Samstag, 23. Februar 2008

Das Wort zum Wahl-Sonntag

Hugh - der Wähler wird sprechen. Wie bereits mehrfach in den letzten Monaten. Und er hat das behäbige Dreieinhalb-Parteiensystem des durchschnittlichen westdeutschen Landtages aufgebrochen - Die Linke ist da, steht in drei (ab morgen vermutlich vier) alten Bundesländern nicht mehr vor den verschlossenen Toren der Parlamente, nein: ein erklecklicher Teil der Wählerschaft hat ihnen die Türen geöffnet, sie hereingebeten, den Mantel abgenommen und gebeten, Platz zu nehmen. In der alten BRD vollzieht sich im 21. Jahrhundert eine politische Entwicklung, die in Ländern wie Frankreich, Italien und Spanien längst zum Alltag gehört.

Und erneut schäumt die politische Elite des Landes, spuckt Gift und Galle, als hätte sie unerschöpfliche Vorräte davon und schickt ihre gedungenen Lohnschreiber ins Gefecht, die in flammenden Artikeln vom Untergang der Demokratie schwadronieren. Nur der Tenor hat sich ein wenig geändert: Die Linke ist demnach nun nicht mehr bloß die Partei der Populisten und Frustrierten, sondern Vorbote für die drohende Weltherrschaft des Kommunismus, der plötzlich nun doch gar nicht so mausetot sei wie behauptet, sondern nur schlecht rieche. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man darüber lachen: Die etablierten Parteien machen sich in die Hosen.

Als Anlass für das aktuelle Aufflammen des allgemeinen Linke-Bashings wird das Kaninchen Christel Wegner aus dem Hut gezaubert. Spinner gibt es in jeder Gruppe, und die Linke hat sich der Frau ja auch umgehend entledigt. Diese Konsequenz hätte ich mir etwa auch einst beim Unions-Bubi Philipp Mißfelder gewünscht, der Alten künstliche Hüftgelenke verweigern wollte. Noch schlimmer als die Stasi-Mamsell findet die Elite allerdings das Ausscheren eines Mannes aus ihrer Mitte: Kurt Beck sagte, Andrea Ypsilanti solle sich doch auch ohne Mehrheit der Wahl zur Ministerpräsidentin im hessischen Landtag stellen. Wenn die Linke-Abgeordneten sie dann auch wählen - nun, dann sei es eben so. Viel mehr hatte das Ganze nicht zu bedeuten - dennoch wünscht sich Beck seitdem vermutlich in ein Erdloch à la Saddam, denn die Volksvertreter krempeln die Ärmel hoch, holen die Knüppel hervor und dreschen auf den SPD-Chef ein.

Gegenüber dem Spiegel äußert sich die CSU-Generalsekretärin Christine Haderthauer gar mit den Worten, es stelle sich die Frage, ob die SPD noch eine demokratische Volkspartei sei. Ist sie natürlich nicht - man erinnere sich an die Vorgänge um die Kandidatur von Andrea Nahles für das Amt der Generalsekretärin. Aber ob ein solcher Vorwurf ausgerechnet aus einer Partei kommen muss, die aufmüpfigen Landrätinnen hinterherspioniert, sei dahingestellt. Ihr CDU-Kollege Ronald Pofalla entblödet sich nicht, dem bräsigen Urnenpöbel seine pervertierte Auffassung von demokratischen Vorgängen zu erklären: Die Hamburger hätten jetzt "die einmalige Chance, über den Wortbruch von Herrn Beck und Frau Ypsilanti abzustimmen". Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen: Die Wähler in Hamburg sollen die politischen Verhältnisse in Hessen zur Grundlage ihrer Wahlentscheidung nehmen?! Vielleicht hat Pofalla einfach an dem Tag seine Tabletten nicht genommen, vielleicht braucht man aber auch nicht allzu viel politisches Verständnis, um zum hauptberuflichen Unions-Schmierlappen befördert zu werden.

Der Vollständigkeit halber: Auch die kleineren Parteien beteiligen sich munter am "Spiel nicht mit den linken Schmuddelkindern"-Reigen. Die Grünen sind stinkig, weil die Linken ihnen angeblich Stimmen wegnähmen. Stimmt aber zumindest in Niedersachsen und Bremen nicht - da haben die Grünen trotz des durchschlagenden Wahlerfolgs der Linken zuletzt ebenfalls zugelegt. Und die FDP ist sowieso am dauerschmollen, da sie keiner mehr braucht.

Der ganze Bohei dient letztendlich nur als Deckmäntelchen für eine nackte Erpressungsstrategie, die ja ohnehin die Arbeitsgrundlage in der Großen Koalition zu sein scheint. Heute ist eben mal wieder die CDU mit Drohen dran. Die SPD wäre schön blöd, ließe sie sich derart breitschlagen - was bei dieser Partei aber auch nicht überraschend wäre. Und wenn es nach diesem hochgekochten Skandälchen tatsächlich wie angedroht zum Bruch der großen Koalition kommen sollte? Dann gäbe es wohl Neuwahlen - und das wäre demokratischer als das ganze Kasperletheater der letzten Wochen, Monate und Jahre im Umgang mit der Linken. Oder man hält es mit Bertolt Brecht: "Das Volk hat das Vertrauen der Regierung verscherzt. Wäre es da nicht doch einfacher, die Regierung löste das Volk auf und wählte ein anderes?"

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