Sonntag, 23. August 2009

Die Laus auf der Leber als Co-Autor

Zu den unerträglichsten Personen der deutschen Medienlandschaft zählt für mich schon seit langem der hochgradig selbstverliebte Henryk M. Broder, der gerne als "brillianter Polemiker" gefeiert wird, nur zu oft aber einfach nur einem polternden Motzdrang im Bereich seiner drei Lieblingsthemen nachgibt und das dann als hochwertigen Journalismus verkauft. Mit seinem aktuellen Artikel über Christiania hat er sich jetzt selbst übertroffen - mit nöligem Gejammer über eine kaputte Kamera schaffte er es auf die Spon-Homepage. Mal wieder.

Die Story lässt sich schnell zusammenfassen: Broder stattete der selbstverwalteten Kopenhagener Freistadt einen Besuch ab und hat nichts besseres zu tun, als gezielt eines der wenigen Verbote zu missachten, die die Bewohner erlassen haben - das Fotografierverbot. Die Existenz dieses Verbots kann eigentlich jeder nachvollziehen: Wer möchte schon gerne den lieben langen Tag in dem Gefühl leben, von herumstromernden Touristen in jeder denkbar unvorteilhaften Situation abgelichtet zu werden? Oder von verdeckten Polizeiermittlern, die das beliebte Kifferviertel ständig beobachten? Einige Dutzend Schilder weisen auf dieses Fotografierverbot hin.

Aber hey, es handelt sich hier schließlich um *trommelwirbel* Henryk M. Broder - der lässt sich gar nichts verbieten, schon gar nichts von ein paar ungewaschenen Althippies (deren körperlichen Verfall er auch gleich detailliert beschreiben zu müssen meint)! Also raus mit der Kamera und ein paar Leute mit fetten Joints in der Hand fotografiert. Dass es immer ein wenig nach Ärger riecht, Menschen bei strafbaren Handlungen abzulichten, hätte Broder eigentlich auch beizeiten mal dämmern können. Und tatsächlich fanden ein paar Bewohner das nicht lustig, nahmen ihm den Fotoapparat ab und warfen ihn in eine brennende Mülltonne. Broder, extrem angepisst, ging zur Polizei - die ihm allerdings mitteilte, dass sie keineswegs beabsichtigte, wegen seiner egozentrischen Scheißaktion gleich das ganze Viertel aufzumischen.

Also macht Broder das, was den allermeisten Dorfreportern viel zu peinlich wäre: Er erhebt seinen persönlichen Frust zu einem journalistischem Aufregerthema und schreibt einen Artikel über die schreiende Ungerechtigkeit, die ihm widerfahren ist; er malt ein düsteres Bild über die "No-Go-Area" Christiania, wo die pure Anarchie herrscht und Dealer das Sagen haben und sich alle voll Haschisch spritzen und keine Polizei da ist, wenn man sie braucht und wo böse Hippies einfach so Kameras zerdeppern und überhaupt.

Klar - jemandem die Kamera zu zerstören ist alles andere als ein netter Zug. Peinlicherweise beruft sich Broder aber wie der piefigste Spießer auf das dänische Recht, das Fotografieren in öffentlichen Räumen nicht verbietet, und schert sich ganz offensichtlich einen Dreck darum, dass Christiania sich seit fast vier Jahrzehnten selbst verwaltet und, mehr oder weniger geduldet von der Regierung, seine eigenen Regeln aufgestellt hat - und die sollten Besucher schon allein aus Gründen der Höflichkeit beachten. Zu diesen Regeln gehört nicht nur das Verbot von Hundeleinen, wie Broder ätzt, sondern auch das Verbot von Waffen, Gewalt und harten Drogen. Gute Güte, was für ein Sündenpfuhl! Wird Zeit, dass da Recht und Ordnung einkehrt.

Das journalistische Ergebnis von Broders Frustablass ist so beschämend, dass es wehtut. In düsterem Unterton schwadroniert er über den "rechtsfreien Raum", in dem "das Faustrecht herrscht" und in dem das "Betreten nur auf eigene Gefahr" möglich sei. Er steigert sich schließlich so sehr in seinen Frust herein, dass er allen Ernstes Christiania mit Kabul vergleicht. Ich frage mich, ob er seinen eigenen Text vielleicht auch ziemlich peinlich findet, sobald sein Adrenalinpegel wieder einen Normalwert erreicht hat.

Im Unterschied zu anderen Autoren kommt Broder aber mit dieser "Liebes Tagebuch, die Welt war heute wieder gemein zu mir"-Geschichte sogar zu einer äußerst prominenten Platzierung auf Spon. Das sollte ich eigentlich auch mal versuchen, wenn ich einen schlechten Tag erwische. Aber nein, stopp, geht nicht: Die Spiegel-Redaktion verwendet nur Texte der eigenen Autoren bzw. von eigens beauftragten Verfassern, wie mir einmal auf Anfrage mitgeteilt wurde. Dann ist es offenbar auch völlig egal, was diese schreiben.

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