Freitag, 31. Oktober 2008

Es saugt und bläst der Kirchenmann . . .

Das Bistum Essen kauft sich eine aufblasbare Kirche. Das macht Sinn - schließlich ist es nie verkehrt, mit den Ressourcen zu arbeiten, die einem im Überfluss zur Verfügung stehen. Und das ist im Falle der Kirche nun einmal heiße Luft.

Kleiner Tipp: Als nächstes bestellt ihr dann bitte aufblasbare Meßdiener, okay? Die Jungs werden es euch danken.

Mittwoch, 29. Oktober 2008

Rien ne va plus dans le casino global

Da es ja offenbar kein anderes Thema von Belang mehr gibt und sogar die Rettung der Welt vor dem Klimawandel vorerst auf den St.-Nimmerleinstag verschoben wurde, um mit den Geldern stattdessen Sozialhilfeleistungen für notleidende Banker zu finanzieren, fühle ich mich geradezu genötigt, doch auch mal was zur Weltwirtschaftskrise - noch hat niemand einen cool klingenden Euphemismus dafür gefunden - zu schreiben. Schließlich blickt vielleicht der eine oder andere nicht mehr so richtig durch.

Mal sehen, ob ich das auf die Reihe kriege.

Eine Reihe von Bankern hat Geschäfte getätigt, die es eigentlich nicht gibt, zu diesem Zweck mit Papieren gehandelt, die anderen gehören, und das alles mit Geld bezahlt, das sie nicht haben. Eigentlich kein Wunder, dass die gesamte Finanzwelt vor die Wand gefahren ist.

Nun kommt Finanzminister Peer Steinbrück und schnürt ein Care-Paket über 32.768 Fantastilliarden Euro. Damit will er die Banken retten. Er hat das Geld aber auch nicht in der Hosentasche, sondern muss es sich leihen. Von den Banken natürlich. Aha. Wenigstens ist schon geklärt, wer's letzlich zurückzahlt, nämlich wir.

Noch viel mehr Gelder, nämlich die Notgroschen auf dem Sparkonto - insgesamt etwa dreieinhalb Kubikhektar Taler - seien "sicher", sagen Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück unisono zur Beruhigung des niederen Volkes, auf dass es nicht zur Bank rennt, sein sauer Erspartes abhebt und in einem Strumpf unterm Kopfkissen versteckt. Die Sparguthaben sind offenbar so sicher, dass Merkel und Steinbrück es gar nicht für nötig halten, auch ein entsprechendes Gesetz zur Sicherung zu verabschieden; die simple Ankündigung muss reichen. Wenn also alles zusammenbrechen sollte, will die Regierung die verlorenen Guthaben der Bürger ausgleichen. Mit Steuergeldern selbstredend. Von den Bürgern, die soeben alles verloren haben. Hm.

Um das Ganze noch ein wenig zu verkomplizieren, wollen die Banken nun gar keine Hilfsgelder. Die Landesbanken sind da schmerzfreier; sie sind es gewohnt, mit Steuermitteln aufgepäppelt zu werden. Aber die privaten zieren sich. Und Onkel Steinbrück muss sie jetzt regelrecht dazu zwingen, die Kohle anzunehmen. Ob diese vornehme Zurückhaltung der Geldinstitute unter Umständen wohl daran liegt, dass die Bankmanager ihre Bezüge auf 500.000 Euro reduzieren müssten, wenn sie die Mittel in Anspruch nähmen? Vielleicht haben sie aber auch nur das Interview mit dem ebenso omnipräsenten wie unerträglichen Hans-Werner Sinn gelesen und nun Angst, in Viehwaggons abtransportiert zu werden, wenn sie ihre Glastürme verlassen.

Die Börsen-Berichterstatter von Tagesschau und Heute wissen gar nicht mehr, wie sie in die Kamera gucken sollen. Sie verfügen von Berufs wegen nur über zwei Gesichtsausdrücke, nämlich einem zerknirscht-betroffenen Katastrophenblick und einem selig-bräsigem Erleichterungsgrinsen. Beide kämen derzeit in Frage: Nikkei, Dow Jones und Dax stürzen ab und verzeichnen Rekordgewinne an ein und demselben Tag. Die Kurse von 29 der 30 Dax-Unternehmen befinden sich im freien Fall; der Index selbst klettert dennoch eifrig weiter, weil Aktienhändler VW-Anteile erst in absurde Höhen treiben und anschließend Gegenmaßnahmen fordern - nachdem sich jeder VW-Aktionär, der verkauft hat, über Nacht dumm und dämlich verdient hat. Die Hedgefonds hingegen nicht. Auch mal nett.

