Mittwoch, 29. April 2009

Es ist noch kein Schwein vom Himmel gefallen

Nun ist es also die Schweinegrippe. Nachdem nacheinander Ebola, Geflügelpest, BSE und Vogelgrippe nicht die an sie gestellten Erwartungen erfüllten - nämlich die Weltbevölkerung entscheidend zu dezimieren - müssen nun die mexikanischen Krankheitserreger ran und ihre Pflicht tun: nämlich die Medienmaschinerie zu füttern; die Menschheit in Angst und Schrecken zu versetzen (was im Prinzip dasselbe ist) und vor allem die Kassen der Pharmaindustie zu füllen. Denn vom Verkaufsschlager "Tamiflu" sind sicherlich noch einige Tonnen auf Lager.

Das hat schließlich schon mal funktioniert: Kaum fiel irgendwo ein totes Federvieh aus den Wolken, rannten Tausende Zeitungsleser verängstigt zu ihren Ärzten und in die Apotheken. Die Regierenden nutzten die Gelegenheit, sich als Retter des Volkes vor dem viralen Armageddon aufzuspielen und kauften waggonweise Grippemedikamente. Dummerweise spielte das Vogelgrippevirus nicht mit: Es hörte mangels Massensterbens mir nichts, dir nichts einfach auf, bedrohlich zu wirken; und die Leute verloren ihren Schrecken vor dem drohenden Tod durch Lungeauskotzen - sei es, weil der Adrenalinspiegel wieder auf ein normales Niveau absackte, sei es aufgrund normaler medialer Ermüdungserscheinungen. Also muss was Neues her! Und H1N1, das klingt ja auch schon viel gefährlicher als H5N1. H1 klingt nach First-Class-Bedrohung; H5 irgendwie nach "bloß irgend so'ne Viren-Abart".

Nicht falsch verstehen: Wenn mehrere Menschen binnen weniger Tage an einem Virus sterben, ist das nichts, was ich kleinreden oder worüber ich mich lustig machen will. Aber jedes Jahr sterben nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts bis zu 15.000 Menschen an einer Grippeerkrankung - allein in Deutschland. Ganz normale Grippe, wohlgemerkt. Dennoch: Die Hysterie wird einmal mehr geschürt. Die Zahl der Infizierten und der Opfer wurde im Stundentakt nach oben geschraubt, bis hin zu mehr als 150 Toten - jetzt sind es plötzlich nur noch sieben. Düstere Vergleiche zur Spanischen Grippe 1918 wurden gezogen, in vollkommener historischer Unbedarftheit selbstverständlich. Und obwohl bislang noch kein totes Schwein aus dem Himmel auf eine südoldenburgische Weide geknallt ist, warnten alle möglichen selbsternannten Experten vor einer weltweiten Pandemie mit zig Trilliarden Toten - die drei einsamen Infizierten in Deutschland sind nach ihrer ärztlichen Behandlung indes allesamt bereits auf dem Weg der Besserung. Die Opfer in Mexiko dürften, damit lehnt man sich sicherlich nicht allzu weit aus dem Fenster, nicht zuletzt den hygienischen und medizinischen Rahmenbedingungen des 20-Millionen-Molochs Mexiko-City geschuldet sein.

Die Nutznießer der fleißig geschürten Seuchenpanik sind einmal mehr die üblichen Verdächtigen: Die Gesundheitsindustrie verdient Geld, die Presse muss sich ein paar Tage lang keine Gedanken um den Aufmacher machen - und die Politik kann sich wieder mal als Krisenmanager aufspielen. Praktisch, so kurz vor der Wahl.

Nur wie lange diese regelmäßig neu aufgelegte Böse-Seuche-Tour noch zieht, möchte ich mal wissen. Allmählich gehen den Initiatoren nämlich die griffigen Bezeichnungen aus: Rinderwahn, Schweinepest, Geflügelpest, Vogel- und jetzt Schweinegrippe - man wiederholt sich bisweilen. Was kommt als nächstes und klingt dabei neu und unverbraucht? Katzenschnupfen? Meerschweinchenfieber? Pferdedünnschiss? Man darf gespannt sein.

Dienstag, 28. April 2009

Flugzeuge im Bauch

Zugegeben: Die Amerikaner haben's auch nicht leicht. Da steckt die Wirtschaft schon tief im Dreck, die Staatsverschuldung erreicht allmählich die Stratosphäre und hinter jedem Baum lauert der böse Muselman - und dann findet die US-Regierung es auch noch witzig, die "Air Force One" im Tiefflug durch Manhattan zu jagen. Ergebnis: Die Telefone der Polizei liefen heiß, hunderte Einwohner verkrochen sich schlotternd im Keller und - natürlich - die Aktienindizes "gaben nach", wie man so schön sagt. Vermutlich auch der eine oder andere New Yorker Schließmuskel.

Was genau sollte mit der Flugeinlage eigentlich bezweckt werden? Diese Frage stellt offenbar den einen oder anderen Journalisten ebenso vor ein Rätsel wie die Tücken der englischen Sprache. Natürlich diente der Flug nicht dazu, mit der "Air Force One" Fotoaufnahmen von Manhattan zu machen - Grundgütiger, es handelt sich um eine Boeing 747! Jedes, aber auch wirklich jedes andere Fluggerät wäre besser geeignet, um Luftbilder zu schießen. Nein, es sollten wohl eher Aufnahmen von der "Air Force One" gemacht werden, und zwar vor möglichst bedeutungsschwangerer Kulisse. Eine solche stellt die Skyline von New York seit 2001 mit Sicherheit dar.

Das Pentagon macht gerne solche Flugzeug-vor-Nationalsymbol-Aufnahmen, man kann sie vermutlich auch als Postkarten kaufen. Was für eine Art von militaristischer Wichsvorlage den obersten US-Kriegsherren dabei wohl vorschwebte, sieht man auf der Homepage des Pentagons. Und damit erklärt sich auch, warum über diesen Einsatz striktes Stillschweigen herrschen sollte: Hätte das Pentagon im Vorfeld die Bürger New Yorks darüber informiert, dass man die Präsidentenmaschine ein paar Ehrenrunden im Tiefflug über Manhattan fliegen lassen will, um davon Poster zu drucken, hätte man ja bloß wieder nur lauter Fragen provoziert. Fragen wie: "Für sowat habta Geld, wa?" Oder: "Wie jetzt - ihr spielt mit unseren Ängsten und sägt an unseren Nerven, um schöne bunte Fliegerfotos für eure Website zu machen? Seid ihr noch bei Trost?!?"

