Als ich neulich äußerte, die Nichtbelegung von Zitaten mache aus Guttenberg zunächst lediglich einen untauglichen Wissenschaftler, aber nicht zwangsläufig und automatisch einen untauglichen Politiker, war allgemein noch die Rede von zwei, drei fragwürdigen Stellen. Mittlerweile steigt der Prozentsatz des Teils seiner Dissertation, der mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit abgekupfert ist, schneller an als die Schuldenuhr der Republik. Sogar in der Einleitung gibt es offenbar geklaute Passagen. Es handelt sich hierbei nicht um eine Lappalie, sondern um einen Skandal, der kein anderes Ende zulässt als dasjenige seiner Politikerkarriere. Ich erkläre auch gerne, warum. Das dauert nämlich gar nicht lange, denn es gibt nur zwei Möglichkeiten:
- Guttenberg hat die Arbeit selbst, ähem, "verfasst" - was nach aktuellem Stand bedeutet: wie ein Blöder die Ergebnisse der Arbeit anderer geklaut. Wenn der derzeit im Gespräch befindliche Umfang der Plagiate auch nur zur Hälfte nachweisbar ist, reicht das völlig aus, um Vorsatz zu unterstellen; niemand, auch nicht der unbedarfteste Erstsemester, würde so schludrig arbeiten.
- Guttenberg hat die Arbeit nicht selbst, ähem, "verfasst" - sondern ein bezahlter Ghostwriter. Hätte man beizeiten herausfinden können, indem man ihn gezielt über inhaltliche Aspekte seiner Arbeit befragt.
Beides läuft auf dasselbe hinaus, nämlich dass er sich den Doktortitel erschlichen hat (die zweite Variante mit dem lustigen Nebeneffekt, dass Gutti nicht nur seinen Geschäftspartner für die miese Qualität seiner Dienstleistung nicht belangen kann, sondern trotz des Desasters weiterhin von jenem erpresst werden könnte), während jedem Studenten die Exmatrikulierung droht, sollte er auch bloß beim Vordiplom bei sowas ertappt werden. Aber Betrug bei der Promotion kommt nun nicht selten vor, auch bei Politikern. Könnte man notfalls mit einem "Wer's braucht..." abtun, auch wenn es unsagbar peinlich ist.
Aber Guttenberg ist weit davon entfernt, irgendetwas zuzugestehen, sondern ging gleich in die Gegenoffensive nannte die Plagiatsvorwürfe "abstrus", räumte lediglich "vereinzelt nicht korrekt gesetzte Fußnoten" ein und bekräftigte unmissverständlich, dass es sich um seine "eigene Arbeit" handele. Hiermit hat sich der Minister über die Grenze ins Land der Lügen begeben - oder, genauer gesagt: Entweder er oder aber die vielen verschiedenen Leute, die derzeit damit beschäftigt sind, die Plagiate akribisch zu dokumentieren. Letzteres indes ist bei klarem Verstand nicht vorstellbar. Und aus dem Land der Lügen gibt es für hochrangige Politiker in aller Regel keine Ausreisegenehmigung.
Aber wie immer stellt Guttenberg auch hier offenbar die Ausnahme dar: Andere Politiker werden für sowas aus dem Dorf getrieben - er nicht, dafür sorgen seine Fans in den Redaktionen. Er "verzichtet auf den Doktortitel", heißt es nun unisono, seine Partei ist "erleichtert", er kann sich jetzt wieder "auf sein Amt konzentrieren" - irgendwer hat bestimmt auch eine Formulierung wie "große Geste" oder so benutzt. Es zeichnet sich langsam, aber deutlich ab: Das Thema ist durch, die Luft entweicht aus dem Ballon, die Party ist vorbei und die Reste zusammengekehrt. What the fuck?
Seit wann kann man auf etwas "verzichten", was man offenbar nicht legitim erworben hat?
Wie kann ein Umstand gestern ein "abstruser Vorwurf" und heute ein "handwerklicher Fehler" sein?
Und wieso, verdammte Naht, gibt es für diesen zusammenkopierten Wisch von der Uni auch noch ein "cum laude"?
Insbesondere dieser letzte Punkt lässt dauerhaft Fragezeichen über meinem Kopf erscheinen. Ich glaube nicht, dass an der Uni Bayreuth niemand befähigt ist, den wissenschaftlichen Wert einer Dissertation richtig einzuschätzen. (Falls doch, gebe ich dort demnächst meine eingene Magisterarbeit ab und kassiere dafür ebenfalls einen Doktortitel - da spare ich eine Menge Arbeit.) Die andere Erklärung wäre allerdings weitaus unappetitlicher: Die Befürchtung, dass - nun ja, der gesellschaftliche Rang des Freiherrn und sein nicht unbedeutendes Gewicht innerhalb der CSU ausschlaggebend dafür gewesen sein könnten, dass nicht nur auf lästiges Überprüfen der wissenschaftlichen Seriösität der Dissertation weitgehend verzichtet wurde, sondern auch das Prädikat "cum laude" schnell von der Hand ging.
Die ganze Geschichte dünkt mich so schmierig zu sein wie Guttenbergs Frisur. Wenn der Mann jetzt ohne Konsequenzen nach Belieben weitemachen kann, setzt er damit ein überdeutliches Signal. Es lautet: "Bescheißt alles und jeden, wenn es euch zum Vorteil gereicht! Wenn ihr erwischt werdet,, entschuldigt euch und gebt einfach zurück, was euch nicht zusteht - und gutt ist!" (Letzteres Wortspiel bitte ich zu verzeihen - ich sehe beim Bäcker immer die Blödzeitung in der Auslage.)
Mit dieser Tour könnte man auch jeden Ladendiebstahl nachträglich ungeschehen machen. Theoretisch. Praktisch wissen wir alle, was jemandem blüht, der mit einer Flasche Parfüm unterm Pulli erwischt wird.
Außer natürlich, er heißt "zu Guttenberg". Dann geht er nicht nur straffrei aus, nachdem er das Parfüm an der Kasse zurückgegeben hat - sondern die herbeigerufenen Polizisten ernennen ihn dafür auch noch zum Chefinspektor.
2 Kommentare:
Vielen Dank! Auch wir haben das Verfahren hier mal übersichtlich dargestellt:
Grundlagen wissenschaftlichen Zitierens
Hehehe. Sehr schön!
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