Zugegeben: Etwas unübersichtlich und schwer verständlich, das Ganze. Immerhin gibt es einen Namen für dieses seltsame Gebaren: "Casinokapitalismus". Ich finde diese Wortschöpfung ja schön, wenngleich sie auch Augenwischerei ist. Sie suggeriert nämlich, dass es sich bloß um eine Form des Kapitalismus handelt, um eine unnatürliche Abart gar, eine Perversion - aber diese Definition ist irreführend. Denn es ist ganz normaler Kapitalismus. In einem kapitalistischen System werden die Finanzjongleure immer neue Methoden zur Geldvermehrung erfinden, und je länger es gutgeht, desto abgedrehter werden diese Modelle eben. In spätestens 30 Jahren wird es wieder so sein - dann sind "Swap"-Geschäfte und "Cross-Border-Leasing" zwar alte Hüte, aber es gibt sicher was neues.

Dennoch finde ich den Begriff des Casinokapitalismus, wie gesagt, schön, denn er erlaubt treffliche Wortspiele. Denn in einem Casino gewinnt, das weiß jeder Zocker, letztlich immer die Bank.

Es sei denn natürlich, sie wird gesprengt.

Dienstag, 28. Oktober 2008

Vertrauensbildende Maßnahme: Bundeswehr greift auf non-letale Methoden zurück

Es geht vorwärts im Miteinander zwischen Deutschen und Afghanen: Beim jüngsten Scheibenschießen auf ein von Zivilisten besetztes Auto bei Kundus ist es den deutschen Soldaten gelungen, niemanden zu töten. Die fünf Afghanen in dem Kleinbus, der mit MG-Feuer bestrichen wurde, weil er sich für den Geschmack der Soldaten zu schnell einem Kontrollposten näherte, wurden lediglich verletzt. Zwei von ihnen zwar ziemlich schwer, zugegeben, aber immerhin - keine Toten (sofern die beiden es überleben) und auch keine Frauen und Kinder unter den Niedergeschossenen. Die Lage bessert sich.

Nun müssten die Landser nur noch lernen, dass auch in einem kargen Drittweltland wie Afghanistan die Einwohner es mitunter mal eilig haben könnten und deswegen schneller fahren. Etwa, wenn sie - wie im aktuellen Fall - seit Kabul mit einem toten Verwandten im Auto sitzen, den sie zu seiner Beerdigung ins mehrere hundert Kilometer entfernte Badachschan bringen wollen und der sicherlich nicht angenehm roch. Solche Situationen kommen auf dem Truppenübungsplatz in der Lüneburger Heide natürlich eher selten vor.

Und vielleicht sollte den Soldaten endlich mal jemand erklären, dass man - wenn man in einem altersschwachen Auto auf einer schlecht befestigten Straße unterwegs ist - Warnschüsse schlicht und einfach auch mal nicht hört.

Wild loszuballern und Zivilisten zu massakrieren, weil einem die Nerven durchgehen, wenn die Einheimischen sich in ihrem eigenen Land nicht gemäß deutscher Vorschriften verhalten, dünkt mich jedenfalls kein besonders gutes Mittel zur Vertrauensbildung zu sein.

Samstag, 25. Oktober 2008

Blog-Probleme? Damit ist nicht zu spaßen!

Bloggerstarre, die [paralysis weblogans]: Zivilisationskrankheit, erstmals beschrieben 2008 von Dr. med. No.

Definition: Die B. befällt ausschließlich internetaffine Personen, die aktiven Kontakt zu sog. Weblogs haben. Die B. kann akut anfallartig auftreten und nach wenigen Tagen von selbst verheilen. Es besteht bei wiederholtem Auftreten derartiger Anfälle allerdings die Gefahr einer chronischen Erkrankung, die zum Verlust jeglicher Blogaktivität führen kann.

Pathogenese: Reizüberflutung, Overkill an bloggenswerten Themen in Verbindung mit arbeitsbedingt drastisch eingeschränkter Freizeit.

Epidemiologie: geschlechter- und altersunabhängig, schwerpunktmäßig offenbar Personen über 25 J., die sich verstärkt mit politischen und gesellschaftlichen Fragen beschäftigen.