Also sagte man lieber nicht bescheid. Dass man sich diese Fragen aber im Nachklapp der Veranstaltung nun trotzdem anhören muss - soweit haben die Pentagon-Strategen offenbar nicht gedacht. Anders formuliert: Die Herren der größten Kriegsmaschinerie der Welt sind nicht fähig, von der Wand bis zur Tapete zu denken.

Sonntag, 26. April 2009

Schalten Sie auch nächstes Mal wieder ein, wenn Sie Dr. Bob sagen hören wollen: "Wie fühlt man sich dabei?"

Zu gerne hätte ich es gehabt, wenn die Dachzeile "Kerners Abschied vom ZDF" schon nach den ersten zwei Wörtern geendet hätte. Leider wechselt der Götze des Fremdschämens nur das Revier und kehrt gewissermaßen in seine Lehrstube zurück: Auf Sat1, dem Sender, der auf den meisten hiesigen Fernbedienungen die Zapp-Distanz zwischen dem Dritten und 3Sat unnötig in die Länge zieht, treibt er ab dem nächsten Jahr sein Talk-Unwesen. Dann also wenigstens nicht mehr auf meine Kosten, tröste ich mich - ich kann mir schon Florian Silbereisen und den Bergdoktor kaum mehr leisten.

Johannes Baptist Kerner verlegt seine, wie Georg Schramm es treffend formulierte, "emotionale Pissrinne" also an eine passendere Lokalität. Von mir aus kann er sich dort - ähnlich wie sein neuer alter Kollege, der die Republik mit Themen wie "Ich habe Mamas großen Busen geerbt" aufrüttelt - weiterhin als der selbsternannte Investigativjournalist aufspielen, der er immer schon sein möchte, jedoch nie war und nie sein wird und dessen diesbezügliche Versuche regelmäßig in Peinlichkeiten schlimmster Art münden.

Etwa elfjährige Augenzeugen von Amokläufen vor die Kamera zerren, minderjährige Vergewaltigungsopfer über ihren Seelenzustand ausquetschen, komplexbeladenen frauenhassenden Möchtegern-Gangstarappern ein völlig unverdientes Forum zu bieten und Pressemitteilungen über bevorstehende TV-Eklats zum strategisch günstigen Zeitpunkt herauszuhauen.

Das alles kann er nun weiterhin tun und wird er wohl auch weiterhin tun - davon abhalten kann man ihn ja eh nicht. Aber immerhin bezahle ich ihn nicht mehr dafür. Und das ist ja auch schon was.



P.S.: In folgendem Auftritt ist Kerner zwar nur das, was er in der Öffentlichkeit eigentlich auch sein sollte, nämlich ein Randaspekt - dennoch ist Schramm ja immer sehenswert:



Freitag, 24. April 2009

Verdammich no amoi!

Manchmal macht es doch noch Spaß, Nachrichten zu lesen. Der Preis für die mit Abstand schönste Titelzeile der Woche geht an Spiegel Online: "Arbeitgeber und Politiker verdammen Warnung vor sozialen Unruhen". Verdammen - das ist zu köstlich! Und macht Appetit auf mehr: "Polizei verflucht Maidemonstration" könnte ich mir vorstellen; oder "Kanzlerin verwünscht Rezession". Am allerschönsten wäre aber wohl "Vatikan verteufelt Papstkritik".

Bis dahin werden aber zunächst Michael "Hiob" Sommer und Gesine "Kassandra" Schwan fleißig verdammt, was die schwarzen Zauberkräfte hergeben. Dass Arbeitgeber diese Warnungen vor sozialen Unruhen verdammen, glaube ich dem Autor übrigens aufs Wort. Schließlich könnten die geknechteten Belegschaften und das Lumpenproletariat in diesem unseren Lande ja durch solche Meldungen überhaupt erst einmal auf die Idee kommen, dass es so etwas wie soziale Unruhen tatsächlich geben könnte. Vielleicht sogar hier bei uns! Und noch besser: Dass soziale Unruhen auch mal etwas verändern können! Das wiederum ist der Grund, warum Politiker derartige Warnungen verdammen.

Journalistisch gesehen jedenfalls der richtige Weg: Mehr Innovationsfreude beim Titeltexten braucht das Land! Zeitungen sind teuer, auch der Internetzugang kostet Geld - da möchte der Leser doch wenigstens ein wenig sprachlichen Einfallsreichtum geboten bekommen. Vielleicht hat der zuständige Redakteur aber auch bloß sein April-Gehalt schon ausgegeben, hangelt sich bis zum Monatsende so durch und wollte auf jeden Fall vermeiden, auch noch ins Phrasenschwein einzahlen zu müssen - was bei ausgelutschten Schlagzeilenverben wie "kritisieren" oder "verurteilen" nicht weniger als einen Zehner kosten dürfte.

Man weiß es nicht. Ich für meinen Teil freue mich auf weitere Überschrift-Schmuckstücke. Vorschlag: "Gesine Schwan verhext Kritiker".

Montag, 20. April 2009

Pardon wird nicht gegeben, Gefangene werden nicht gemacht

Schon wieder ist ein deutsches Schiff in der Hand somalischer Seeräuber, dieses Mal sogar mit deutschen Besatzungsmitgliedern und nicht bloß ausgemergelten philippinischen Billigmatrosen. Zwar sind die Geiseln trotzdem ins mediale Hintertreffen geraten, da sie wie alle anderen gegen den heldenhaften US-Kapitän - dessen Heldenhaftigkeit offenbar im Wesentlichen aus seiner Nationalität erwächst - den Kürzeren gezogen haben. Dennoch ist das Maß nun offenbar voll: Ab demnächst wird zurückgeschossen! Die Bundesregierung mag nicht mehr als hasenfüßig gelten. Dies verkündete Hans-Peter Uhl (CSU), dessen Wutschlagader sich sonst eher dann kurz vorm Platzen befindet, wenn er am Abkassieren gehindert wird.

