Montag, 19. Juli 2010

Dein digitaler Freund und Helfer

... und wenn wir schon wieder das Thema "Internetzensur" hervorkramen, können wir uns bei dieser Gelegenheit ja auch weiteren heißen Eisen widmen: Der Überwachung und den Onlinedurchsuchungen. Der Vorsitzende des Bundes deutscher Kriminalbeamter (BDK) Jansen stellt skurrille Forderungen für die Nutzung des weltweiten Netzes auf, dem er eine Zerstörungskraft wie die von Atombomben beimisst. Der Gedankengang liest sich in etwa so schlüssig wie eine sonntagnachmittägliche Gardinenpredigt in einer vom Internet abgeschnittenen Dorfkneipe nach dem 15. Glas Korn.

Sowas kann sich kein Satiriker ausdenken: Als Alibi für die Forderung nach der Befugnis, auf private Rechner zugreifen zu können, gibt der oberste Schnurrbartträger an, man wolle auf diese Weise Viren und andere Schadprogramme vom PC des Bürgers und Steuerzahlers entfernen. Das ist aber nett! Das finde ich richtig reizend - dann muss ich mich ja gar nicht mehr darum kümmern. Mein Freund und Helfer! Ein kleiner Hinweis, liebe Onkel Polizisten: Dateien mit der Endung *.mp3 sind keine Schädlinge, egal was Sony euch erzählt.


Nun sind leider sogar die Experten von Norton, McAfee oder Kaspersky oft nicht in der Lage, Malware rückstandsfrei zu beseitigen. Bei bestimmten Virenverseuchungen hilft nur noch die Formatierung der Festplatte, und das anschließende Neuaufsetzen des Systems dauert i.d.R. einen ganzen Tag. Schön, dass die Polizei mir dieses Ärgernis abnehmen möchte. Und bitte keine Beschwerden, wenn man am Morgen vor der Abgabe der Magisterarbeit von der fröhlichen Botschaft auf dem Rechner begrüßt wird: "Wir haben auf ihrer Festplatte einen sogenannten Keks gefunden. Zu Ihrer Sicherheit haben wir alle Word-Dokumente gelöscht. Ihre Kriminalpolizei." Sie meint es nur gut.

Geschehen muss jedenfalls etwas, und zwar bald. Schließlich stehe im Internet nichts weniger das Gewaltmonopol des Staates auf dem Spiel, so der BDK-Chef. Okay, wenn man mal ein paar Minuten bei einer Onlinepartie "Counterstrike" oder "WoW" zuschaut, könnte man das fast glauben. In diesem Land dürfen aber, wegen 1933-1945, nur Beamte Orks erschlagen. Das ist ja schließlich keine Bananenrepublik hier, wo kämen wir da denn hin. Der nächste Schritt der Eskalation wäre dann, dass wütende Nerds bei einer Demo für Kinderpornos mit ihren mobilen Festplatten auf weinende Polizisten eindreschen. Soweit darf es nicht kommen!

Schön ist auch diese Stelle: "Was wir brauchen, ist ein verlässlicher Identitätsnachweis im Netz. Wer das Internet für Käufe, Online-Überweisungen, andere Rechtsgeschäfte oder Behördengänge nutzen will, sollte sich zuvor bei einer staatlichen Stelle registrieren lassen müssen." Man beachte: Es geht darum. was die brauchen, nicht was der Bürger braucht. Nach einem Perso für das Netz habe ich jedenfalls noch niemanden schreien hören, und bislang musste ich mich auch an keinem Kiosk ausweisen. Warum sollte ich mich denn bei einer staatlichen Stelle registrieren, wenn ich bei Amazon einkaufen will, wenn nicht zu dem Zweck, dass der Staat wissen will, was ich kaufe, z.B. eine DVD von Georg Schramm, was mich zweifellos zu einem gefährlichen Subjekt machen würde?

Von dem geforderten Zugriff auf Accounts bei Social Networks mal ganz abgesehen. So etwas zu wollen wirkt nicht nur ein bisschen wie das feuchthändige Blättern im geklauten Tagebuch des Nachbarmädels. Ich habe irgendwo den schönen Begriff der digitalen Hausdurchsuchung gelesen, der die Sache einigermaßen auf den Kopf trifft, nur in einem Punkt nicht: Eine richtige Hausdurchsuchung bekommt man normalerweise mit. Was hier geschieht, in Kombination mit dem Onlinezugriff auf die heimische Platte, dürfte weitaus mehr Effekt auf die Befriedigung voyeuristischer Neigungen der Beamten als auf die Verbrechensbekämpfung haben.

Das Internet - ein Tummelplatz von Schwerverbrechern, die nur darauf warten, die Zivilisation als solche zu vernichten. Da hilft laut Jansen nur eines: Ein Resetknopf für den Notfall. Das klingt ähnlich schlau wie die Idee mit dem Amok-Button, ist aber viel realistischer: Das mit dem Reset funktioniert schließlich auch, wenn Karlheinz aus der Buchhaltung mal wieder seinen Rechner zum Absturz gebracht hat - ein Druck aufs Knöpfchen, und alles ist wieder da, mit Ausnahme der Dokumente, die zuvor nicht gespeichert wurden. Der Knopf, der dem BKA wohl vorschwebt und der vermutlich im Bundeskanzleramt installiert werden soll, würde das Internet bei Betätigung auf den Stand von 1992 zurückversetzen. Als die Welt noch in Ordnung war und sich die Gauner in dunklen Seitenstraßen herumtrieben, wie sich das gehört.

Und so jemand wirft der Politik "Unvermögen" vor. Allerdings - in einem Punkt hat der Kriminalist recht: Das Interner HAT die Zerstörungskraft einer Atombombe. Man muss nur "google" bei google eingeben.


Sehr schön auch das hier.

Keine Kommentare: