
Aber sei's drum. Interessanter ist, wer hat sich alles mit Schaum vor dem Mund im Bundestag zu Wort gemeldet hat. Mal sehen, wie viele davon Sie kennen: Jörg Tauss, Carl-Christian Dressel, Stephan Hilsberg (alle SPD), Thomas Strobl (CDU), Wolfgang Wieland (Grüne), Christoph Waitz (FDP). Das ist, ähem, nicht gerade die erste Liga der Parlamentarier. Die Vorwürfe, die diese Hinterbänkler hinaustrompetet haben, sind dafür um so stärkerer Tobak: "Gregor Gysi hat für das Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet - das ist erwiesen", erdreistete sich der Tauss zu behaupten. Gysi habe "aufs engste mit dem MfS zusammengearbeitet", polterte Hilsberg. Und Strobl, der es vielleicht nicht so mit Wortgewandtheit hat, sprach einfach von "Sauerei".
Als Kronzeugin wird Marianne Birthler vor die Kamera geholt, die schon einmal für effekthascherische Schnellschüsse aufgefallen ist und die es ohnehin manchmal mit den IM-Vorwürfen nicht so genau nimmt. Das Ganze TV-gerecht aneinandergereiht, mit vorverurteilenden Andeutungen und suggestiven Formulierungen über die Reaktion Gysis angereichert und mit einer Prise Kleber'scher Selbstverliebtheit präsentiert - fertig ist der ZDF-Aufmacher. Und so jemanden wollte der Spiegel als Chefredakteur haben?
Dass es vornehmlich unbekannte Provinz-Politiker waren, die gestern im Bundestag ihr Haar geschüttelt haben, war im übrigen sicherlich kein Zufall. Die Partei-Prominenz hat aus gutem Grund Zurückhaltung geübt. Zwar haben Westerwelle, Schäuble und Schily vermutlich wutentbrannt jaulend an ihren Ketten gezerrt und wollten auch mal nach vorne, aber letztlich wussten sie genau: Was gegen Gysi vorgebracht werden kann, sind bislang unbewiesene Vorwürfe, aus denen einem jeder Jurastudent im ersten Semester einen Strick drehen kann.
In diesem Land hat man nämlich immer noch als unschuldig zu gelten, solange die Schuld nicht bewiesen ist. Stellt sich demnächst heraus, dass Gysi tatsächlich nicht für die Stasi gearbeitet hat, könnte das schließlich dem Ansehen des einen oder anderen Fraktionsvorstandes schaden - also schickt man lieber diejenigen in den Ring, die gar kein Ansehen zu verlieren haben, auf dass sie sich benehmen wie in einer Art Mischung aus Kindergarten und Volksgerichtshof.
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