Wie sehr sich der Möchtegern-Nelson in die Brust geworfen hat, liest sich am besten im O-Ton auf Spon: "'Bei Piratenangriffen kann es nur eine richtige Antwort geben: Die Schiffe der Seeräuber müssen auf hoher See unverzüglich versenkt werden', sagte Uhl. Die Marine müsse endlich ihre Bordwaffen einsetzen, mit weiterer Zaghaftigkeit 'macht sich der deutsche Staat nur lächerlich'". Die Idee eines internationalen Gerichtshofs bezeichnet Uhl hingegen als "Nebelkerzen". Es bräuchte Jahre, ehe ein solches Gericht eingerichtet wäre. "Um der Piraterie Einhalt zu gebieten, sind aber rasche Lösungen gefragt." Erst schießen, dann fragen; und Kredit gibt's nur für Gehängte. Er hätte es auch kürzer fassen können: "Angriff - Ran - Versenken!" Dieser Spruch stammt von Karl Dönitz und klingt irgendwie genauso wie die Uhl'sche Gewaltfantasie.


Ich sage: Jawoll! Richtig so! Zeigen wir der Räuberbande, wo der Hammer aus Kruppstahl hängt! Schon der olle Willem Zwo wusste auf diese Art ordentlich Tacheles zu reden. Auf dass nie wieder ein Somali wage, einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!

Das Problem ist jedoch, dass der Umstand, dass es sich beim Feind um bitterarme und verzweifelte Outlaws handelt, dem zu erlangenen Ruhm abträglich sein könnte. Und außerdem bleibt die Frage: Woran erkennt man Piraten überhaupt? Das Holzbein-und-Papagei-Prinzip missachten die Somalis ja weiterhin hartnäckig. Zugegeben: Wenn ein Motorboot mit lauter mit Kalaschnikows und Panzerfäusten winkenden Männern an Bord auf einen Frachter zurast, kann man davon ausgehen, dass es sich nicht um einen Angelausflug handelt. Diese schnellen Boote sind aber in den paar Minuten, die sie bis zum Zielschiff brauchen, kaum abzufangen; zudem haben sich die Leute bis zum eigentlichen Entervorgang auch noch gar nicht strafbar gemacht - da machen sich TV-Bilder, auf denen eine 500-Millionen-Euro-Fregatte mit Geschützen und schweren MGs diese Nussschalen nebst Insassen quasi präventiv in Stücke zersiebt, vielleicht nicht so gut.

Findige Köpfe haben aber schon eine Lösung parat: An ihren Mutterschiffen sollt ihr sie erkennen! Mutterschiffe müssen versenkt werden, dann gibt's auch keine Probleme mehr mit den kleinen Angriffsbooten. Ein Piratenmutterschiff darf man sich dann wohl so vorstellen wie den Kampfstern Galactica, der statt Raumjägern Plastikboote aussetzt; nur viel kleiner. Oder wie?

Wohl eher nicht. Als "Mutterschiffe" dürften die in dem Gebiet üblichen Dhaus fungieren, und davon karriolen vor den ostafrikanischen und arabischen Küsten hunderte herum. Außerdem Fischerboote, Küstenfrachter und ähnliche Fahrzeuge, von denen jedes einzelne in der Lage ist, ein Motorboot auszusetzen. Also landet man letztlich wieder beim Identifikationsproblem. Gehe zurück auf Start, ziehe keine 3000 Mark ein.

Und vor allem: Schieße nicht auf Fischdampfer. Genau das wird aber wieder passieren, wenn sich das nebulöse Gequake über Mutterschiffe mit dem Schlachtengesang profilneurotischer Unionspolitiker paart. Feuer frei!

Mittwoch, 15. April 2009

Wolle mer ihn rauslasse?

Kommt er oder kommt er nicht? Ein normales Gänseblümchen reicht bald nicht mehr zum Abzählen der Frage, ob der mutmaßliche NS-Verbrecher John Demjanjuk nun nach Deutschland ausgeliefert wird oder nicht. Gestern war der Mann schon von US-Beamten aus seinem Haus abgeführt worden, da hat ein Einspruch der Familie die Auslieferung erneut in letzter Minute gestoppt. Es ist schon fast die Pointe in der langen unsäglichen Geschichte der Verfolgung von NS-Tätern, dass der wahrscheinlich letzte große Fall zu einem peinlichen Hickhack ausartet.

Längst sind im Fall Demjanjuk ärztliche Gutachten von der Macht der Bilder verdrängt worden. Insbesondere die Familie des 89-Jährigen übt sich eifrig als Amateurfilmer und nahm schon vor einer Woche ein vor Theatralik nur so triefendes Video auf, in dem Demjanjuk, vor Schmerzen stöhnend, von einem angeblichen Arzt, der merkwürdigerweise des Englischen nicht so recht mächtig zu sein scheint, zu Bett gebracht wird und darüber jammert, dass alle ihn umbringen wollen. So was macht Eindruck: Dieser arme, alte und gebrechliche Opi soll noch einen Transatlantikflug hinter sich bringen müssen und dann auch noch vor Gericht gestellt werden?

Ja, soll er. Es gibt mehr als einen begründeten Verdacht, dass Demjanjuk in Sobibor an der Ermordung von zigtausend Juden beteiligt war; und es ist erbärmlich genug, dass der Mann so lange unbehelligt geblieben ist. Wenn die Beweise nicht ausreichen sollten, wird er sicherlich auch freigesprochen - wie schon einmal. So viel Vertrauen in unser Rechtssystem sollte schon angebracht sein, zumal die bundesdeutsche Justiz noch nie in dem Ruf stand, NS-Verbrecher allzu hart zu bestrafen.

Ich weiß nicht, ob Demjanjuk wirklich so krank oder gebrechlich ist. Wenn dies der Fall sein sollte, hat er ohnehin gute Chancen, als prozessunfähig zu gelten. Ich habe aber den leisen Verdacht, dass von Seiten seiner Familie ein wenig zu sehr auf die visuelle Mitleidstube gedrückt wird und die Videos zumindest zum Teil inszeniert sind. Das alles ist aber auch zweitrangig: Allein der Versuch, ihn vor Gericht zu bringen, muss unternommen werden. Viel zu viele NS-Verbrecher haben viel zu lange ein ruhiges Rentnerdasein führen können, und das ist fürwahr kein Ruhmesblatt der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichte, die in diesem Jubiläumsjahr so groß abgefeiert wird. Und viele sind ihrer Strafe entgangen durch das, was sie selbst vermutlich vor 1945 als "biologische Endlösung" beschrieben hätten.

