Donnerstag, 30. September 2010

Mach Männchen! Sitz! Fass! Tweet!

Seit Tagen macht bei Twitter die Behauptung die Runde, dass der Tagessatz für Nahrung bei Hartz-IV-Empfängern unterhalb des Tagessatzes eines Polizeihundes läge, der Langzeitarbeitslose dem Staat mithin also weniger wert sei als ein Deutscher Schäferhund.

Das stimmt offensichtlich nicht: Der Arbeitslose ist immerhin noch soviel wert wie zwei Hunde. Die Leute sind reihenweise darauf hereingefallen - ich leider auch. Habe mich ziemlich echauffiert und komme mir nun vor wie eben so ein Polizeihund, der auf Zuruf "fasst". Was sagt das nun aus? Über mich wenig. Über die gesellschaftliche Stimmung aber eine Menge.

Für mich persönlich nehme ich es als Signal, mich medienkompetenztechnisch wieder stärker am Riemen zu reißen: Behauptungen erstmal hinterfragen, Belege einfordern oder selbst suchen, Meldungen kritisch auf Wahrheitsgehalt abklopfen. Manchmal lässt man solche Dinge einfach schleifen, wenn man zu sehr in den Alltagstrott abgleitet; einfach, weil man gar nicht die Zeit hat, hinter jeder Nachricht herzurecherchieren.

Aber was kann man aus dieser Geschichte ganz allgemein schließen? Ganz einfach: Dass die Leute sich schlicht gar nicht mehr darüber wundern würden, wenn es denn so wäre.

Dass Hartz IV äußerst knapp bemessen ist, weiß jeder; und dass es zur Polizeihundeversorgung ein umfangreiches Regelwerk geben muss, davon geht man in Deutschland einfach aus. Vermutlich haben die Köter sogar Pensionsansprüche. Also glaubt man es zunächst unbesehen, dass den treuen Vierbeinern mehr Geld zugebilligt wird als Langzeitarbeitslosen.

Da wird lang und breit herumdiskutiert, ob Hartz-IV-Empfänger ein "Anrecht" auf Alkohol und Tabak hätten. Über die geballte Hinterfotzigkeit dieser zur "Gesellschaftsdebatte" hochgesexten Frage habe ich mich ja bereits ausgelassen; nun fällt mir auf, das einzelne Beiträge zu dieser Diskussion  in demselben Duktus abgefasst waren, in dem man darüber sinnieren würde, ob man Hunde auch nur mit Essensresten füttern kann.

Schließlich wurden die eher gefühlsmäßigen Reaktionen auf die betreffende Twitternachricht auch noch durch den Tonfall gestützt, der hierzulande gegenüber Hartz-IV-Empfängern längst salonfähig geworden ist. Wie ernähren wir unsere Arbeitslosen am besten? Was brauchen sie, um fit zu bleiben und ein glänzendes Fell zu behalten? Und brauchen sie das überhaupt? Und so weiter. Wen sollte es da überraschen, wenn Arbeitslose sozialpolitisch offiziell noch unter Hunden rangieren würden?

Insofern war dieser Hoax sicher heilsam. Und so ganz verkehrt war er auch nicht: Denn auch wenn das Arbeitsministerium Hartz-IV-Empfänger ernährungstechnisch nicht unter-, sondern oberhalb von Hunden ansiedelt - weit oberhalb ist es nicht.

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