Montag, 27. Juli 2009

Neue Umfrage: Don't mention the war

Verteidigungsminister Franz-Josef Jung mag das Gekämpfe in Afghanistan nach wie vor nicht "Krieg" nennen. Schon klar: Wer möchte schon als erster so-richtig-kriegführender deutscher Obersoldat nach Hitler bzw. Keitel in die Geschichtsbücher eingehen.* Wenn jedoch 300 Bundeswehrsoldaten mit allem Pipapo an einer Offensive (!) gegen die Taliban teilnehmen und Jung dieses Wort immer noch scheut wie der Teufel das Weihwasser, dann muss man allmählich Zweifel an seiner psychischen Zurechnungsfähigkeit anmelden. Schwerbewaffnete Soldaten heizen in ihren Schützenpanzern auf den Feind zu, ballern auf diese los, was das Zeug hält und werden selber aus allen Rohren beschossen, während über ihnen die Tornado-Bomber ihre Bahnen ziehen: Wenn das immer noch kein Krieg ist, was denn bitteschön dann?

Krieg ist in Jungs Gedankenwelt offenbar etwas, das nur die anderen machen. Niemand in der Bundesregierung hat ein Problem damit, vom Irak-Krieg zu sprechen - mit dem haben wir dank Rot-Grün nichts zu tun. Tschetschenien und Georgien, das waren Kriege. Selbst der Kosovo-Krieg wird als solcher bezeichnet, obwohl deutsche Soldaten dabei waren (aber nicht selbst geschossen haben, was wohl den kleinen Unterschied macht). Aber Afghanistan, wo die Bundeswehr doch hauptsächlich mit Brunnenbohren, Schulenbauen und Bonbonverteilen beschäftigt ist? (Überhaupt - wieviele Brunnen und Schulen gibt es denn mittlerweile in dem Land, wenn die seit mehr als sieben Jahren nichts anderes machen?) Nein, das ist kein Krieg, weil nicht sein kann, was nicht sein darf - und deshalb wollen wir im aktuellen Voting einen passenderen Begriff finden. Bitte stimmen Sie jetzt ab.

Festival der hohlen Phrasen

Es ist ja schon zum Heulen, dass man sich freuen musste, als Jung vor einem Dreivierteljahr endlich von "Gefallenen" sprach. Ein selten dämliches Wort, denn die Leute sind schließlich nicht gestolpert, gestürzt oder in ein halbkriminelles Milieu abgerutscht, sondern wurden erschossen, in die Luft gesprengt oder sonstwie frikassiert. Aber "Gefallene" ist immer noch besser als "einsatzbedingt Getötete", denn es wird allgemein immerhin mit Krieg assoziiert - "einsatzbedingt getötet" werden können auch Feuerwehrleute oder Heizungsbauer.

Leider dünsten bei dem Begriff "gefallen" auch Worte wie "Ehre" und "Tapferkeit" aus jedem Buchstaben; zwei in diesem Zusammenhang unglaublich hohle Phrasen, die zuletzt von Opi und Uropi gedroschen wurden. Es ist ja wohl kaum ehrenvoll, auf Befehl jemanden zu töten oder von jemand getötet zu werden. Ehrenvoll ist etwas ganz anderes: Sich unentgeltlich für Schwächere einzusetzen etwa oder zu einem abgegebenen Wort zu stehen, auch wenn man dafür Nachteile in Kauf nehmen muss, oder - wenn man den Begriff denn unbedingt auf das Militär anwenden will - einen völkerrechtswidrigen Befehl zu verweigern. Nach den einfachen Soldaten, die so etwas taten, werden aber in der Regel später keine Kriegsschiffe und Kasernen benannt.

Blech stanzen und Blech reden

Und was ist "Tapferkeit"? Jemand wie Anna Politkowskaja war tapfer. Die Demonstranten im Iran, in Birma oder Tibet waren tapfer. Greenpeace-Aktivisten, die ihre Schlauchboote vor die Harpunen von Walfängern steuern, sind tapfer. Möglichst viele Menschen umzubringen ist per definitionem nicht tapfer; eine Schlacht einfach nur zu überleben, auch nicht. Wird einem Trupp Soldaten befohlen, eine feindliche Stellung zu erobern, dann müssen sie das tun, weil sie sonst wegen Befehlsverweigerung dran sind - und wenn sie heil davonkommen, gelten sie als "tapfer" und werden mit ausgestanzten Blechteilen behängt.