Um so wichtiger, die letzten Gelegenheiten zu nutzen, Gerechtigkeit walten zu lassen. Alter schützt vor Strafe nicht.


Edit, 24. April: Quod erat demonstrandum.

Sonntag, 12. April 2009

Alles Atheisten außer Mutti

Die Buskampagne zeigt offenbar Wirkung: Die katholische Kirche bekommt langsam Angst vor den Atheisten. In seiner Osterbotschaft wetterte der Augsburger Bischof Walter Mixa zur Abwechslung mal nicht gegen Juden oder Muslime, sondern gegen die Gottlosen. Atheismus führe zu Massenmord, erdreistet sich der Mann zu behaupten und steigert sich zu einem absurden Vergleich zwischen Atheismus und Nationalsozialismus sowie Kommunismus. Aber auch die kapitalistische Ausbeutung sei Ausdruck der Gottlosigkeit. Im Prinzip wird wohl alles, was auf diesem Planeten schief läuft, von Atheisten verbockt.

Dabei vergisst er natürlich nicht zu betonen, dass "in diesen Systemen die Christen und die Kirche immer besonders verfolgt worden seien" (zitiert nach Spon). Mein Gott, Walter: Nicht nur hast du damit Juden, Homosexuellen, Sinti, Roma und Behinderten erneut eine richtige Watschn verpasst - nein, du hast auch mal eben locker-flockig das achte Gebot gebrochen. Denn zumindest in Punkto Nationalsozialismus ist die von Mixa angenommene Opferrolle der Kirche eine dreiste Lüge. Als Bischof ein Gebot brechen! An Ostern! Wenn das nicht ein paar Jährchen Fegefeuer einbringt, dann weiß ich's auch nicht.

"Eine Gesellschaft ohne Gott ist die Hölle auf Erden." Das ist natürlich vollkommener Quark: Ohne Gott gibt es schließlich auch keine Hölle. So what? Eine Gesellschaft ohne Gott würde in erster Linie keine alten, sexuell verklemmten und den lieben langen Tag vor sich hin delirierenden Männer mit Vorliebe für tuntige Kleidung dafür bezahlen, dass sie von einem gasförmigen Wesen halluzinieren, dass alle Ungläubigen bestrafen werde. In einer Gesellschaft ohne Gott würden sie für sowas vermutlich in psychologische Behandlung kommen.

Vielleicht fürchtet Mixa aber auch nur Konkurrenz. Denn für Massenmord ist schließlich immer noch seine Firma zuständig.

Samstag, 11. April 2009

Listenwahl ist eine Zier - doch weiter kommt man ohne ihr

Dass ich mal mit dem CSU-Schergen Peter Gauweiler vorübergehend auf einen Nenner komme, hätte ich mir in meinen schlimmsten Alpträumen nicht vorstellen können. Dass Politiker mitunter "vor Feigheit stinken", sagt der bajuwarische Bundestagsabgeordnete und beklagt, dass eigenständig redende Abgeordnete "nicht mehr erwünscht" seien und dass dies die Demokratie gefährde. Jawoll, dachte ich, hat er recht. Eigenständig denkende Abgeordnete sollen Gerüchten zufolge sogar noch unerwünschter sein. Aber wie gesagt: Dass ich mit Gauweiler einer Meinung sein würde, hätte ich nie gedacht - und wie sich herausstellte, bin ich es auch gar nicht.

Denn schließlich entstammt er einer Partei, die auch nicht gerade als Gralshüter basisdemokratischer Werte und Vorbild für den Umgang mit andersdenkenden Parteimitgliedern bekannt ist. Vor lauter Kopfnicken hätte ich fast überlesen, welche Schlussfolgerung der CSU-Politiker daraus zieht. Als Quintessenz seiner Überlegungen stellt Gauweiler anheim, das Listensystem für die Bundestagswahlen abzuschaffen, auf dass alle Abgeordneten künftig nur noch direkt gewählt werden würden. Raffiniert - wir schaffen die lästigen Zweitstimmen ab und besetzen die Parlamente nur noch mit Direktmandatsträgern. Dann würde dieses Parteienwirrwarr endlich aufhören und wir hätten es nur noch mit Union und SPD zu tun, nicht wahr, Peter?

Denn Direktmandate gehen in den allermeisten Fällen an einen Vertreter der beiden sogenannten Volksparteien. Bei der Wahl 2005 hätte das bedeutet: 150 Sitze für die Union, 144 für die SPD, drei für die Linke und einer für die Grünen. Die FDP wäre nicht vertreten. Gut, letzteres wäre eher ein sehr starkes Argument für Gauweilers Vorschlag. Aber dennoch: Der Bundestag als elitärer Club in einem De-facto-Zweiparteiensystem, in dem die Union bis in alle Ewigkeit die absolute Mehrheit hätte? Denn darauf würde es letztlich hinauslaufen.

Abschaffung der Zweitstimmen - das hätte Gauweiler wohl auch zuhause gerne. Denn wenn man seinen Vorschlag auf Bayern anwendet, hätte die CSU trotz miserablem Ergebnis in der Wahl von 2008 nicht weniger als 90 Sitze im Landtag - die SPD genau einen.

Es ist immer wieder nett zu sehen, wie schnell Politiker, wenn ihnen Abstimmungsergebnisse nicht passen, bereit sind, selbige nach gusto zu ändern und dabei auch noch über demokratische Grundprinzipien daherzuplappern - als würden ihnen diese etwas bedeuten.

Freitag, 10. April 2009

Germany's Next Topcallgirl

Ich hab's zwar nicht gesehen (da ich gerade damit beschäftigt war, "Also sprach Zarathrustra" auswendig zu lernen), aber dafür aus gut unterrichteter Quelle erfahren, dass die verbliebenen Kandidatinnen in Heidi Klums Selbstbauchpinselshow "Germany's Next Topmodel" nun einen "Tabledance-Contest" absolvieren mussten. Nun, das dünkt mich ja logisch zu sein. Schließlich ist allgemein bekannt, dass jedes berühmte Topmodel zeitweise als Sexobjekt in schmutzigen Nachtclubs auf Tischen tanzen und sich von fetten, pickeligen Primaten Geldscheine in den Slip stecken lassen musste, also vermutlich auch Naomi Campbell, Claudia Schiffer und Heidi selbst. Glauben Sie nicht? Dann sollte man sie vielleicht mal fragen, was das sonst sollte.