Einteilung:
1. leichte B.: Verringerung der Posting- und Kommentierungsfrequenz, Anfälle von Lustlosigkeit, Schwierigkeiten beim Ausdenken von Überschriften.
2. schwere B.: Minimale Postingaktivität, Einstellung von Kommentierungen, schwere und lang andauernde Phasen von Lustlosigkeit, psych. Druckgefühle, Verwirrungszustände.
3. chronische B.: Einstellung jeglicher Postingaktivität, Verwahrlosung des Blogs.

Lokalisierung: Gehirn; in einigen Fällen auch rein psychisch bedingt.

Diagnose: Patient wirkt lustlos und klagt über eine gewisse gedankliche Leere; P. zeigt Drang zum verstärkten Sinnlos-Surfen. Technorati-Wert sinkt rapide. Klagt der P. über ein Gefühl des "Unter Druck stehens", handelt es sich zumeist schon um einen schweren Fall der B.

Prävention: Science-Fiction-Serien schauen, Belletristik lesen, Medienkonsum reduzieren, Rotwein.

Therapie: Regelmäßiger Kontakt mit frischer Luft, Nachrichtensendungen und andere Blogs vorübergehend meiden, Katzen.

Sonntag, 19. Oktober 2008

Klempner Joe rettet die Welt

Jeder zweite Filmtrailer beinhaltet einen Satz, der mit den (mit testosterongeschwängerter Brummstimme vorgetragenen) Worten "Ein Mann ..." beginnt. Ein Mann gibt nicht auf. Ein Mann stellt sich dem Feind entgegen. Ein Mann deckt die Hintergründe auf. Ein Mann rettet die Welt - und damit sind wir beim Thema. Denn bislang dachte ich, diese Ein-Mann-Schiene wäre bloß eine übel schmeckende Soße aus amerikanisch-chauvinistischem Pionierdenken, hollywoodesker Superheldenhörigkeit und quasirassistischem Überlegenheitsgefühl, die jedem Amerikaner ins Hirn gegossen wird. Nun aber weiß ich: Ein Mann kann wirklich die Welt retten! Sein Name: Joe Wurzelbacher. Sein Beruf: Klempner.

Die Geschichte dahinter ist freilich banal: Klempner Joe quatscht Barack Obama am Rande einer Wahlkampfveranstaltung an und nölt ihn voll, dass er im nächsten Jahr eine Steuerklasse höher eingestuft werden soll, weil er 250.000 Dollar mehr einnehmen wird. So weit, so wenig erwähnenswert - es gibt wohl bei jedem Wahlkampfauftritt diesen einen Menschen, der tatsächlich glaubt, den Präsidentschaftskandidaten würde sein persönliches Schicksal auch nur zwei Sekunden lang interessieren.

Interessiert hat es indes den anderen Kandidaten, John McCain nämlich. Der Republikaner, dessen politisches Profil sich im wesentlichen darin erschöpft, in Vietnam gefoltert worden zu sein, weshalb er die jetzigen Mißhandlungen in Guantanamo auch nicht so toll findet, aber dennoch so weit in Ordnung, dass er den Opfern den Rechtsweg versperren will - dieser John McCain nämlich hat Klempner Joe vor seinen Karren gespannt und ihn als zu erwartendes durchschnittliches Opfer einer etwaigen Präsidentschaft Obamas ins Feld geführt. Motto: Seht her, Obama nimmt euch euer Geld weg!

Der Haken bei der Sache ist allerdings, dass Joe der Klempner nicht Joe Sixpack ist. Der nämlich kriegt die kalte Wut, wenn er jemanden herumheulen sieht, der mehr Steuern zahlen soll, weil er seine Einnahmen um eine Viertelmillion Dollar steigern wird. Denn eine Viertelmillion sieht Joe Sixpack in seinem ganzen Leben nicht auf einem Haufen, geschweige denn innerhalb eines Jahres. Joe Wurzelbacher ist ein Unternehmer, er gehört zu der Sorte von Klempnern, die schon lange nicht mehr selbst ins Klo gegriffen hat, außer im metaphorischen Sinne.