Bislang halten sich die Belege für Tapferkeit in der Bundeswehr in Grenzen: In Afghanistan hat es bisher im Wesentlichen zu erschossenen Frauen, Jugendlichen und Kindern gelangt; und vom Deck einer hochmodernen, waffenstarrenden Fregatte aus ein Piraten-Motorboot in Schach zu halten, ist auch nur bedingt gefährlich. Natürlich gehört Mut dazu, sich in Kunduz auf Patrouille zu begeben - aber muss man dafür gleich einen Tapferkeitsorden erhalten? Ja, meint der Verteidigungsminister. Zwar nicht das Original, wie ein Parteikollege ehedem forderte, aber immerhin ein ähnliches.

Viel Jung, viel Ehr'

Auf diesem Gebiet der mythischen Überhöhung von Mord und Totschlag erweist sich der CDU-Minister als recht rührig. Auch wenn Franz-Josef Jung nach der Wahl wohl bald in die Bedeutungslosigkeit rutschen wird: Was die schleichende Militarisierung der Gesellschaft angeht, macht dem Hessen keiner etwas vor. Wer den Krieg die humanitäre Offensive am Hindukusch überlebt, darf sich auf eines der neuen "Ehrenkreuze" freuen; wer Pech hat, bekommt immerhin zumindest namentlich noch einen Platz im derzeit im Bau befindlichen Ehrenmal in Berlin. Vorbei die Zeiten, als die Bundesrepublik sich zumindest auf dem Papier einigermaßen pazifistisch gab - nun wird wieder ordentlich Weihrauch über den Streitkräften ausgekippt.

Zwar sind wir derzeit noch weit davon entfernt, unsere Kinder in Matrosenanzüge zu stecken und Spenden für Kriegsschiffe zu sammeln. Wenn wir die Geschehnisse allein der letzten zehn Jahre einmal Revue passieren lassen, zeigt sich aber überdeutlich, wie sich die Bundesrepublik immer offener, Schritt für Schritt, wieder zu einer Krieg führenden Großmacht entwickelt - es fragt sich nur, ab wann wir das Kind auch wieder beim Namen nennen.

So wie hier:




*Eine Titulierung, auf die eigentlich Rudolf Scharping Anspruch hat - aber ohne Bodentruppen ist das irgendwie gar ja kein richtiger Krieg, nicht wahr?

Samstag, 25. Juli 2009

See you later, alligator

"Was macht eigentlich..." ist ja eine beliebte Frage in manchen Medien, mit der man mit möglichst wenig Aufwand eine halbe Seite oder noch mehr füllen kann. Warum soll das nicht auch hier klappen? Also, liebe Leser der Wochenendausgabe von Leben.Universum.Rest: Was macht eigentlich... Günther Beckstein? Die Antwort: Dummes Zeug reden.

Und außerdem in Urlaub fahren. Florida war's, wo der Totengräber der CSU - der leider meines Wissens immer noch keine Medaille für die Einführung des Mehrparteiensystems in Bayern bekommen hat - mit seiner Frau paddeln ging und dabei mit dem Boot kenterte; vermutlich, weil er mehr als zwei Maß Bier getrunken hat. Die dpa zitiert ihn wie folgt:
"'Um ein Haar wäre ich von einem Alligator gefressen worden.' Glücklicherweise habe aber keines der Tiere angegriffen. 'Das war spannend. Echt toll.'"
Jaja. Um ein Haar hätte ich gestern einen tödlichen Autounfall gehabt. Glücklicherweise bin ich aber gar nicht erst losgefahren.

Ich freue mich ja schon auf die Berichte über seine nächsten Reisen. Beckstein will im Herbst nach Tibet, wo er vermutlich um ein Haar vom Mount Everest stürzen, glücklicherweise aber gar nicht erst hinaufsteigen wird. Das wird spannend. Echt toll.