Tja, Mädels - wie das unfassbar schmierlappige Jurymitglied Rolf Scheider gerne sagt, von dem bis zum Staffelbeginn kein Mensch wusste, womit er eigentlich seine Brötchen verdient; denn mit verschwitzten Annäherungsversuchen und dem unbezähmbaren Drang, Mädchen, die altersmäßig die eigene Tochter sein könnten, die Wange abschleckern zu wollen, ohne dafür eine geklebt zu bekommen wie sonst in der Knaipe, hat meines Wissens noch niemand Geld verdient; aber ich schweife ab - also, Mädels: That's Showbiz. Wusstet ihr etwa nicht, dass der Weg zum Ruhm mit Dornen gepflastert ist?

Spätestens jetzt seid ihr in der hässlichen Realität angekommen. Auch wenn es unglaublich klingt: Es geht Pro7 nicht darum, aus euch erfolgreiche Topmodels zu machen, die in ein paar Jährchen mehrstellige Millionenbeträge auf dem Konto haben. Es geht darum, mit euch mehrstellige Millionenbeträge zu verdienen. Ihr seid nicht einmal Sklaven der Unterhaltungsindustrie, ihr seid ihre Ware, die sie verkauft. Wenn Pro7 dereinst der Meinung ist, noch mehr Geld mit euch verdienen zu können, wenn Heidi in der Show einen Wet-Shirt-Contest einbaut, dann macht ihr auch das. Und wenn irgendwann einmal die Quoten einbrechen, weil alles schon mal dagewesen ist und die Leute des ewigen Seelenstripteases überdrüssig sind, dann werdet ihr vermutlich einen echten Striptease hinlegen müssen. Denn es wird in eurem Vertrag stehen, den ihr leider nicht richtig gelesen habt.

Andererseits: Da es von euch vermutlich niemand zu einem wirklichen Topmodel bringen wird - ebensowenig wie eine Castingshow jemals einen wirklichen Superstar hervorbringen wird - ist es ja auch nicht schlecht, für den künftigen beruflichen Lebensweg schon mal praktische Erfahrung zu sammeln. Und sei's im Tabledance. Vielleicht kommt man damit sogar noch mal ins Fernsehen, etwa zu Ulrich Meyer.

Denn: The Show must go on.

Donnerstag, 9. April 2009

Neulich beim Tierarzt...

... wurde ich Zeuge, wie eine Frau zum Doktor sagte: "Mein Bello hat heute morgen grünen Schleim gespuckt. Muss ich mir Sorgen machen?"

Ich würde sagen: Das kommt darauf an, ob man diesen Film gesehen hat. Und gläubig ist.

Mittwoch, 8. April 2009

La dolce vita in der Zeltstadt

Was macht man, wenn man sich in der Gegenwart eines Menschen befindet, der andauernd dumme, unpassende und vor allem unlustige Witzchen macht? Ist man zu Besuch bei so jemandem, lügt man sich baldmöglichst ein Alibi zurecht, um verschwinden zu können. Muss man sich mit so jemandem das Büro teilen, denkt man ernsthaft über eine Versetzung nach. Hat man es in einer Kneipe mit so jemandem zu tun, setzt man sich woanders hin oder geigt dem Unflat ordentlich die Meinung. Aber was, wenn es sich um den eigenen Regierungschef handelt?

Die Rede ist selbstverständlich von Silvio Berlusconi. Dass er über geradezu kriminelle Energie und eine gewisse Skrupellosigkeit verfügt, ist bekannt; dass er nebenbei auch noch vollkommen einen an der Waffel hat, wissen wir spätestens seit seinem Spasseken über die "Sonnenbräune" eines gewissen US-Präsidenten. Wat häbb wi lacht. Jetzt hat er gesagt, die Menschen, die nach dem Erdbeben in den Abruzzen in Zeltlagern leben müssen, sollten das Ganze wie einen Campingausflug betrachten. Ich schmeiß' mich weg - Campingausflug! Hihihoho! So richtig mit allem Drum und Dran: Tütensuppen vom Gaskocher, romantischem Regengetrommel auf dem Zeltdach und Steinchen unter der Isomatte. Da lacht der Obdachlose, der Hinterbliebene kriegt sich nicht mehr ein und der Schwerverletzte klopft sich auf die bandagierten Schenkel.

Vielleicht können die Menschen, die in Süditalien unter der Knute der Mafia leben, das Ganze ja als Kinofilm betrachten, in dem sie Statist sein dürfen! Gacker! Wer im Zuge der Wirtschaftskrise seinen Arbeitsplatz verliert, kann dies doch - aufgepasst - wie unerwarteten Sonderurlaub betrachten,
gnihihi. Und wenn wir schon dabei sind: Die italienischen Soldaten in Afghanistan können das Ganze doch betrachten wie einen Abenteuerspielplatz! Hehehe. Alles halb so tragisch, wenn man nur mit einer gesunden Portion Humor an die Sache herangeht.

Aber zurück zur Eingangsfrage: Was macht man mit so jemandem, wenn man ihm nicht einfach eine kleben kann? Man wählt ihn unter Hinweis auf seine absolute Nicht-Eignung als Repräsentant für irgendetwas schnellstmöglich ab? Hahaha - DAS ist mal ein guter Witz! Das funktioniert vielleicht in anderen Ländern, aber nicht in Italien. Denn Berlusconi ist unabwählbar - zum einen kommt er sowieso immer nach ein paar Jahren zurück, zum anderen arbeitet er vermutlich schon an einem Gesetz, dass Ministerpräsidenten, die zum dritten Mal gewählt wurden und schon mehrfach vor Gericht standen, künftig automatisch auf Lebenszeit im Amt bleiben. Nun ja: Die Italiener wollten ihn ja unbedingt wiederhaben - und das ist vielleicht der größte Witz an der Sache. Aber nicht der Beste.

Dienstag, 7. April 2009

Terror Inc.