Als McCain es also für eine gute Strategie hielt, Klempner Joe vor jede mögliche Fox-News-Kamera zu schubsen, wo er artig vom Teleprompter ablesen durfte, dass Obama für "Sozialismus" stünde - was, nebenbei gesagt, zeigt, dass Joe nicht das hellste Bürschchen ist, wobei man sich zwangsläufig fragt, warum solche Leute eigentlich so viel Geld verdienen - als McCain also Klempner Joe ins Zentrum seines Wahlkampfes rückte, schaufelte er sich sein eigenes politisches Grab. Jedes Mal, wenn McCain im TV-Duell gegen Obama Klemper Joe ins Feld führte - und das war einige Male -, sackte seine Zustimmung in der Bevölkerung um weitere drei Prozentpunkte. Ich vermute, Joe Sixpack war schlicht zu Tode genervt von dieser Art Gejammer auf hohem Niveau. Im Endeffekt ist Obama jetzt wohl nicht mehr zu stoppen, zumindest nicht ohne Gewalt, das weiß man bei den Amis ja nie so genau.

Und wie hat Klempner Joe nun die Welt gerettet?

Ganz einfach: Wenn nicht Obama, sondern John McCain Präsident werden würde, wäre Sarah Palin Vizepräsidentin. Und wenn der 72-jährige und wirklich alles andere als gesunde McCain im Laufe der nächsten Jahre ins Gras beißen sollte, würde Sarah Palin zur Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika. Über Mrs. Palin wurde schon terabyteweise gebloggt, deshalb hier noch einmal in Kurzform:

Sarah Palin ließ sich von einem Bischof gegen Hexerei schützen, genehmigte sich Gehaltserhöhungen und sonstige Subventionen auf Kosten ihres Heimatstaates und bezeichnet den Bau einer Gaspipeline in Alaska als "Gottes Willen". (A propos Pipeline: In dem verzweifelten Versuch einer Ehrenrettung lobte McCain die Kompetenz Palins in Energiefragen - diese erschöpft sich allerdings offenbar darin, der Öl-Lobby in den Hintern zu kriechen und Bohrungen im Naturschutzgebiet zu befürworten.) Als als der TV-Journalist Charles Gibson sie nach ihrer Meinung zur Bush-Doktrin fragte - zur Erinnerung: das ist die Doktrin, mit der sich die US-Regierung das Recht herausnimmt, jedes Land der Welt anzugreifen, bevor es die Idee haben könnte, seinerseits die USA anzugreifen - und Palin offensichtlich keinen blassen Schimmer hatte, worum es jetzt gehen soll. Ihre Antwort "In welcher Hinsicht?" bedeutet übersetzt "Häh?" und steht einer möglichen Präsidentin mit Zugriff auf die gesamte US-Militärmaschine samt Atomwaffen nicht gut zu Gesicht.

Sie wollte ihren Ex-Schwager aus dem Polizeidienst entlassen haben und feuerte, als das nicht geschah, dessen Chef. Sprich: sie missbrauchte ihre Macht, um einen persönlichen Rachefeldzug zu führen. Falls Palin Präsidentin wird, müssen wir damit rechnen, dass sie die Nationalgarde einsetzt, wenn ihr Vetter dritten Grades einen Strafzettel wegen Falschparkens in Idaho bekommt. Und zu welchen Schritten sie fähig wäre, wenn bei einem Gipfeltreffen Ljudmila Putin ein schöneres Kleid tragen sollte, können wir nur erahnen.

Sie ist eine Waffennärrin, die keine Ahnung von der Welt außerhalb der USA hat (was allerdings vermutlich auf ein Drittel aller Amerikaner zutrifft, mit ziemlicher Sicherheit aber auf den derzeitigen Amtsinhaber). Sie lehnt Aufklärungsunterricht an Schulen ab und trägt die Folgen in Form einer schwangeren 17-jährigen Tochter. (Kleiner Einschub: Die berechtigte Frage, ob die Schwangerschaft ihrer minderjährigen Tochter ihren erzkonservativen Standpunkt nicht konterkariere, beantwortet Palin mit dem lapidaren Hinweis, dass ihre Tochter demnächst heiraten werde. Ich wüsste zu gern, ob diese das überhaupt will - oder ob Palin hier, wie im tiefsten Afghanistan, eine Ehe arrangiert.)

Der Spiegel schrieb bei der Ernennung Palins, diese sei "ein meisterlicher, doch zugleich enorm riskanter Schachzug". So was schreibt man, wenn man keine Ahnung hat, sich aber keine Blöße geben will. Nun, mittlerweile weiß wohl auch der Spiegel, dass es kein meisterlicher, sondern ein unglaublich bescheuerter Schachzug war - Etwa so, als würde man seine Dame opfern, ohne eine gegnerische Figur zu bekommen. Nur dass Mrs. Palin nicht von McCain geopfert wird.

