Mittwoch, 27. Oktober 2010

Localize it

Liebe NWZ: Dein Bestreben, das große, große Weltgeschehen nach Möglichkeit auf dein kleines Verbreitungsgebiet runterzubrechen, sei dir unbenommen; das machen schließlich viele Zeitungen. Aber nicht jede macht sich dabei derartig lächerlich wie du: "Funkerin aus Elsfleth lotst Marine zum Geisel-Schiff" titelst du am Dienstag, dankenswerterweise (noch) ohne abschließendes Ausrufezeichen, und die paarhundertfuffzich Leser aus dem genannten Kaff in der Wesermarsch freuen sich bestimmt wie Bolle und finden dich dafür total dufte. Was macht es da schon, dass die Dame mit Elsfleth soviel zu tun hat wie... nun, sagen wir: Wie der Nobelpreisträger Harald zur Hausen mit dem südoldenburgischen Vechta. Der gebürtige Gelsenkirchener hatte dort in den 50ern lediglich die letzten Schuljahre bis zum Abitur hinter sich gebracht - was dich aber nicht daran hinderte, 2008 triumphierend "Nobelpreisträger aus Vechta" zu titeln.

Dass die Bindung der genannten Funkerin mit dem Städtchen an der Unterweser keine allzu enge ist, erfährt der aufmerksame Leser schon während der Lektüre deines Aufmacherreißers: "Den Kontakt mit der Reederei [...] hielt die zweite nautische Offizierin, die in Elsfleth ihre Ausbildung absolviert hat." Hm - das ist dann eigentlich schon weniger spektakulär, denn es gibt in Deutschland ohnehin nur eine Handvoll Standorte, wo man bzw. frau diese Ausbildung überhaupt absolvieren kann. Dazu zählt auch die Elsflether Seefahrtschule - deren StudentInnen allerdings kommen, wie bei jeder Hochschule, von überall her. Die betreffende Offizierin etwa aus dem Raum Aachen.Weshalb das dortige Lokalkäseblatt vermutlich "Funkerin aus Aachen lotst Marine zu Geisel-Schiff" getitelt hat. Ich habe jetzt aber keine Lust nachzugucken.

Lokalisier dich oder ich fress' dich

Dass der auf diese Weise per Brechstange hergestellte Lokalbezug im Grunde ein wenig, nun ja: peinlich wirkt, scheinst du, liebe NWZ, dann auch selbst gemerkt zu haben und betonst in einem nachgeschobenen Artikel zumindest, dass die Dame immerhin eine "Bremerin" sei - obwohl dich in Bremen streng genommen eigentlich niemand liest und die Hansestadt ja im Sinne des von dir ständig bemühten Regionalpatriotismus im Grunde Feindesland ist. Und verwunderlich ist ihre derzeitige Wohnortwahl nun auch nicht gerade, da die Reederei, bei der sie beschäftigt ist, dort ihren Sitz hat.

Das ficht dich natürlich nicht an: Menschen, die irgendwie im Rampenlicht stehen, werden von dir zwangseingebürgert, bis die Schwarte kracht. Gut: Immerhin bringst du mich damit regelmäßig zum kichern, wenn ich dich da so am Kiosk liegen sehe. Aber seien wir mal ehrlich: Das geht auch besser, oder? Schließlich darf man davon ausgehen, dass die Dame irgendwann während ihrer nautischen Ausbildung in Elsfleth eine NWZ-Ausgabe in der Hand hatte. Außerdem hat ihre Funktätigkeit offenbar dazu beigetragen, dass die - sicherlich bewaffneten - Piraten frustriert das Schiff verließen.Was für eine Schlagzeile verwendet der wirklich ausgefuchste Journalist Redakteur Schreiberling da? Natürlich:

"NWZ-Leserin schlägt schwerbewaffnete Piraten in die Flucht!"
Am besten mit einer zusammengerollten Zeitung. Das kann man ja für's Foto auch nachstellen.

Wer A sagt...

Also, liebe NWZ: Was du da betreibst, um einen wie auch immer gearteten Bezug des verschlafenen Nordwestens zur großen weiten Welt zu konstruieren, ist eher unfreiwillig komisch als berichterstattungstechnisch belastbar. Ich hoffe, du ziehst das auch konsequent durch, wenn... mal überlegen... wenn sich etwa ein verkrachter Wanne-Eickeler Konvertit, der dereinst seine zweiwöchige Schulfreizeit  im erzkatholischen Cloppenburg verbrachte, einer terroristischen Truppe aus, sagen wir: Usbekistan anschließt, sich dann beispelsweise vor einem US-Militärstützpunkt in Pakistan in die Luft sprengt und in seiner Abschiedsrede den iranischen Präsidenten Ahmedinedschad preist, was umgehend zu US-Luftschlägen auf die Atomanlage in Buschehr führt. Die Titelzeile ist dann wohl gesetzt: "Cloppenburger löst neuen Golfkrieg aus!"

Aber irgendwie glaube ich nicht wirklich daran, dass du das tun würdest.

4 Kommentare:

Größenwahn-Impi hat gesagt…

Einer der wenigen Gründe, berühmt zu werden (also neben dem Geld und den Frauen) ist der, sich trefflich darüber zu amüsieren, welches kleine Nest sich so alles auf meine Person beziehen würde. 8)

Dr. No hat gesagt…

Hmm. Warst du in deiner Bremer Zeit vielleicht mal in Oldenburg? So vielleicht mal einen Samstagabend? Dann möchte ich, sobald du berühmt bist, gerne das fällige Portrait über dich schreiben und es hier an die üblichen Verdächtigen verticken. Titel: "Oldenburger erobert die Welt!"

Cyrano de Impi hat gesagt…

Besser! Eines meiner unzähligen Ex-Weibchen hat in Oldenburg studiert. Zwar war sie zu dem Zeitpunkt bereits nicht mehr mit mir liert, aber hey:

"Die Welt gewonnen, aber das Herz in Oldenburg verloren!"

Dr. No hat gesagt…

Das ist wahrlich nicht zu toppen! (Verneige mich in Ehrfurcht)
;-)