Samstag, 6. September 2008

Die Arithmetik des Krieges oder: Was kostet ein Menschenleben?

Jetzt ist Deutschland wirklich unwiderruflich in den Kreis der Großmächte zurückgekehrt: Nicht nur, dass deutsche Soldaten in Afghanistan Zivilisten - genauer gesagt: eine Frau und zwei Kinder - mit ihren MGs niedergemäht haben. Nun zahlt die Bundesregierung der Familie der Opfer auch eine Entschädigung. Ganz wie die in dieser Hinsicht viel erfahreneren US-Streitkräfte. Der Wert eines Menschenlebens lässt sich eben doch beziffern.

Der "Zwischenfall", zu dem das Springer-Blatt "Welt" den Tod der Familie kleinredete, wird die Staatskasse indes nicht allzu sehr belasten: 20.000 Dollar gibt es für die Hinterbliebenen, und damit ist die Sache wieder gut. Das sind also 6.666,66 Dollar pro Opfer. Und Verteidigungsminister Jung wird von dem Blatt auch noch dafür bejubelt, dass er so billig seine Hände vom Blut reingewaschen hat: "Jung verhindert Blutrache" - zum Heulen, wie manche versuchen, den gewaltsamen Tod dreier unschuldiger Menschen für wahlkampftaktische Meinungsmache zu missbrauchen.

Man könnte an dieser Stelle mal die Frage aufwerfen, wie sich der Wert eines Lebens eigentlich konkret errechnet. Deutschland zahlt also rund viereinhalbtausend Euro pro Toten. (Aber das auch nur, weil hier Bundeswehrsoldaten selbst geschossen haben. Die Hinterbliebenen der Opfer des NATO-Luftangriffs auf die serbische Stadt Varvarin bekommen hingegen keinen einzigen Cent.) Die Briten wiederum ließen sich vor ein paar Wochen nicht lumpen und zahlten dreieinhalb Millionen Euro für neun Folteropfer und die Familie eines zu Tode gefolterten Irakers. Die Amerikaner sind da knauseriger und zahlen nur 2.500 Dollar pro Toten im Irak - vielleicht fließt da ja irgendeine Art von Mengenrabatt in die Rechnung ein. Bei der Vielzahl der Opfer könnte der Staat sonst auch schnell pleite gehen.

Es scheint also keine leichte Rechenaufgabe zu sein, den Wert eines Lebens zwecks Begleichung von menschlichen Kollateralschäden zu ermitteln. Sicher ist nur eines: Die Herkunft des Opfers scheint doch einen erheblichen Einfluss auf die Summe zu haben. Libyen zahlte nicht weniger als 10 Millionen Dollar für jedes der vornehmlich US-amerikanischen und westeuropäischen Opfer des Lockerbie-Anschlags von 1988. Dafür kann man eine ganze Menge Afghanen über die Klinge springen lassen.

Im Oktober und November sollen die Afghanistan-Mandate im Bundestag verlängert werden. Die Chancen, dass die Parlamentarier sich nach dem Willen von fast zwei Dritteln der deutschen Bevölkerung richten und einen Abzug der Bundeswehr beschließen, stehen denkbar gering. Vielleicht wird bei dieser Gelegenheit aber wenigstens ein Fonds für die noch zu erwartenden Opfer aufgelegt - wundern würde mich gar nichts mehr, vor allem, wenn ich Sprüche höre wie vom FDP-Generalsekretär Dirk Niebel:
"So lange die Terrorgefahr fortbesteht, wird es sich leider vermutlich niemals verhindern lassen, dass auch unbeteiligte Personen gefährdet werden, wie es jetzt geschehen ist."
Er hätte auch gleich sagen können: Wo gehobelt wird, da fallen Späne.

1 Kommentar:

juwi hat gesagt…

Solange unsere Damen und Herren Politiker mit ihren Hintern fein im warmen Bundestag sitzen, können sie ja auch gut "Verantwortung übernehmen". Es sind ja schließlich nicht sie, sondern diejenigen, die sie nach Afghanistan oder sonstwohin schicken, die dann möglicherweise ohne Beine oder zerfetzt im Sarg zurückkehren. Und es sind ja nicht sie, sondern die Bürger Afghanistans, oder die in sonst irgendwelchen anderen Ländern, die von den dorthin geschickten Bundeswehrsoldaten umgebracht werden.

Wenn aus den derzeitigen kleinen Scharmützeln - 'tschuldigung: "verheerenden Angriffen" (schon merkwürdig, wie da mit Begriffen agitiert wird) - der Taliban irgendwann größere Gemetzel werden, die sich möglicherweise irgendwann zu richtigen Gefechten ausweiten, und die Bundeswehrsoldaten deshalb nachher vor lauter Angst auf alles schießen was sich bewegt (die Amis haben es ja vorgemacht, wie das geht), dann wird Frau Merkel letztlich doch noch bei den Hartz-IV Empfängern kürzen müssen, um die Opfer entschädigen zu können (dass die sich eigentlich nicht schämen zu glauben, man könne alles und jeden mit Geld kaufen!). Und wenn die Taliban irgendwann ihre Terroristen von Afghanistan nach Deutschland schicken, dann sollten sich Leute wie der Herr Nebel und seine politisch gleichgesinnten Kollegen schon mal warm anziehen!

Wenn er dann immer noch verkündet: "So lange die Terrorgefahr fortbesteht, wird es sich leider vermutlich niemals verhindern lassen, dass auch unbeteiligte Personen gefährdet werden, ...", dann könnte es passieren, dass die Angehörigen von deutschen Terroropfern die Hintern der Damen und Herren Politiker aus dem feinen, warmen Bundestag holen um sie für den Schlamassel zur Rechenschaft ziehen, in den sie uns gerade hineinreiten.

Nebenbei bemerkt: Wenn zwei Drittel der Bundesbürger gegen die Bundeswehr in Afghanistan sind, dann vermisse ich irgendwie den sonst so gern strapazierten "Auftrag des Wählers".