Donnerstag, 25. Februar 2010

Schnaps, das war ihr letztes Wort ...

Also, irgendwie blicke ich's nicht. Besoffen Auto zu fahren ist unverantwortlich - schon klar. Und wenn ein Prominenter angetrunken hinterm Steuer erwischt wird, berichten Medien gerne darüber - auch klar, interessiert die Leute ja, und sei es nur aus Häme; und für eine Meldung auf der Klatschseite reicht es allemal. Aber warum wird denn nun die Käßmann-Geschichte derartig aufgeblasen?

Seit Tagen jagt ein Aufmacher den nächsten, auf der gestrigen Pressekonferenz war die Bischöfin hinter der enormen Mikrofonbatterie kaum zu sehen und das Blitzlichtgewitter, das jedesmal einsetzte, wenn sie aufblickte, erreichte Lady-Di-haftes Niveau. Ich kann mich nicht erinnern, dass das bei den zahllosen CSU-Politikern, die in ähnlicher Situation ertappt wurden, auch so war. (Eine kleine Übersicht üer diese Fälle gibt es hier, wenn auch in anderem Zusammenhang.)

Also muss der Fall Käßmann irgendwie besonders geartet sein. Ich mag mich nicht allein mit Alice Schwarzers Erklärung begnügen, dass es daran liege, dass sie eine Frau sei - obwohl das bei der Medienschelte zumindest unterschwellig sicher auch eine Rolle gespielt hat. Nein: Es kommt mir vielmehr so vor, als gelte es in den Redaktionen, aus irgendeinem perversen Verständnis von Gleichbehandlung heraus jetzt auch mal auf der Evangelischen Kirche einzuprügeln, und da die nun mal weitaus weniger skandalträchtig ist, wird der erstbeste Anlass genommen, den man finden konnte.

Wenn die Dame jetzt so zerknirscht über ihren Fehler ist, dass sie auch noch ihren Rücktritt von allen Ämtern für geboten hält - bitte, ihre Sache; ich hätte es nicht verlangt. Dass jetzt ein kollektives Seufzen der Erleichterung über ihre "mutige Entscheidung" durch den Blätterwald rauscht, halte ich allerdings für reichlich übertrieben. Und verlogen. Es waren doch erst die Medien, die Käßmann einerseits in ihrer Eigenschaft als EKD-Ratsvorsitzende immer als moralische Instanz hingestellt und andererseits dafür gefeiert haben, dass sie gewissermaßen ein Mensch "wie du und ich" geblieben sei. Aber jeder Mensch macht schließlich mal einen Fehler.

Ihre "Authentizität" sei nun verloren, schwafelte gestern ein NDR-Reporter. Was ist denn authentischer, als einen über den Durst zu trinken und anschließend die Fahrtüchtigkeit zu überschätzen? Sie könne nun "ihre Vorbildfunktion nicht mehr wahrnehmen". Was denn für eine Vorbildfunktion? Wer nimmt sich denn eine Bischöfin zum Vorbild - und wofür? War sie bislang ein Vorbild für Alkoholabstinenz? Ich sag's ja nicht gern, aber Bushido dürfte für mehr Leute Vorbild sein als Käßmann.

Hätte Käßmann mal für eine "Don't drink and drive"-Kampagne geworben oder würde regelmäßig über die Sünde des Trinkens predigen, würde ich den Aufruhr ja verstehen. Überhaupt liest sich die Berichterstattung teilweise wie jene über US-Republikaner, die andauernd Werte wie "Ehe" und "Familie" propagieren und dann mit einer Prostituierten erwischt werden. Das ist dann allerdings wirklich eine Geschichte - im Gegensatz zu dieser merkwürdigen Sache.

Noch einmal: Ich verstehe auch keinen Spaß, wenn Leute besoffen Auto fahren, und sie mögen ihre gerechte Strafe in Form von Führerscheinentzug und saftigem Bußgeld erhalten. Aber mein Gott - in diesem Land darf man auf den Schwächsten herumhacken, sich von Lobbyisten kaufen lassen, offen über Verfassungsbrüche nachdenken und das Volk belügen und betrügen - und das alles, ohne dass gleich alle "Rücktritt!" schreien. Da fehlt mir irgendwie das rechte Maß


Na, vielleicht wird Käßmann ihre Karriere ja auch bald wieder fortsetzen können, wenn etwas Gras über die Sache gewachsen ist. So wie Otto Wiesheu. Der CSU-Mann fuhr 1983 volltrunken einen Rentner zu Tode - und wurde zehn Jahre später bayrischer Verkehrsminister.



Vgl. hierzu auch Juwi.

2 Kommentare:

Pathologe hat gesagt…

Frau Kaessmann muesste dann ja evangelische Paepstin werden. In 10 Jahren.

Dr. No hat gesagt…

Und ich freue mich auch als Ungläubiger jetzt schon darauf, mit Bier und Popcorn Zeuge dieses epochalen Ereignisses zu werden. ;-)