Sonntag, 26. September 2010

Hier, bitteschön - aber vertrink nicht alles auf einmal!

Mein 500. Post. Hurra. Habe überlegt, ob ich was feierliches poste, ein Flashfeuerwerk oder so, aber sei's drum: Es gibt ja eh' nichts zu feiern. Oder vielleicht doch? Immerhin gibt es jetzt fünf Euro mehr Alg II. Super. Das ergäbe eine schöne Umfrage: Wofür haue ich den zusätzlichen Heiermann auf den Kopp? Leiste ich mir zweimal in der Woche ein zusätzliches Brötchen? Oder alle zwei Monate Kino? Oder zur Abwechslung einmal einen Wein, der sich in einer Flasche befindet und nicht im Tetrapak? Oho, da habe ich ja schon mein Thema.

Wild wurde zuletzt herumdiskutiert, ob Hartz-IV-Empfänger ein "Recht auf Rausch" hätten. Dabei handelte sich von vornherein bloß um eine geschickt konzertierte Aktion zwischen reaktionärer Presse und neoliberaler Regierung: Nachdem das Verfassungsgericht die Neuberechnung des Hartz-IV-Satzes eingefordert hatte, stürzten sich Politiker wie auch Redakteure im Ansinnen, möglichst gut ausschlachtbare Argumente gegen Erhöhungen zu finden, auf die prozentual aus den Grundbedürfnissen der Empfänger hergeleitete Zusammensetzung des Betrags. Natürlich nur aus den wichtigen Bedürfnissen, versteht sich. Bildung war gar nicht erst dabei; Hobbies sollten nicht mehr als 1,32 Euro kosten. Und was ist mit Alkohol?

Der befand sich, ebenso wie Tabak, bislang im Posten für Nahrungsmittel. Wer dies nun in Frage stellt, tut das aus einem einzigen Grund: Er sucht nach Kürzungsansätzen oder zumindest nach Möglichkeiten, eine Erhöhung, wenn sie denn schon sein muss, so gering wie möglich ausfallen zu lassen. Denn die Zusammensetzung des Regelsatzes war und ist lediglich eine Rechengröße zur juristischen Legitimierung der Betragshöhe (was ja super geklappt hat, nebenbei bemerkt) - nicht mehr und nicht weniger. Im alltäglichen Leben der Empfänger spielt diese Aufschlüsselung keine Rolle: Entweder das Geld reicht, oder es reicht eben nicht.

Wer von Alg II leben muss, muss zusehen, dass er seine Grundbedürfnisse wie Nahrung und Energie davon finanzieren kann, am besten sogar bis Monatsende. Wenn irgendetwas dazwischenkommt, etwa eine Krankheit mitsamt Praxisgebühr und Medikamentenkosten oder ein kaputter Kühlschrank, dann sieht's schlecht aus. Sonderausgaben muss man sich zumeist vom Mund absparen, da ist es scheissegal, dass der Gesetzgeber 1,44 Euro pro Monat für diesen Fall vorgesehen hat. Genauso verhält es sich mit den angedachten Posten für Alkohol und Tabak: Auch die sind lediglich statistische Größen, die ein Abbild eines "normalen" Konsumverhaltens darstellen sollen. Vermutlich hätte der Posten für Tabak so etwa 3,87 Euro betragen, eine Summe, über die jeder Raucher herzlich lachen wird.

Aber egal, ob es sich nun um eine abstrakte Größe handelt oder nicht: Mit nichts lässt sich so gut Stimmung machen wie mit Saufen und Rauchen, das gilt in jeder Hinsicht. Die Herumdiskutiererei darüber, ob Hartz-IV-Empfänger ein Anrecht auf Bier haben oder nicht, ist vollkommen unsinnig, denn die Posten im Regelsatz sind ja nicht verbindlich. Darüber zu debattieren dient nur dem üblichen Zweck: Den Sozialneid zu schüren, was besonders gut bei denen funktioniert, die ständig in dem Gefühl leben, sich ihr Feierabendbier sauer verdient zu haben. Womit wir beim typischen Bild-Leser angekommen wären.

Dass die Blödzeitung diese Chance nicht ungenutzt lässt, um mal wieder das Feindbild des den lieben langen Tag Dosenbier saufenden und selbstgedrehte Fluppen qualmenden Standardarbeitslosen zu bemühen; gleichzeitig aber seinen Chefkolumnisten (hrhrhr) Wagner auf die Tränendrüse drücken und das Recht auf ein bisschen Genuss einfordern lässt, ist nur ein weiterer Beleg für die grenzenlose Verlogenheit des Blattes. Dass Qualitätsmedien wie Deutschlands führendes Nachrichtensarrazin "Der Spiegel" begeistert auf diesen Zug nach Nirgendwo aufspringen, ist dabei auch nichts Neues; ebenso wenig, dass das Blatt die Schraube noch weiter andreht und von "Recht auf Schnaps" schreibt.

Und nun? Sieg auf der ganzen Linie Aquavit für die Scharfmacher der Nation: Die Hartz-IV-Erhöhung fällt so gering aus wie nur möglich, ohne dass es komplett verächtlich wirkt; von einem Posten für Alk und Tabak ist keine Rede mehr, was vermutlich als Argument für die Niedrigkeit der Erhöhung herhalten muss; und der Volkszorn ist erfolgreich zu einem Grad hochgekocht worden, dass eine Mehrheit angeblich sogar gegen jede Erhöhung ist - so jedenfalls eine von der Bild in Auftrag gegebene Umfrage. Wenn das stimmen sollte, würde es dringend benötigte Pluspunkte für Ursel aus dem sozialen Eis und die Regierungskoalition bedeuten; und wenn es nicht stimmt - nun, dann ist man trotzdem so billig wie möglich aus der Nummer herausgekommen.

Und der Kampf geht ja sowieso weiter. Also nicht der gegen die Armut, sondern der gegen die Armen.

2 Kommentare:

juwi hat gesagt…

Lumpige 17 Cent pro Tag sind das ... - also bloß nicht so schnell ausgeben den unverhofften Reichtum, sondern erst mal sparen. Am Ende der Woche reicht's dann für ein Pfund Schwarzbrot extra - allerdings ohne Extrawurst. Und für 'ne Woche reicht das Schwarzbrot irgendwie auch nicht.

Aber schön, dass wenigstens die Banker wieder fette Boni einsacken können, und dass dann immer noch genug für Atom- und Kohlekraft-Subventionen übrig bleibt. Und der Afghanistan-Krieg muss ja auch irgendwie finanziert werden ...

Dr. No hat gesagt…

Der nächste logische Schritt wäre dann, die Hartz-IV-Empfänger nach Afghanistan zu schicken, damit sie auch mal was tun für ihr Geld.

(Hoffentlich liest keine Wespe mit - die nehmen diese Idee nachher auch noch auf.)