Die Taliban können sich ja nicht um alles selbst kümmern. Sie haben bereits alle Hände voll damit zu tun, die Ungläubigen in Afghanistan zu bekämpfen; da übersteigt es ihre Kapazitäten, den Terror auch noch in die Heimatländer der westlichen Truppen zu tragen. Daher haben die Gotteskrieger eine innovative Lösung entwickelt: Blutbäder werden künftig kostensparend outgesourct. Wenn in den USA ein Amoklauf stattfindet, was derzeit ja nicht gar so selten der Fall ist, bekennen sich die Taliban einfach zur Tat. Damit ist jedem gedient: Die Amis können weiter Angst haben und die Taliban sich damit dicke tun, weltweit zuzuschlagen. Eine klassische Win-Win-Situation - dumm nur, dass es überhaupt nicht hinhaut.

Denn irgendwie glaubt niemand, dass der Mann, der in Binghamton/New York 13 Menschen und sich selbst in einem Einwandererzentrum getötet hat, im Auftrag der Taliban handelte. Besonders viele Vietnamesen werden die nicht in ihren Reihen haben. Und die Opfer - offenbar größtenteils ebenfalls Vietnamesen - dürften in der Rangliste der Todfeinde Allahs auch nicht so ganz weit oben stehen. Da schmückt sich wohl jemand mit fremden Fehlern. Der Einsatz einheimischer Terroristen im Westen ist im übrigen sowieso Alleinstellungsmerkmal des Marktführers in der Terrorbranche, Al-Qaida.

Da können die Taliban als derzeitiger Local Player nicht gegen anstinken - es sei denn, sie stellen ihre durchaus sinnvolle neue Strategie des outgesourcten Terrors mal auf eine professionelle Grundlage. Ich stelle mir das wie eine weltweite Personaldienstleistungsgesellschaft vor: Die Taliban engagieren überall gefrustete oder psychisch kranke Leute, die eine Waffe haben, und nennen ihnen bei Bedarf kurzfristig ihren nächsten Einsatzort. Die Zahl der Opfer wird natürlich den Taliban-Geschäftsführern gutgeschrieben, die damit ihre Chancen auf den 72-Jungfrauen-Himmel erhöhen. Als Gegenleistung bekommen die Amokläufer durch die Verquickung mit dem Terrorismus ein noch größeres Medienecho.

Allerdings haben die Taliban bis dahin noch einen weiten Weg vor sich. Auch lässt ihr Corporate Branding noch arg zu wünschen übrig: Verfilzte Bärte reichen nicht, um qualifizierten Nachwuchs aus anderen Ländern zu gewinnen. Zumal momentan ohnehin nicht die beste Zeit für Unternehmensexpansion ist, auch nicht in einer Wachstumsbranche wie Gewalttätigkeit. Und die Amerikaner als Hauptkunden scheinen gar keine große Lust mehr darauf zu haben, in Angst und Schrecken vor den bösen Muselmanen zu leben. Es reicht ihnen sicherlich vollkommen, in Angst und Schrecken davor leben zu müssen, Job, Auto und Haus zu verlieren. Da gilt es, neue Märkte zu erschließen: Hätten die Taliban schneller geschaltet, hätten sie den Amoklauf von Winnenden als ihr Werk bewerben können. Hier liegt ein klares Versagen der Marketing-Abteilung vor.

Anders würde der Fall Binghamton natürlich liegen, wenn die Bush-Kamarilla noch am Ruder wäre: Die hätten das Taliban-Bekenntnis dankbar angenommen und in ihren großen Propaganda-Fleischwolf verwurstet. Daraus hätte man ein treffliches Joint Venture machen können - obwohl: Wenn Bush und die Taliban zusammenarbeiteten, wäre das doch sicher ein Fall fürs Kartellamt.

Montag, 6. April 2009

Nicht ohne meine Adoptivtochter!

Madonnas Familienplanung hat einen schweren Dämpfer bekommen. Die kleine Chifundo Mercy, ihres Zeichens Kleinkind aus einem bettelarmen Drittweltland und von daher per se eigentlich rechtlos, bleibt in Malawi. Vorerst. Ein Gericht hat entschieden, man könne nicht einfach in das Land einreisen, sich ein Kind schnappen und wieder in seinem Palast in England verschwinden. "Natürlich kann man, hat doch schon mal geklappt", denkt sich die Diva und überlegt, juristisch dagegen vorzugehen. Andere Menschen erklagen sich Abfindungen oder Schmerzensgelder - Madonna erklagt sich ein Adoptivkind.

Handtaschenhündchen sind im Showbiz offenbar out, Kinder sind in: Wer etwas auf sich hält, hält sich so etwas. Und statt sich mit einem durch leibliche Fortpflanzungsaktivitäten zwangsläufig dick werdenden Bauch herumzuplagen und schlimmstenfalls die eine oder andere lukrative Filmrolle ausschlagen zu müssen, kann man sich einfach eines aus einem Drittweltland holen. Das gibt auch publicitymäßig einen schönen Gutmenschbonus, der sich bei den nächsten Honorarverhandlungen/Plattenverkäufen/etc. bezahlt macht. Vermutlich gibt es schon bald erste einschlägige Kataloge. Wie nennt man so ein Verhalten eigentlich in Zusammenhang mit Kindern - "Children Hoarding"?

Es ist allerdings kein Wunder, dass Madonna nicht versteht, warum es mit dem dreijährigen Mädchen nun nicht klappt. Vor drei Jahren hat sie doch auch ihre Extrawurst bekommen, sprich: den seinerzeit dreizehnmonatigen David. Damals hat niemand von ihr verlangt, die erforderlichen 18 Monate in Malawi zu leben. Gut, da war es vielleicht auch einfacher: David hatte noch einen Vater, dem man bei der Entscheidung zur Adoptionsfreigabe sicher geholfen hat. Mit Geldscheinen kann man auch Trennungstränen trocknen. Aber offenbar nicht bei der Oma der kleinen Mercy. Vielleicht sollte sie bei Mrs. Jolie nachfragen, die hat mehr Erfahrung - und das gleich in mehreren Ländern, die sich offenbar nicht so anstellen wie Malawi.

Um auf Madonna nicht nur rumzuhacken: Sie macht auch sinnvolle Dinge in dem südostafrikanischen Land. Unterstützt Waisenhäuser und Schulen und so. Vielleicht sollte sie's einfach dabei belassen.

Sonntag, 5. April 2009

Wir unterbrechen den laufenden Blog* für folgende Mitteilung

Noch viereinhalb Wochen bis zum Start von Star Trek XI. Zum überbrücken dieser trostlosen Zeitspanne gibt's erstmal das hier:



Gefunden beim Ungenannten.

