Donnerstag, 4. Juni 2009

The Versicherungskonzern formerly known as "Staat"

"Bitte ziehen Sie eine Nummer und warten, bis Sie aufgerufen werden" - ein Schild mit dieser Aufschrift sollte künftig in Peer Steinbrücks Vorzimmer hängen. Falls dieses Vorzimmer überhaupt noch groß genug ist für die vielen, vielen Bittsteller, die ein Almosen vom Staat erschnorren wollen: Während sämtliche Bankvorstände mit prall gefüllten Portemonnaies und zufriedenem Blick das Büro des Finanzministers bereits wieder verlassen haben, warten vor der Tür noch die Vertreter von Opel, Schaeffler, Porsche, Karstadt, Hertie usw. Das Staatssäckel wird allseits als unerschöpfliches Füllhorn angesehen - aus dem sich mittlerweile sogar die bedienen, die gar nicht in Schwierigkeiten stecken. So kann man davon ausgehen, dass auch Metro sich seine großzügige und selbstlose Arcandor/Karstadt-Rettungsaktion, die eher den Charakter eines günstigen Gelegenheitskaufs hat, vom Staat mitfinanzieren lässt.

Warum sonst will der Metro-Chef bei Steinmeier vorstellig werden, wenn es nicht um Staatsknete oder -bürgschaften ginge? Und, nebenbei, warum eigentlich bei Steinmeier - hat er die beiden SPD-Granden verwechselt? Naja, kann schon mal passieren, beide haben ungefähr denselben Grauton. Wie dem auch sei: Arcandor/Karstadt ist pleite - das zeichnete sich auch schon vor der Finanzkrise ab - und Metro nicht. Zu normalen Zeiten würde Metro den Konkurrenten übernehmen, fusionieren oder sich an dessen Insolvenzmasse bedienen - und dies alles natürlich selber finanzieren, Probleme gäbe es höchstens mit dem Kartellamt.

Aber die Zeiten sind nicht normal. Und so ist nun ein 300-Millionen-Euro-Kredit für Arcandor im Gespräch - nicht etwa, um damit die insolvente Kette direkt zu retten. Nein, das Geld soll - ich zitiere - den Konzern "in die Lage versetzen, mit der Kaufhof-Mutter Metro 'auf Augenhöhe zu verhandeln'" (Spon). Dafür gibt's jetzt also auch schon Steuergeld: Um den Einsatz im Übernahmepoker zu erhöhen.

Ich setze meine Stiefel und meine Farm in Texas!

Und wenn man in diesem Poker unterliegt, weil man etwa nur zwei Siebenen hat und der Gegner ein Full House auf den Tisch liegt, macht das auch nichts: Rennt man eben zu Onkel Steinbrück und fragt nach mehr Taschengeld. So haben sich sowohl Schaeffler als auch Porsche mit ihren größenwahnsinnigen Übernahmeplänen übernommen, sich also ohne Not aus purer Gier selbst in die Nesseln gesetzt. In einer gerechteren Welt würden sich Wiedeking und Schaeffler demnächst auf ein Dosenbier an der Trinkhalle treffen und sich gegenseitig erzählen, was für große Nummern sie früher mal waren. In dieser Welt hingegen soll es für missglückte Übernahmeschlachten nun Geld von... wem geben? Na, wer kommt drauf? Richtig.

Es ist schon fragwürdig genug, wenn der Staat plötzlich anfängt, Kredite zu vergeben, die Banken längst nicht mehr geben wollen. Was aber nun geschieht, ist die Umwandlung des Staates in einen gigantischen Versicherungskonzern - bei dem die Beitragszahler in aller Regel nicht die sind, die die Versicherungsleistung dann auch in Anspruch nehmen können. Es sei denn, man zählt mit, dass der Opelaner für seine vielen Steuergelder das Recht erwirbt, noch ein paar Jahre weiterarbeiten zu dürfen.

Konzernchef-Abenteuer-Spielset zum Selbermachen

Letztlich bedeutet das alles das Ende jeglichen unternehmerischen Risikos, das ja ohnehin schon auf die Beschäftigten abgewälzt worden ist. Es ist wie bei einem Computerspiel, bei dem man den aktuellen Stand abspeichert, bevor man sich einer schwierigen Aufgabe stellt - falls man scheitert und die Spielfigur dann tot ist, lädt man einfach den alten Spielstand neu. Und wenn man sich dann auch noch vorstellt, das beim Neuladen 500-Euro-Scheine aus dem Drucker kommen, fühlt man sich fast so wie der Arcandor-Chef. Solange es gut geht, verdienen sich Vorstände und Anteilseigner dumm und dämlich; und wenn was schiefgeht, springt der Staat mit Geld rettend ein, das er zuvor Fließbandarbeitern, Floristen und Friseurinnen abgenommen hat. Und wird dafür, wie man am Fall HRE gesehen hat, auch noch ausgebuht.

Irgendwie komisch, das alles - aber ich habe schon öfter erwähnt, dass ich kein Wirtschaftsexperte bin.

1 Kommentar:

Patrick hat gesagt…

Einfach geil der Post - genau so sehe ich das auch! Der "Staat" ist die Versicherung der Großkonzerne!