Die ihr euch hier reinquetscht, lasst alle Hoffnung fahren

Wesentlich unspektakulärer als bislang gedacht: Der Einstieg zur Hölle.

Freitag, 24. Juli 2009

Haaatschi! - Oink!

Davon träumen Journalisten in schwülwarmen Nächten: Nie war ein Sommerloch leichter zu füllen als das diesjährige. Die Bundeswehr führt jetzt endlich mal so richtig Krieg, Peter Harry Carstensen hat im Alleingang über eine Woche lang die Titelseiten bestückt - und wenn alle Stricke reißen, gibt es ja immer noch die Schweinegrippe. Immerhin sind jetzt auch zwei Mitglieder der "Sugababes" infiziert - das Ende der Welt, wie wir sie kennen, ist nah.

Schweinegrippe - Sie erinnern sich? Die Virusinfektion, die seit einem Vierteljahr die Menschheit auszulöschen droht, aber irgendwie nicht in die Füße kommt und daher zeitweise auch schon wieder aus den Schlagzeilen verschwunden war, weil es dann doch Interessanteres zu berichten gab, etwa über Arcandor, Porsche oder Michael Jackson. Wie viele Chefredakteure sich wohl in den Schlaf geweint haben, weil sie sich vorgestellt haben, was sie alles hätten machen können, wenn "Jacko" an der Schweinegrippe gestorben wäre!*

In diesen drei Monaten sind weltweit ein paar Hundert Menschen an der Infektion gestorben. Die Sterberate beträgt den offiziellen Zahlen nach - halten Sie sich fest - rund ein halbes Prozent! Das heißt andersherum betrachtet: Wenn Sie die Schweinegrippe bekommen, haben Sie lediglich eine Überlebenschance von 99,5 Prozent. Schon das Testament gemacht?

Dass bei diesen Zahlen der Schrecken nicht so richtig rüberkommt, ist den Meinungsmachern dann auch irgendwann aufgefallen. Also wird sich, um die Zeitung trotzdem voll zu kriegen, in nebulöse Schreckensszenarien geflüchtet:
  • Es rolle eine zweite Infektionswelle an, die viieeel gefährlicher werde als die erste. Und wenn die auch nicht reichen sollte, wird eine dritte und vierte erwartet.
  • Zwar sei das Virus noch nicht mutiert, aber die Betonung liegt auf NOCH! Das H1N1-Vieh könne jederzeit, auch jetzt gerade in diesem Moment, während Sie dies lesen, zum unaufhaltsamen Killervirus mutieren - und dann gute Nacht, Marie!
  • Tamiflu, das allumfassende Wundermittel, hilft nicht wirklich, weshalb die Pharmakonzerne dringend ein neues, noch wirksameres und vor allem teureres Medikament entwickeln müssen. Ein Wettlauf gegen die Zeit!
  • Und die Spanische Grippe, die vor 90 Jahren zig Millionen Menschen killte, ist auch noch aktiv! So!
Jetzt beträgt die Zahl der Erkrankten in Deutschland schon zweieinhalbtausend - Huah! Die ganzen Urlaubsrückkehrer aus Lloret de Mar und Malle sind's: Sie bringen nicht mehr nur gigantische Kopfschmerzen, Herpes und hässliche Souvenirs mit, sondern auch den Todeserreger! Ich würde sagen: Ab mit ihnen in die Quarantäne, hermetisch abgeriegelte Containerdörfer sollten an jedem Flughafen eingerichtet und die Grenzen dicht gemacht machen. Und spätestens, wenn man während des Landeanfluges über Bordfunk verdächtiges Krächzen und Schniefen hört, dürfte die von Schäuble lange geforderte Legitimation des Abschusses von Linienmaschinen gerechtfertigt sein.

Vermutlich werden wir aber demnächst wieder weniger von der Versagerseuche hören und lesen - denn die Pharmaindustrie hat ihr Ziel ja eigentlich schon erreicht: Die Bundesländer kaufen für 700 Millionen Euro Impfdosen, obwohl es streng genommen den Impfstoff noch gar nicht gibt. Aber wenn es ihn dann dereinst geben wird, sollen diese von 100 Prozent der Bevölkerung bezahlten Dosen für 30 Prozent der Bevölkerung reichen.

