi also in den Krieg geschickt, diesen Umstand zu gegebener Zeit der Presse gesteckt und zieht nun die leider, ach, notwendig gewordene Konsequenz, die Nummer drei der Thronfolge aus der Schusslinie zu nehmen. Eine nur allzu durchsichtige Farce.

Nach den Worten seines Kommandeurs war er "an den Operationen voll beteiligt und ist die gleichen Risiken eingegangen wie alle anderen in seiner Truppe". Das glaube ich dem Mann aufs Wort, schließlich sind diese Operationen und Risiken ja nicht näher bezeichnet. Es kann sich durchaus um die Operation "Latrine putzen" und das Risiko, Kakerlaken im Plumpudding zu entdecken, gehandelt haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass Harry Befehle wie "Sie werden morgen einen Sturmangriff auf diese befestigte Stellung durchführen" auszuführen hatte, halte ich demgegenüber für - nun ja, eher gering. Eigentlich sollten seine Kameraden traurig sein, dass Ihro Gnaden weg ist: Seine Einheit war in den Wochen seines Abenteuereinsatzes vermutlich nicht die allererste Wahl bei gefährlichen Missionen. Das könnte sich nun ändern.

Aber was soll's, der Satisfaktion ist Genüge getan worden und von jetzt ab wird der Mann, dessen Vater einst ein Tampon sein wollte, bis zum Ende seiner Tage mit seinen Kriegserlebnissen prahlen können. Vielleicht sollte man an dieser Stelle einmal an einen anderen Prince of Wales erinnern: Edward Plantagenet, den berühmten "Black Prince". Das waren noch Zeiten, als königliches Blut wirklich kämpfen musste...

Dienstag, 4. März 2008

Titten, Tresen, Testosteron

Dass überall dort, wo journalistische Peinlichkeiten zu Tage treten, das Magazin "Stern" nicht weit ist, dürfte kein Geheimnis sein. Aber auch der Stern entwickelt sich weiter und ist durchaus in der Lage, sich immer wieder selbst zu unterbieten: War schon die große Wikipedia-Geschichte zum Jahresende an Oberflächlichkeit und Undifferenziertheit kaum mehr zu toppen, so hat die "Hells Angels"-Story vom Januar unzweifelhaft den Vogel abgeschossen. Mit etwas Glück handelte es sich beim abgeschossenen Vogel um den des verantwortlichen Redakteurs - dann würde der geschätzten Leserschaft eine derart übelriechende Aneinanderreihung von feuchten Männerphantasien zukünftig erspart bleiben.

Zum Inhalt: Ein Stern-Schreiberling darf eine Zeitlang mit zu Hells Angels-Treffen und sogar den einen oder anderen Rocker interviewen. Damit ist auch die gesamte Quellenlage für diesen Artikel hinreichend beschrieben, denn Außenstehende kommen gar nicht erst zu Wort - etwa Kriminalbeamte, die sicherlich einiges dazu zu sagen hätten, etwa zu den Themen Gewaltverbrechen, Drogen- und Waffenhandel und Prostitution. Nein, Polizisten spielen hier nur die Rolle von Spielverderbern, die offensichtlich auch noch unter schwerer Paranoia leiden müssen, wenn sie den großen Jungs solch böse Taten zutrauen. Um das Thema "Hells Angels und Prostitution" erschöpfend zu erläutern, lässt der Stern-Autor lieber einen der Rocker zu Wort kommen, und heraus kommt sinngemäß so etwas wie "Dem armen Bruder XY wird immer Zuhälterei vorgeworfen, dabei ist er doch nur der Vermieter von Räumlichkeiten". Zum Heulen: Passend zum ältesten Gewerbe der Welt liefert der Stern die wohl älteste Rechtfertigung der Welt.

Ein weiteres Schmuckstück dieser journalistischen Frechheit lautet - aus dem Gedächtnis zitiert - "... und zum Wochenende geht es rauf nach Skandinavien zum Bandenkrieg." Endlich wird's spannend, dachte ich, aber nein: dieser Halbsatz war tatsächlich alles zum Thema Bandenkrieg! Kein Wort davon, dass Hells Angels und Bandidos sich mit Raketen und MPs beschießen, kein Hinweis auf die zahlreichen Todesopfer, nicht eine einzige Silbe darüber, worum es in diesem Krieg überhaupt geht. Aber Halt, das würde ja auch gar nicht funktionieren - denn zu diesem Zeitpunkt ist dem Leser ja schon massiv eingebläut worden, dass die Rocker keineswegs Menschenhandel betreiben, sondern nur spielen wollen, gerne Bier trinken und auf jeden Fall Männer der Ehre sind.

Heraus kommt eine vor Testosteron triefende Leserverarschung, die mit ernstzunehmendem Journalismus so viel zu tun hat wie eine Pressemitteilung von Vattenfall. Der Autor wäre offensichtlich selbst gerne ein Hells Angel, hat aber vermutlich zu wenig Kampfgewicht auf den Rippen und trägt vermutlich auch noch eine Brille. Also blieb ihm nur übrig, seine Männlichkeit über den Umweg dieses erbärmlichen Artikels auszuleben und dabei ist ihm immerhin das Kunststück gelungen, gleichzeitig die Tastatur zu bedienen und sich brüllend auf den Brustkorb zu trommeln. Und das ist ja auch schon was.