Donnerstag, 19. März 2009

Der seltsame Fall des Bedrohungs-Buttons

Dass nach einer spektakulären Bluttat wie der in Winnenden bei Politikern hektischer Aktionismus ausbricht, hat gewissermaßen schon den Rang eines Naturgesetzes. Und in einem Wahljahr wird das mit eherner Gesetzmäßigkeit bis ins Groteske übersteigert - wer schon mal eine Taschenuhr solange aufgezogen hat, bis es im Innern leise *ptoing* machte, weiß, wovon ich spreche. Die neueste Idee aus der Schreckenskammer der Hirnlosigkeit stammt indes nicht von Volksvertretern, die sich ihren Hintern in der letzten Parlamentsreihe platt sitzen, sondern von Kriminalbeamten: Die Forderung nach einem "Notfall-Knopf" für Chatrooms.

Das Ganze soll so aussehen: In Chats, Foren, sozialen Netzwerken undundund soll jeweils ein "110"-Button eingebaut werden, den Nutzer drücken sollen, sobald sie den Verdacht haben, dass da jemand einen Amoklauf plant. In einer Einsatzzentrale sitzen dann Psychologen, Pädagogen, Internet-Spezialisten und Kriminalisten, die den ganzen Tag vorm Bildschirm sitzen und sich am Sack kratzen - aber sofort handeln, sobald eine solche Alarmmeldung bei ihnen aufpoppt. Dann sollen "weitere Aktivitäten eingeleitet" werden, schreibt der Bund Deutscher Kriminalbeamter in recht vager Formulierung.

Denn was sollen sie im Falle des Falles machen? Aufspringen, sich sofort im entsprechenden Chat registrieren und den Amokläufer in spe mit Fragen über seine Kindheit von seinem Plan abbringen? Einen richterlichen Befehl über die Rückverfolgung der IP beantragen und den verdächtigen Nutzer drei Wochen später verhaften? Oder vorsorglich das Kriegsrecht an allen Schulen ausrufen, um die Tat im Vorfeld zu verhindern?

Ich bin geradezu sprachlos ob der vollkommenen Planlosigkeit dieses Vorschlags, der immerhin nicht von irgendeinem versponnenen Forentroll stammt, sondern von führenden Kriminalisten. Wissen die denn gar nicht, von wie aberwitzig vielen einzelnen Internetseiten sie hier sprechen? Sollen deren Betreiber gesetzlich gezwungen werden, diesen Button einzubauen, der natürlich in seinen Abmessungen und seiner Farbgebung strengstens vorgeschriebene Maßgaben zu erfüllen hat? Und vor allem: Haben die Damen und Herren in Grün-Weiß auch nur den Hauch einer Vorstellung davon, wie oft ein solcher Button missbraucht werden wird? Bereits vor ein paar Tagen hieß es angesichts der peinlichen Chat-Fälschung, dass Polizeibeamte offenbar nur wenig Ahnung vom Internet und überhaupt Computern haben. Das scheint nicht allzuweit hergeholt worden zu sein.

Aber wenn sich das Prinzip irgendwie realisieren lässt, möchte ich anheim stellen, die Idee auf andere Bereiche auszuweiten. In so manchem Internetforum wünsche ich mir einen "Halt's Maul"-Button. Bei der Wikipedia könnte man einen "Klugscheißer"-Button einfügen. Und auf den Seiten von Politikern und Abgeordneten würde mir ein "Lügner!"-Button gefallen, den man drücken kann, wenn etwa ein Wahlversprechen gebrochen wird. Eine Expertengruppe, die in irgendeiner Einsatzzentrale hockt, würde dann umgehend für die Entfernung des Delinquenten aus seinem Amt sorgen.

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