Montag, 14. Juni 2010

Fußball essen Nachrichten auf

Dass in Zeiten internationaler Fußballturniere das Interesse an politischen Themen bei vielen gegen Null strebt, ist hinlänglich bekannt (und wird von Regierenden auch gerne ausgenutzt). Bislang dachte ich allerdings, dass zumindest Nachrichtenredaktionen bei der Stange bleiben und zumindest versuchen, mal für eine Viertelstunde auf das Geschehen im Rest der Welt hinzuweisen. Falsch gedacht: Die "heute-journal"-Sendung gestern während der Halbzeitpause des Deutschlandspiels dürfte die inhaltsärmste Nachrichtensendung aller Zeiten gewesen sein.

Unsere Themen im Überblick:
1. Nach fußballtechnischer Anmoderation der obligatorische Bericht zum Public Viewing inkl. obligatorischer Verklärung des "Sommermärchens" 2006 und dem obligatorischen Hinweis auf den "Vuvuzela-Terror".
2. Nach fußballtechnischer Überleitung ein nichts Neues aussagender, unmotivierter Anderthalbminüter zum Koalitionskrach.
3. Nachrichtenblock (drei reichen, dann wieder ab zum Fußball) und Wetter.
4. ... und dann hat das ZDF in seinem Nachrichtenflaggschiff trotz verkürzter Sendezeit tatsächlich noch Zeit, um einen Programmtipp in eigener bzw. Marietta Slomkas Sache unterzubringen: Eine Doku, die irgendwann demnächst läuft und dessen Ankündigung fast ein Viertel der Sendezeit aufgewendet wird. Fußballtechnische Abmoderation.

Ölpest? Ach was, das verdirbt nur die Feierlaune. Schäuble lehnt trotz Finanzdesaster eine Anhebung des Spitzensteuersatzes ab? Dito, da schmeckt doch bloß das Bier nicht mehr, wenn man über sowas nachdenkt. Die Atommacht Pakistan arbeitet Hand in Hand mit den Taliban? Geschenkt - das Thema haben wir doch schon im Nachrichtenblock abgefrühstückt (Bundeswehrsoldat bei Anschlag schwer verletzt). Sprengsatzattacke in Berlin? Ist durch, das Thema, wichtiger sind die Vuvuzela-Attacken.

Na, da freut man sich ja schon auf die nächsten dreieinhalb Wochen. Und Merkel und Westerwelle wird es sicher auch ein innerer Reichsparteitag sein, wenn sie von den TV-Anstalten eine längere Verschnaufpause bekommen. Vielleicht können sie sogar unbemerkt die Sparpaket-Daumenschrauben noch weiter anziehen.

2 Kommentare:

Ulf hat gesagt…

Ein Schelm, wer Arges dabei denkt. Lächerlich ist das allemal- oder besorgniserregend.

Anonym hat gesagt…

"Es ist mir ein innerer Reichsparteitag' oder 'Es ist mir ein innerer Vorbeimarsch', mit parodistischer Beziehung auf die bombastischen Reichsparteitage der Nationalsozialisten in den dreißiger Jahren aufgekommen."
Warum regt man sich über den Spruch auf? Ich kannte ihn bisher nicht, aber alles weißt darauf hin, dass er nicht Nazi-Verherrlichend ist, sondern genau das Gegenteil. Aber passend zu deinem Post regt die Internet-Gemeinde sich über so einen Scheiß auf, ist ja auch viel leichter als über wirkliche Probleme nachzudenken.