Dafür ist Klempner Joe in die Bresche gesprungen. Und auch wenn Joe ein politisch offenkundig unbedarfter Mensch ist, der sich für die kriegsgeilen Republikaner zum Hampelmann macht und für den der Begriff "Sozialismus" nicht nur ein Schimpfwort ist, sondern dazu noch eines, dessen Bedeutung er nicht mal ansatzweise kapiert hat; und obwohl sich mein Mitleid mit dem Viertelmillion-Dollar-Klempner in Grenzen hält und ich mit Joe Wurzelbacher nur ungern ein Bier trinken gehen würde, muss ich an dieser Stelle für seine tragende Rolle im Rahmen der Palin-Verhinderung deutlich sagen:

Danke, Joe !



Samstag, 18. Oktober 2008

Wall Street meldet: Rettungspaket eingetroffen, Maßnahmen werden eingeleitet!

Im Mittelalter gab es den sogenannten "Zehnt" - eine zehnprozentige Steuer, die von allen an die Kirche gezahlt werden musste, damit die sich davon teure Priestergewänder und goldene Meßbecher kaufen konnte. Diese Abgabe existierte viele Jahrhunderte, bis sie im modernen Zeitalter - ebenso wie die Allmacht der Kirche - etwas unpopulärer geworden ist.

Nun, manche Erfindungen sind zeitlos.

Nicht nur, dass der Geldmarkt schon seit Jahren quasi-religiöse Züge annimmt - mit den Börsen als modernen Kathedralen, Finanzexperten als unfehlbaren Hirten und den Dax-Nachrichten als täglicher Heilsbotschaft zur besten Sendezeit: Jetzt haben die Banker an der Wall Street auch das Prinzip des "Zehnten" wiederentdeckt und stecken sich vom 700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket der US-Regierung erst einmal 70 Milliarden Dollar in die eigenen Taschen. Vermutlich mit einem amüsierten Grinsen auf dem Gesicht.

Man muss kein Finanzexperte sein, um zu erkennen, dass damit keine Bank gerettet wird, sondern nur der Lebensstil der Banker. Und das mit Steuergeldern, also unter anderem auch Geldern derjenigen, die sich jeden Tag halbtot schuften, sich trotzdem kein College für ihre Kinder leisten können und nun auch noch Angst haben müssen, wegen der Machenschaften der Wall-Street-Finanzjongleure ihre Stelle zu verlieren.

Ich glaube, etwas derartig Schamloses wie diese Selbstbedienungsorgie mit unübersehbarer Stinkefingergeste in Richtung des Pöbels hätte ich mir niemals ausdenken können. Das Leben denkt sich immer noch die besten Geschichten aus. Bleibt die Frage, wie diese Aktion ankommt bei Menschen, die von den Banken gerade aus ihrem Haus geworfen wurden, aber immer noch ihren Schrank voll Schusswaffen haben.

Dienstag, 14. Oktober 2008

Es ist eben auf niemanden mehr Verlass . . .

Wenn ich eines hasse*, dann sind es Besucher, die sich zu einem festen Termin angekündigt haben und dann einfach nicht erscheinen. Jawohl, IHR seid gemeint, Außerirdische von der "Föderation des Lichts"! Erst groß herumposaunen, dass ihr an diesem Dienstag landen wollt, außerdem 'ne große Lippe riskieren von wegen "Wir bringen euch Hoffnung" und so weiter - und dann? Nix Landung! Unentschuldigt gefehlt! Ihr hättet euch doch wenigstens bei eurem Medium Blossom Goodchild abmelden können. Die Ausrede "Anrufbeantworter war voll" zählt nicht, schließlich könnt ihr sie telepathisch erreichen.

Mist, mist, mist. Ich habe den ganzen Tag gewartet, wollte euch in meiner Eigenschaft als Abgesandter Nordwestdeutschlands begrüßen und euch eine Liste mit Namen von Leuten übergeben, die meiner Meinung nach nicht angetan sind, Hoffnungen zu wecken, auf dass ihr sie mit euren Strahlenkanonen vaporisiert. Sie passte sogar auf nur eine Klopapierrolle. (Eigentlich wollte ich auch zur Landestelle kommen, aber da eure Kontaktleute sich nicht sicher waren, ob diese in Wales, Alabama oder im Ural liegt, habe ich mal davon abgesehen.)