Ich freue mich schon darauf, hustend, grunzend und mit Ringelschwänzchen beim Arzt meines Vertrauens aufzukreuzen und ihm, bevor er mir die lebensrettende Injektion spendet, erst einmal mittels eines vom Innenministerium erstellten Formulares meine Würdigkeit, am Leben zu bleiben, nachweisen zu müssen. Gehöre ich als derzeit arbeitsloser Schreiberling zu den 30 Prozent, die es wert sind, den nächsten Sonnenaufgang zu erleben?

Ich meine: Ja, unbedingt. Journalisten werden immer gebraucht, denn die nächste Seuche kommt bestimmt und muss dann dem Volk in all ihren apokalyptischen Dimensionen nahegebracht werden. Schließlich gibt es noch viiieeele Impfstoffe und Medikamente zu verkaufen.



*Wir verkneifen uns an dieser Stelle Bemerkungen über Jacksons Nase, was gar nicht so leicht ist.

Mittwoch, 22. Juli 2009

Am Tag, als der Verkehr stillstand

Auf ein Wort, ihr Lastwagenfahrer: Wenn eine stark frequentierte Autobahn wie die A 7 voll gesperrt wird und die Umleitungsschilder explizit darauf hinweisen, dass Lkws eine andere Umleitungsstrecke fahren sollen als Pkws, dann ist das nicht zwingend eine behördliche Schikane, die ihr offenbar aus genauso grundsätzlichen Erwägungen ignorieren zu müssen scheint wie die gesetzlich vorgeschriebende Höchstgeschwindigkeit - nein, so eine Maßnahme kann mitunter auch einen guten, vernünftigen und nachvollziehbaren Grund haben.

Etwa den, dass die Pkw-Umleitung durch ein Dörfchen führt, dessen Ortskern sich seit 1148 nicht verändert hat und dessen einzige Hauptstraße gerade einmal so breit ist, dass sich ein Traktor und ein Mofa aneinander vorbeiquetschen können und die ausschließlich aus 90-Grad-Kurven besteht. Aber das habt ihr dann ja auch gemerkt. Freilich erst, als es zu spät war. Und dann mussten alle anderen für eure Schwachsinnigkeit büßen. Danke dafür! Man könnte fast vergessen, dass man Atheist ist, so sehr wünscht man sich beizeiten eine Hölle speziell für Lkw-Fahrer - eine Hölle, die nur aus zweispurigen Autobahnen besteht, bei denen die Überholspur aus einem Flammenmeer besteht, die ausschließlich bergauf führen und auf denen ihr ewig herumkurven müsst, nur unterbrochen von Stopps auf überfüllten Raststätten, in denen Kaffee, Bratwürstchen und Pornohefte stets ausverkauft sind.

Und ihr, liebe Edesheimer, die ihr euch mit Badeschlappen und Bierflaschen nach draußen begeben habt, um euch das Elend aus nächster Nähe anzuschauen: Ich wette, dass ihr euch in 50 Jahren noch genau daran erinnern könnt, was ihr gerade gemacht habt, als die Blechlawine in euren Ort kam. Eure Enkel werden mit großen Augen zu euch aufblicken, wenn ihr von dem Tag erzählt, als sich der gesamte europäische Nord-Süd-Verkehr durch euer Kaff wälzte.

Ich bezweifele allerdings, dass diejenigen von euch, die sich an die Straße gestellt haben, in 50 Jahren noch leben. Abgase und so. Also schreibt es lieber für die Nachwelt auf.

Dienstag, 21. Juli 2009

Erzittert, ihr Unwürdigen, vor Kaiser Harry I.!