*Bei dieser Gelegenheit: Es ist mir absolut und vollkommen so was von scheißegal, ob jemand "der Blog" oder "das Blog" sagt. Beides ist richtig und gut. Es gibt geschätzte fünf Trilliarden andere Dinge, über die sich aufzuregen lohnenswerter ist. Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Samstag, 4. April 2009

Sexueller Dienst nach Vorschrift

Wenn demnächst deutsche Politiker vor der Aufgabe stehen, dem Volk eine weitere Aufstockung der Truppen in Afghanistan schmackhaft zu machen, werden sie sicher wieder auf dieselben Errungenschaften verweisen wie immer: Mit deutscher Hilfe werden Brunnen gebohrt, Schulen gebaut und Polizisten ausgebildet. Jetzt können sie der Liste einen weiteren Punkt hinzufügen: Frauen vergewaltigt.

Denn Hamid Karzai, seines Zeichens Präsidentenmarionette von des Westens Gnaden, hat ein Gesetz unterzeichnet, das schiitischen Frauen genau vorschreibt, wie oft sie ihrem Mann zu willen sein müssen - nämlich jederzeit. Vergewaltigung in der Ehe? Nicht am Hindukush! Die afghanische Frau ist von Gesetzes wegen allzeit bereit - denn sonst kommt sie in den Knast oder darf verprügelt werden. Nebenbei dürfen Frauen ohne Erlaubnis des Mannes keiner Beschäftigung nachgehen und nicht einmal das Haus verlassen. Applaus bekommt Karzai, das verwundert kaum, von den Taliban - also jener Gruppierung, die man ursprünglich eigentlich verjagen wollte.

Ein schönes "nation building" wird dort betrieben. Religionskritiker sitzen in der Todeszelle, das Recht auf Bildung ist für Mädchen ohnehin nur ein theoretisches - und was es letztlich gebracht hat, die Gleichberechtigung der Frau in die Verfassung zu schreiben, sieht man ja. Und die von deutschen Beamten ausgebildeten Polizisten wachen dann darüber, dass schiitische Frauen sich gesetzeskonform verhalten und bringen sie notfalls gewaltsam zu ihren Ehemännern zurück. Willkommen im Mittelalter.

Natürlich kann Deutschland den Afghanen kaum vorschreiben, wie sie ihre Gesellschaft zu organisieren haben. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es hierzulande noch vor 50 Jahren auch nicht so viel besser für die Frauenrechte aussah, nur Burkas gab es nicht. Gleichwohl: Habe nur ich das Gefühl, das hier etwas furchtbar schief läuft? Verteidigen wir mit Waffengewalt eine Regierung, die die Unterdrückung der einen Bevölkerungshälfte durch die andere aktiv betreibt und reden uns dies mit dem Deckmäntelchen des humanitären Einsatzes selbst schön? Brunnen bohren als l'art pour l'art?

Ich will nicht, dass ein solch niederträchtiges System mit meiner Unterstützung am Leben erhalten wird. Andererseits will ich natürlich auch nicht, dass die Taliban wieder das Ruder in Afghanistan übernehmen - obwohl sich schon die Frage stellt, ob dies nicht längst wieder der Fall ist, wenn die gewählte Regierung sich genau so verhält wie die Gotteskrieger. Man fragt sich mitunter, wofür eigentlich jeden Tag Menschen in diesem Land sterben.


Edit, 5. April: Na also, geht doch. Aber aufgeschoben ist bekanntlich nicht aufgehoben.

Freitag, 3. April 2009

Wer hat Angst vorm bösen Wurm?

Schlotternd kauerte die Weltbevölkerung - zumindest jener Teil, der über einen Computer verfügt - am Mittwoch vor den Bildschirmen, nervös an Fingernägeln knabbernd. Wird dies der Tag? Der Tag, an dem der große böse (hier die Geigen aus "Psycho" einspielen) Conficker zuschlägt? Die Mutter aller Schädlinge, der Haupt-Wurm des Todes, Bringer des Armageddon für das digitale Zeitalter und Verschlinger der Welten? -- Nein, war es nicht. Es war der 1. April - das hätte die Untergangspropheten aus der IT-Branche auch schon vorher stutzig machen können.

Irgendwie erinnert die allgemeine Conficker-Hysterie an die Y2K-Panik vor neun Jahren. Seit Monaten wird man ständig mit Pressemeldungen zugeschmissen, die vor dem finstersten aller Computerwürmer warnt. Das geht ungefähr so:
  • 10 Millionen Rechner seien schon von Conficker besessen befallen, sagt IT-Experte Xyz. Experte ist er deshalb, weil er Chef einer Softwareschmiede ist, die Antivirenprogramme entwickelt. Man wisse noch nicht, welche Schäden Conficker verursacht, aber er verbreite sich rasant. Glücklicherweise, so Experte Xyz, habe seine Firma eine neue Software entwickelt, mit der sich dieser Fiesling von einem Wurm entfernen lasse. Besuchen Sie dazu unsere Website unter usw.
  • Es sei noch viel, viel schlimmer, meldet sich kurz darauf Experte Zxy zu Wort. Nun seien schon 50 Millionen Rechner infiziert! Zwar habe Conficker, die Ausgeburt der Hölle, bislang noch keinerlei Schäden verursacht, das sei aber nur eine perfide Methode, die Menschheit in Sicherheit zu wiegen. A propos Sicherheit: Die Firma von Experte Zxy, zxysoft, hat zufällig ein Tool entwickelt, das den Schreckenswurm zur Strecke bringt - downloadbar unter usw.
  • Dann schlagen gleich mehrere Experten Alarm: Nicht nur seien bereits 3000 Milliarden Rechner im ganzen Universum infiziert, sondern man habe im Conficker-Code Anhaltspunkte entdeckt, dass er am 1. April die Welt vernichten wird. Es sei denn, man greife auf die Antivirensoftware von Yxz zurück, die man unter der Adresse usw.
Ich für meinen Teil habe angemessen reagiert: Ich habe dreißig verschiedene Antivirenprogramme gekauft und zuletzt aus lauter Furcht meine Festplatte nicht nur neu formatiert, sondern auch noch sicherheitshalber in die Kochwäsche gegeben. Bei der Vielzahl an immer neuen Warnungen konnte mich das aber nicht beruhigen! Conficker lag immer noch auf der Lauer; bereit, meinen Rechner zu infiltrieren und gegen mich zu verwenden. Also blieb nur eines: Mich am 31. März mit Lebensmittelkonserven für zwei Jahre, einer Kiste Glühbirnen sowie einem Handtuch in meinem Keller zu verbarrikadieren und das Ende der Welt zu erwarten. Kam aber bekanntlich nicht. Na ja, ich bin gut dabei weggekommen: Die Konserven halten sich ja und Glühbirnen kann man immer gebrauchen.