Also: Nächstes Mal bitte kommen oder rechtzeitig absagen, bevor ihr die halbe Welt kirre macht. Oder wenigstens die halbe Welt der Ufo-Freaks.





*Diese Formulierung trifft eigentlich nicht wirklich zu, denn ich hasse eine ganze Menge Dinge. Aufmerksamen Lesern dieses Blogs wird das nicht entgangen sein.

Donnerstag, 9. Oktober 2008

Gut gebrüllt, Löwin!

Der grünen Hamburger Umweltsenatorin Anja Hajduk scheint die massive Kritik daran, dass die Grünen-Fraktion - entgegen aller Parolen im Wahlkampf - nun doch den Bau des Kohlekraftwerks Moorburg abgenickt hat, allmählich auf die Nerven zu gehen. Es könnte sein, deutete sie vor ihren Parteigenossen an, dass man den Wählern vor dem Urnengang zuviel versprochen habe. Na ja, soll ja mitunter mal vorkommen.

Gleichwohl sprach sie sich für die Fortsetzung der schwarz-grünen Koalition aus - kaum überraschend, geht es dabei doch auch um ihren Posten. Wörtlich sagte sie: „Wir würden doch keinem Klimaschützer oder dem Klima nützen, wenn wir uns jetzt vom Acker machen.

Stimmt. Aber es nützt dem Klima ja offenbar auch nichts, wenn ihr dableibt.

Mittwoch, 8. Oktober 2008

Grußworte zum 125. Todestag von Karl Marx, Folge 6

"Generell muss man wohl sagen, dass gewisse Teile der marxistischen Theorie doch nicht so verkehrt sind."

Peer Steinbrück (SPD), Bundesminister der Finanzen, im Gespräch mit dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Dienstag, 7. Oktober 2008

Stiftung Qualentest warnt: Keine Billig-Folter aus Fernost!

Eine schöne Nachricht des Tages ist, dass das US-Militär laut Gerichtsbeschluss 17 Gefangene freilassen muss, die unschuldig in Guantanamo einsitzen. Es handelt sich dabei um chinesische Uiguren, muslimisch zwar, aber - man höre und staune - trotzdem keineswegs terrorverdächtig. Es sei denn natürlich, man fragt die Machthaber in Peking: Für das Regime, das die Uiguren seit langem systematisch unterdrückt, handelt es sich sehr wohl um Terroristen, weshalb es vehement die Auslieferung der Noch-Gefangenen fordert. Womit wir bei der unschönen Nachricht wären.

Die Wahrheit ist: Die Uiguren, die vor der Verfolgung durch die chinesischen Behörden nach Afghanistan und nach Beginn des Krieges nach Pakistan geflohen waren, sind Ende 2001 von Kopfgeldjägern an die USA verkauft worden (Stückpreis 5000 Dollar, wofür man auch zwei Iraker erschießen könnte) und sitzen seitdem in dem Militär-Gulag ein - obwohl das Pentagon spätestens seit 2005 weiß, dass sie unschuldig sind. Dennoch werden sie erst seit letzter Woche nicht mehr als "feindliche Kämpfer" betrachtet. Sie verbringen dort fast den ganzen Tag in Isolationshaft und werden in kleine Metallboxen gesperrt. Seit, um das nochmal zu verdeutlichen, sieben Jahren.

Und nun die Pointe: Die USA weigern sich seit Jahren, die uigurischen Gefangenen freizulassen, da andere Länder sich weigern, sie aufzunehmen und ihnen - man halte sich fest, das erfinde ich jetzt nicht - bei einer Rückkehr nach China Folter droht!

Ich finde es schön, dass das US-amerikanische Militär auch mal sein menschliches Antlitz zeigt. Nicht zuzulassen, dass freigelassene Gefangene in ihrem Heimatland Opfer von Folter werden, zeugt wirklich von Edelmut. Da foltert man sie doch lieber selbst - da weiß man, was man hat. Nicht diese minderwertige Billigfolter aus Fernost.

Bleibt die Frage, warum die Militärs die Uiguren damals so bereitwillig gekauft und eingekerkert hat - unter den Attentätern des 11. September 2001 waren, soweit ich mich erinnere, recht wenig chinesische Staatsbürger. Aber hey - die sehen doch sowieso alle gleich aus da unten, oder nicht?