So was - da ist man mal eineinhalb Wochen lang etwas weit ab vom Schuss, da wird gleich in einem Bundesland ein Putschversuch unternommen. Jawohl, Putsch, und zwar von oben: "Regierungskrise" ist ein viel zu verharmlosender Ausdruck für das, was der Carstensen-Harry da an intrigantem Machtspielchen aufführt. Ohne mit der Wimper zu zucken kündigt er die Koalition mit den Sozialdemokraten auf, führt sein Land in eine Phase der Kaum-mehr-Regierbarkeit und will die Auflösung des gewählten Parlaments verfügen, als wäre er der russische Zar. Schleswig-Holstein, deine Landesväter (und -mütter): Eine Lachnummer in mehreren Akten, gewissermaßen das Florida der BRD.

Politik kann also auch mal ganz schnell gehen, wenn's sein muss: Am Mittwoch die Presse informiert, am Donnerstag die Auflösung des Parlaments beantragt und bereits am Freitag darüber abgestimmt. Der Schönheitsfehler an Carstensens Masterplan zur Erringung der Weltherrschaft zwischen Fehmarn und Sylt war allerdings, dass er wenig durchdacht war: Die SPD ist immer noch groß genug, um die Selbstauflösung des Landtags zu verhindern. Gar zu gerne hätte ich am Freitag Harrys Gesichtsausdruck gesehen: "Was zum ...! Sie weigern sich? Schickt die Kosakenregimenter!" Sprach's und krönte sich im nächsten Moment selbst zum Kaiser von Schleswig und Holstein.

Zuvor muss er nun nur noch den Umweg über die Vertrauensfrage wählen und bekommt schlussendlich am kommenden Donnerstag doch noch seinen Willen, denn die SPD wird ihm - logischerweise - ihr Misstrauen aussprechen; die Oppositionsparteien sowieso. Wie man einem ganzen Land innerhalb von einer Woche seinen Willen aufzwingt: Ein Schnellkurs in drei Lektionen.

So weit unser Korrespondent aus dem Elfenbeinpalast in Kiel - zurück ins Studio, soll heißen: Zurück in die normale Welt. Denn die dürfte sich fragen, was zum Henker die Landespolitiker da eigentlich treiben. Das halbe Kabinett rausschmeißen, mit der Brechstange das Parlament auseinanderjagen, das Volk belügen und sich bei alledem auch noch im Recht fühlen - geht's noch?

Das anhaltende desaströse Umfragetief der SPD für die Forderung nach Neuwahlen zu missbrauchen und das Wählermandat, auf das man sich bei anderer Gelegenheit gerne beruft, auf diese Weise mit Füßen zu treten ist ja nichts wirklich Neues. Wie ein absolutistischer Potentat als Strafe für die Nichtkapitulation ihrer Partei die Minister seines Koalitionspartners hinauszuwerfen, ihnen selbst die Verantwortung dafür zuzuschieben und selbstherrlich nach Gutdünken den politischen Reset-Knopf betätigen zu wollen, ist da schon ein anderes Kaliber. Scheissegal, dass das Parlament immerhin bis zum Mai nächsten Jahres gewählt wurde - wen interessiert schließlich der Willen des Souveräns? L'etat, c'est Harry!

Oder wen interessiert auch nur der Willen des Koalitionspartners? Wenn Großfürst Harry verfügt, dass der HSH-Chef fast drei Millionen Euro in den Hintern geblasen bekommt, dann ist die Zustimmung der Vasallen doch bloß eine Formsache. Lüge? Ha! Da muss man nicht auf irgendwelchen Formulierungen herumreiten; so weit kommt das noch, dass der Landesvater sich vor dem niederen Volk rechtfertigen muss. Und falls doch: Vielleicht gibt Carstensen ja noch sein Ehrenwort, dass die SPD mit der Zahlung einverstanden war.

Leider, ach, bedarf es noch einer klitzekleinen Formsache, um die Machtstellung endgültig zu sichern: Die Bauern müssen noch einmal zur Wahlurne getrieben werden. Aber Kaiser Harry I. kann beruhigt in die Zukunft blicken: Seine Feinde liegen zerschmettert am Boden und sein Sieg ist relativ sicher, trotz Lügen und Machtspielchen. Die Zeiten, in denen sich die Nordlichter gegen derartige herrschaftliche Arroganz gewehrt haben, sind halt seit 500 Jahren vorbei.



