Samstag, 31. Juli 2010

Wer befreit mich von diesem lästigen Polizisten?

Eigentlich wollte ich nichts zum Loveparade-Unglück schreiben - zu sehr widert mich das allseitige Schwarzer-Peter-Geschachere an. Aber über die Duisburger CDU muss ich nun doch ein Wörtchen verlieren, denn auf welch würdelose Weise die sich aus dem Netz von Schuldzuweisungen und Verantwortungs-Wegschiebereien herauszuwinden versucht, ist in seiner Erbärmlichkeit kaum mehr zu fassen. Über Nacht peinlich gewordene Online-Inhalte klammheimlich von der Seite zu nehmen würde ja kaum mehr verwundern, das ist ja mittlerweile schon Volks(partei)sport - aber stattdessen die Besucher auf dermaßen plumpe Art für dumm zu verkaufen, dazu gehört schon eine Menge Arroganz.

Auf der Webpräsenz des Duisburger Kreisverbandes der CDU findet sich ein Text des Vorsitzenden (und ehemaligen Bundestagsabgeordneten) Thomas Mahlberg vom Februar 2009, in welchem dieser den Innenminister Nordrhein-Westfalens, seinerzeit Ingo Wolf (FDP), dringend um die Ablösung des Polizeichefs Rolf Cebin bat. Der Spielverderber Cebin hatte ernste Sicherheitsbedenken, was die Durchführung der Loveparade in der Stadt überhaupt anging und daher eine Absage der Veranstaltung empfohlen. Dafür sollte ihn, so forderte Mahlberg kaum verhohlen, eine sofortige Versetzung, der baldige Ruhestand oder zumindest der Blitz beim Scheißen treffen.

Den Text hatte ich mir vor wenigen Tagen per Fireshot gesichert, weil ich vermutete, dass er - nachdem er bald nach der Katastrophe am Tunnel fleißig getwittert wurde - vom Webmaster gelöscht werden würde. Ist erstaunlicherweise bislang nicht geschehen (allerdings haben sie die Werbung für Adolf "Einer von uns" Sauerland heruntergenommen); der Kreisverband setzt dafür lieber auf eine nachgeschobene Erklärung - da wäre es natürlich verdächtig, wenn man den ursprünglichen Text, auf den sich der neue bezieht, einfach verschwinden lassen würde. Stattdessen ist es nun für jeden, der es wissen will, erkennbar, auf welch billige Weise die Duisburger CDU versucht, aus der Nummer herauszukommen.

Den neuen Text (den ich mir ebenfalls sichern werde, man weiß ja nie) muss man gar nicht komplett lesen, der erste Satz reicht:
"Der Vorsitzende der Duisburger CDU Thomas Mahlberg weist darauf hin, dass ein Schreiben von ihm im Februar 2009 an den Innenminister Dr. Wolf offensichtlich sinnentstellt wiedergegeben wurde."

Aha. "Sinnentstellt wiedergegeben" also. Wir erinnern uns: Es handelte sich um einen Brief, der da online gestellt worden war. Einen BRIEF. Inklusive Anrede und Verabschiedung. Auf welche Weise, frage ich mich, soll sich denn da eine Sinnentstellung eingeschlichen haben? Vielleicht bei der Wiedergabe der Passage:
"Am vergangenen Wochenende lies [sic] die Duisburger Polizei nunmehr erklären, eklatante Sicherheitsmängel stünden einer Durchführung der Love Parade in Duisburg im Jahre 2010 entgegen. Während der Veranstalter der Love Parade noch nicht einmal eine Strecke angemeldet hat und die Gespräche zwischen Stadt und Veranstalter geführt werden, sagt Herr Cebin ab [sic], wenn man die Presseberichterstattung richtig interpretiert, die Love Parade für Duisburg ab."
Oder vielleicht hier:
"Der neuerliche Eklat veranlasst mich zu der Bitte, Duisburg von einer schweren Bürde zu befreien und den personellen Neuanfang im Polizeipräsidium Duisburg zu wagen"? 
Hm - scheint mir in seiner Aussagekraft eigentlich recht eindeutig zu sein: Der Polizeichef hält es für zu gefährlich, eine bestimmte Veranstaltung abzuhalten, daraufhin fordert der Politiker dessen Entfernung aus dem Amt. Inklusive der folgenden Katastrophe ein klassisches Hollywood-Drehbuch, vermutlich verhandelt Spielberg schon um die Rechte. Entstellen kann man da allerdings nicht viel, und Mahlberg bleibt auch den Beleg schuldig, wo genau denn etwas auf welche Weise verfälscht worden sei. Auch nicht schlecht: Da argumentiert einer an der einen Stelle mit eigenen Interpretationen und beklagt sich an anderer Stelle über unbewiesene Sinnentstellungen. Wer im Glashaus sitzt...

Im Ernst: Das kauft ihm doch niemand ab, der halbwegs bei Verstand ist. Der Hintergedanke so einfach strukturiert, dass man sich fragt, für wie blöd die CDU ihre Leser hält: Sie setzt schlicht darauf, dass nur wenige zusätzlich zu dieser neuen Zurückruder-Urkunde auch den Text vom Februar 2009 gelesen haben. Den, der es in sich hatte; den, in dem Mahlberg klang wie eine provinzpolitische Ausgabe des englischen Königs Heinrich II., der - reichlich angepisst vom Erzbischof Thomas Becket - ausgerufen haben soll: "Wer befreit mich von diesem lästigen Priester?" Ein paar Ritter taten ihm den Gefallen und erschlugen Becket.

Eine Geschichte von shakespeareskem Zuschnitt. Allerdings mit einem Unterschied: Heinrichs II. Machtstreben kostete in diesem Zusammenhang ein Menschenleben. Die Geltungssucht und die Ignoranz der Duisburger Stadt- und CDU-Oberen gleich 21.

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