Aber was kommt jetzt? Der Conficker-Hype ist kaum mehr steigerbar. Die Gewinne der Antivirenbranche vermutlich auch nicht. Aber man muss ja in die Zukunft blicken. Wird jetzt der nächste Schädling mit grenzwertigem Namen aus dem Hut gezaubert, um Angst und Schrecken zu verbreiten? Ich freue mich schon darauf und bin gewappnet. Ich weiß, wo mein Handtuch hängt.

Mittwoch, 1. April 2009

Schaffe, schraube, Yächtle baue

Der schwäbische Schrauben-Milliardär Reinhold Würth, übrigens ein überführter Steuerhinterzieher, hat vor wenigen Tagen seine neue Luxusyacht, die schlappe 100 Millionen Euro gekostet hat, in Empfang genommen. Zugleich hat er für einen Teil seiner Angestellten Kurzarbeit angemeldet und dem Rest der Belegschaft die Löhne gekürzt. Frage: Was ist das Außergewöhnliche an dieser Nachricht? Antwort: Nichts.

Erzähl' mir was neues

Denn diese Geschichte ist nur eine weitere in einer endlosen Reihe von Geschichten, die von arrogantem, niederträchtigem und asozialem Geschäftsgebaren künden - und daher ist auch nichts Besonderes mehr daran. Ob nun Pleitebank-Manager ihre Millionenboni einfordern, ein Zumwinkel seine 20-Millionen-Rente einsackt und in seine Raubritterburg verschwindet oder die milliardenschwere Familie Schaeffler nach Staatshilfe schreit - das Maß ist diesen Leuten schon lange abhanden gekommen; von ethischen und moralischen Grundsätzen mal ganz abgesehen. Mit diesen Geschichten verhält es sich ähnlich wie mit den irrsinnigen Milliardenbeträgen, über die die Politik diskutiert: Man hört jeden Tag eine neue, noch dollere Zahl, verliert den Überblick und stumpft ab. Die Hypo Real Estate braucht nochmal zehn Milliarden Euro? Das ist doch gar nicht so viel, oder?

Man ist noch gar nicht fertig damit, wütend auf die Selbstbedienungsorgie in Bank X zu sein, da erfährt man von der Dekadenz von Kapitalist Y. Irgendwann muss einem da doch der Kopf platzen.

Märchenhafte Vermögen und das Märchen vom Risiko

Zweifellos ist rechtlich alles in trockenen Tüchern. Banker haben gültige Verträge, nach denen sie Anspruch auf Bonuszahlungen haben - auch wenn ich als naiver Wirtschaftslaie nicht recht verstehe, warum bei Minusbilanzen überhaupt ein Bonus fällig wird. Und ein Unternehmer kann mit dem Gewinn seines Unternehmen natürlich umgehen, wie er will. Alles rechtlich einwandfrei - aber warum eigentlich?

Unternehmer wie Würth und Schaeffler erwirtschaften märchenhafte Vermögen, solange das Geschäft gut läuft. Wäre es da zuviel verlangt, von ihnen zu erwarten, dass sie - wenn's mal nicht so gut läuft - etwas von diesem Vermögen wieder in ihre Firma stecken? Oder ist das "unternehmerische Risiko", mit dem die sich immer weiter öffnende Einkommensschere gebetsmühlenartig gerechtfertigt wird, eine Einbahnstraße? Denn wo ist dieses Risiko, wenn ich als Unternehmer nicht für Verluste geradestehen muss?

Banker bekommen saftige Extrazahlungen, wenn sie das Vermögen ihrer Bank mehren. Warum bekommen sie die auch dann noch, wenn sie ihre Bank an die Wand fahren? Es geht ja gar nicht darum, dass sie ihr in besseren Zeiten angehäuftes Vermögen abgeben sollen - aber warum sollen sie Millionen dafür erhalten, Milliarden unwiederbringlich verzockt zu haben? Wenn der Geldbote einer Firma mit seinem Koffer voll Bargeld statt zur Bank zum Spielcasino fährt und alles am Roulettetisch verspielt, bekommt er dann auch eine Gehaltserhöhung?

Recht oder gerecht?

Recht hat in diesem Fall wenig mit Gerechtigkeit zu tun. Jeder Kioskbesitzer muss seinen Notgroschen anbrechen, wenn das Geschäft mal nicht mehr so gut läuft, die Miete aber trotzdem gezahlt werden muss. Jeder Hartz-IV-Antragsteller muss erstmal das Geld verleben, das er auf der hohen Kante hat, bevor er irgendeine Unterstützung vom Staat erwarten kann. Wer Schulden hat und pleite geht, muss sich in der Regel einer Zwangsvollstreckung unterwerfen - und damit auch ja kein Euro übersehen wird, muss er einen Offenbarungseid schwören. Da ist es doch vollkommen und absolut unbegreiflich, dass jemand, der mehrere Milliarden besitzt, nicht verpflichtet ist, mit seinem durch das Unternehmen erwirtschafteten Vermögen eben dieses Unternehmen zu stützen. Es ist nicht erklärbar, dass nicht schon längst ein entsprechender Gesetzentwurf vorliegt.

Wenn etwa Schrauben-Würth seine Yacht zu einer Zeit bestellt hat, als der Rubel noch rollte, mag dies von mir aus so sein. Aber jetzt, wo die Auftragslage einbricht, sollen ausschließlich seine Arbeitnehmer die Zeche zahlen und er sein neues Spielzeug behalten dürfen?

Trägt also der Arbeiter an der Werkbank neuerdings das unternehmerische Risiko? Kurz gesagt: Gewinne wandern in die Taschen der Chefs, Verluste werden aus den Taschen der Beschäftigten bezahlt? Ist das unsere Vorstellung einer vernünftigen Wirtschaftsordnung?

Offenbar, wenn ich mir neuere Umfragewerte der FDP anschaue. Na dann, greift schon mal in die Taschen.