P.S.: Zum 250. Post beglückwünsche ich mich an dieser Stelle selbst, wünsche ich mir alles Gute und fordere mich auf, weiter so zu machen.

Dienstag, 7. Juli 2009

Bestellen Sie jetzt Ihre Paulus-Reliquie vor, und Sie erhalten einen kleinen Zehennagel gratis!

Hosianna – die Gebeine des Apostels Paulus sind entdeckt! Preiset den Herrn, errichtet eine Kathedrale und beginnt mit dem Verkauf von Heiligenbildchen und Paulus-Eierwärmern. Gut – streng genommen ist diese Neuigkeit gar keine, denn das betreffende Grab in der römischen Basilika, das der Vatikan aufbohren ließ, um die Knochen rauszuholen, gilt nach Ansicht der Kirche schon seit längerem als das eben jenes Paulus’; und das Ergebnis der jüngsten wissenschaftlichen Untersuchung der Leichenteile hat auch nicht gerade Beweiskraft. Aber darum geht’s ja auch gar nicht.

Montag, 6. Juli 2009

Wenn einer eine Reise tut...

... zumal mit der Deutschen Bahn, dann gehen ihm ja so Sachen durch den Kopf. Zum Beispiel die folgenden:
Vom Zug aus betrachtet ist eine an sich hübsche Stadt wie etwa Göttingen genauso grottenhässlich anzuschauen wie eine erwiesenermaßen tatsächlich hässliche Stadt wie, sagen wir: Hannover. Wenn hinter dieser Erkenntnis eine tiefere, symbolträchtige Bedeutung existenzphilosophischer Natur stecken sollte, so habe ich selbige leider nicht erkannt.

Es gibt nur sehr wenige Anblicke, die schöner sind als ein halb verfallener, grafittiübersäter Ringlokschuppen mit zerborstenen Fenstern, der sich um eine total verrostete und von Unkraut überwucherte Lokomotivdrehscheibe schmiegt. Merkwürdigerweise wird diese Schönheit weder von strahlendem Sonnenschein noch vom deprimierendsten Dauerregen in irgendeiner Weise beeinflusst.

Was es auch nicht gibt – und zwar gar nicht – ist ein logischer, nachvollziehbarer Grund, unter Zuhilfenahme eines MP3-Players brüllend laut seichte Popmusik zu hören und damit alle Menschen in drei Waggons daran teilhaben zu lassen. Es geht hierbei weniger um die Lautstärke als vielmehr um die Musik selbst, die so enttäuschend nichtssagend war, dass sie mich nicht einmal genervt, sondern nur ermüdet hat. Wohlgemerkt: Popmusik ist Geschmackssache, bleibt mithin jedem selbst überlassen und ist daher nur schwer kritisierbar; und Musik laut zu hören, kann manchmal ein erfüllenderes Erlebnis sein als sie leise zu hören – etwa bei Wagner-Opern, meinetwegen auch bei klingonischen oder bei gutem Metal. Seichter Pop aber wird durch Lautstärke nicht besser, höchstens durch punkige Coverversionen. Es ist also nicht nötig, dem kleinen am Hals baumelnden Gerät das letzte abzuverlangen, bloß um sämtliche Mitreisenden bis zur Depression anzuöden.

Es müsste spezielle schallgedämpfte Kinderwaggons geben, die am Ende des Zuges angehängt werden (mit ein paar leeren Güterwaggons als zusätzlichen Geräuschpuffern dazwischen), die mit diesen bunten, aus dem Ikea bekannten Plastikbällen gefüllt sind und in die man das Kind bei Fahrtantritt einwerfen muss, andernfalls würde man von der Bahnpolizei abgeführt und ohne Gerichtsverfahren zu zehn Jahren Zwangsarbeit als Kohleschaufler auf einer Lok verdonnert, wofür es immer Bedarf gibt, weil – was niemand weiß – alle Loks der Deutschen Bahn, auch die ICEs, tief im Innern noch mit einer Dampfmaschine angetrieben werden.

Ja, so war's. Zenk ju for träwellink.