Schlussbemerkung: Die USA weigern sich natürlich auch selbst, die Uiguren aufzunehmen - von einer Entschädigungszahlung für die erlittenen Qualen und die geraubte Lebenszeit mal ganz abgesehen. Das einzige Land, das bislang Uiguren aus Guantanamo als politische Flüchtlinge bei sich aufgenommen hat, nämlich fünf an der Zahl, ist das bitterarme Albanien.

Die Wochenschau meldet: Unsere glorreiche Marine kämpft Sturmflut nieder!

Ich unterbreche die allgemeine Wohin-mit-meinem-Sparbuch-Panik nur ungern, aber dennoch: Die große Koalition hat es mal wieder geschafft, ein Gesetz heimlich, still und leise zu verabschieden, für das sie in einer gerechteren - oder entspannteren - Welt von den Bürgern zum Teufel gejagt worden wäre: Zukünftig soll die Bundeswehr leichter im Innern eingesetzt werden dürfen. Dazu wird das Grundgesetz entsprechend geändert. Dahinter steckt - man ahnt es bereits - das Innenministerium, obwohl es strenggenommen mit den Streitkräften nichts zu tun haben sollte. Wieder einmal hat Wolfgang Schäuble einen günstigen Zeitpunkt genutzt, um die Militarisierung der Republik voranzutreiben: Die Leute haben anderes im Kopf als verfassungsrechtliche Spitzfindigkeiten. Wenn es einen Aufschrei gegeben haben sollte, habe ich ihn noch nicht vernommen.

Der Mitteilung zufolge sollen Soldaten zur „wirksamen Bekämpfung besonders schwerer Unglücksfälle“ , etwa Naturkatastrophen, herangezogen werden können, wobei auch der "Einsatz militärischer Mittel" möglich sein soll. Das halte ich für eine super Idee: Sturmfluten werden mit Kriegsschiffen und Küstenartillerie in Schach gehalten, Unwetter mit Boden-Luft-Raketen verjagt und Erdbeben mit Bombenteppichen bekämpft - wenn man brennende Ölfelder mit Sprengungen löschen kann, sollte das doch auch funktionieren.

Nein, nein, wiegelt das Ministerium ab: Ein Einsatz der Bundeswehr soll nur im Rahmen der Amtshilfe geschehen, wenn der Polizei die nötige Ausrüstung fehle. Damit könnten indes auch Panzer und Sturmgewehre gemeint sein. Bereits beim G8-Gipfel in Heiligendamm war die Bundeswehr im Rahmen der "Amtshilfe" vor Ort, was bekanntlich dazu führte, dass Jagdbomber der Luftwaffe über die Zelte der Demonstranten hinwegdonnerten. Vielleicht dürfen sie ja demnächst Tränengasraketen abschießen.

Aber halt, fast hätte ich das 08/15-Argument vergessen, mit dem jedes unpopuläre Gesetz letztlich gerechtfertigt wird. SPD-Fraktionschef und Ex-Verteidigungsminister Peter Struck begründete den Schritt mit der Notwendigkeit zur Abwehr "terroristischer Angriffe von See her". Hmja, zugegeben: Bei allem Gelästere vergesse ich mitunter, wie oft es vorkommt, das Terroristen mit sprengstoffbeladenen Schlauchbooten um die halbe Welt tuckern, um den Ungläubigen einen entscheidenden Schlag zu versetzen, indem sie sich vor den Cuxhavener Fischhallen in die Luft sprengen.

Für die Soldaten würde die Neuregelung eine Verbesserung bedeuten. Jahrzehntelang durften sie nicht außerhalb und auch nicht innerhalb Deutschlands eingesetzt werden, weshalb die Kerle nur auf den Grenzzäunen herumsitzen und sich am Sack kratzen konnten. Nun dürfen sie seit geraumer Zeit draußen spielen gehen - da ist es ja nur konsequent, wenn sie es auch drinnen dürfen. Nur eines verstehe ich jetzt nicht. Laut Ministerium geht es nur um den Einsatz bei Unglücksfällen, der Koalitionspartner spricht aber von Terrorbekämpfung. Gilt ein "möglicher terroristischer Angriff von See her" nun plötzlich als Unglücksfall oder Naturkatastrophe - oder hat Struck sich schlicht verplappert?

Freitag, 3. Oktober 2008

Heute gehört uns dieser Artikel, morgen die ganze Wikipedia

Und jetzt zu etwas vollkommen anderem.

In der deutschsprachigen Wikipedia haben gerade Hunderte von Autoren erfolgreich ihr Recht erkämpft, überall, wo sie es wollen, Hakenkreuzfahnen einbauen zu dürfen. Ihr Argument: Wikipedia sei schließlich eine Enzyklopädie, die Verwendung verfassungswidriger Symbole nach §§ 86 bzw. 86a StGB dadurch rechtlich gedeckt. "Recht" heißt in der Wikipedia: Es wird eine völlig verplante Abstimmung über den Umgang mit Nazi-Symbolik erstellt, die in keiner Weise repräsentativ ist, geschweige denn juristisches Gewicht hat und bei der der Abstimmungspunkt, "[Nazisymbole] ... so wie andere Flaggen und Wappen verwenden" zu dürfen, von einer ziemlich realitätsfernen Rechtsauffassung zeugt.

Es mag ja angehen und ist auch sinnvoll, die Artikel etwa zur NSDAP oder zur Kriegsmarine mit der jeweiligen Fahne zu illustrieren. Nach dem Motto "Hakenkreuz macht sexy" verwenden derzeit indes über 300 Wikipedia-Artikel das Bild der Hakenkreuzfahne und über 200 Artikel die Reichskriegsflagge. Besonders wählerisch ist man da nicht: So wird die Nazifahne in zahllosen Militärartikeln gezeigt, darf aber auch im Artikel über Chemie-Nobelpreisträger ebenso wenig fehlen wie in dem über den Karl-May-Film "Durch die Wüste", und auch der Artikel über Dreiband-Weltmeisterschaften kommt selbstredend nicht ohne Hakenkreuz aus.

Nun, ob Wikipedia eine ernstzunehmende Enzyklopädie ist, wie die Mitarbeiter ständig mantraartig vor sich hinmurmeln, sei mal dahin gestellt. Meines Erachtens dient sie hauptsächlich als Spielwiese für die intellektuelle Selbstbefriedigung von im realen Leben zu kurz gekommenen Klugscheißern. Was Wikipedia jedenfalls nicht ist, ist offensichtlich: Es handelt sich um keine Institution der Forschung und Lehre - aber nur dieser Bereich, neben der Berichterstattung über zeitgeschichtliche Vorgänge, wird im §86 von der Strafverfolgung ausdrücklich ausgenommen. Das macht Sinn, denn ansonsten dürften Historiker kaum mit zeitgenössischem Bildmaterial arbeiten, ohne sich strafbar zu machen. Guido Knopp würde bis zum Jahr 2856 im Gefängnis sitzen.

Allerdings würde kein ernstzunehmender Wissenschaftler die Wikipedia zu Forschungszwecken nutzen - es sei denn, die Wikipedia ist selbst das Forschungsobjekt. Ein Fall für die Soziologie, besser noch die Psychologie. Aber bleiben wir bei der Disziplin, in der Hakenkreuze naturgemäß am häufigsten auftauchen: der Geschichtswissenschaft. Wer hier forscht, sichtet Quellen und rezipiert Fachliteratur, d.h. er nutzt altmodische Bücher, die von anderen Forschern geschrieben wurden, die ihrerseits Jahre intensiver Arbeit da hineingesteckt haben. Wie schwachsinnig, sagt der Durchschnittswikipedianer, man kann doch alles ergoogeln.

Ein Wissenschaftler nutzt aber unter keinen Umständen ein halbgares Internetprojekt, in dem 14-jährige Pickelfressen, die zuviele "Landser"-Heftchen gelesen haben, sich berufen fühlen, Artikel über den Zweiten Weltkrieg zu schreiben. Er nutzt keine selbsternannte Online-Enzyklopädie, in der verwirrte Spinner ihre Verschwörungstheorien verbreiten oder militaristische Waschbrettköpfe über soldatisches Heldentum schwadronieren oder revisionistische Webseiten, die hart an der Grenze des Neonazitums kratzen, als "weiterführende Links" implementieren.

Und vor allem: Ein ernstzunehmender und seriöser Historiker klatscht nicht auf jede zweite Seite seiner Schriften Hakenkreuze und krakeelt dann "Ich darf das!".

Aber vielleicht irre ich mich auch. Vielleicht versteht man den Artikel über die dänische Fußballnationalmannschaft ja wirklich nicht mehr, wenn man die Hakenkreuzfahne daraus entfernt. In diesem Falle entschuldige ich armseliger Volksschädling mich für meine defätistischen Ausführungen.