Donnerstag, 25. Februar 2010

Aufgeschoben, nicht aufgehoben

Die groteske Geschichte um das nicht totzukriegende Internetsperrgesetz der guten alten Zensursula geht in die nächste Runde: Heute debattierte der Bundestag über einen Antrag zur Aufhebung des Gesetzes, das sich eine einjährige Selbstbeschränkung auferlegt. Nun ja - nicht wirklich "der Bundestag" im Sinne von "der ganze Bundestag" oder zumindest "der größte Teil des Bundestages". Gerade einmal zwei oder drei Dutzend einsame Abgeordnete hatten sich im Plenarsaal eingefunden, um die Aufhebung eines ebenso schwachsinnigen wie gefährlichen Gesetzes, das nur die wenigsten wollen, zu diskutieren. Zensursula schien, wenn ich das richtig gesehen habe, wie der Großteil des Kabinetts nicht dabei zu sein.

Aber was heißt das schon? Dieses Gesetz folgte von vornherein nicht den üblichen Gesetzgebungsregeln wie Notwendigkeit, Lückenschluss oder sonst irgendeinem Regelungsgedanken. Ein erklecklicher Teil der Bevölkerung und sogar der Parlamentarier wollte das Gesetz nicht - dennoch wurde es durch die Legislative gepeitscht. Horst Köhler wollte es nicht wirklich - trotzdem hat er es unterzeichnet. Und nun scheinen alle Oppositionsparteien und der Koalitionspartner das Gesetz abzulehnen - aber sie werden es wohl nicht mehr los. Es ist das gruselige Zombiegesetz des Untodes.

Eine Farce? Sicher. Ein Schildbürgerstreich? Mitnichten. Es gibt ein definitives Interesse daran, das Gesetz in genau dieser Form am Leben zu erhalten. Denn die Selbstbeschränkung von einem Jahr dient lediglich dazu, den Spagat zwischen Anwendung des neuen Zensurinstruments und Beschwichtigung zu erwartender Proteste hinzulegen. Ein Jahr ist in parlamentarischen Zeitmaßstäben ein Witz, das sitzt man locker auf einer Arschbacke ab, wenn man etwas durchpauken will.

Nach einem Jahr kann man sagen, die Versuche zur Löschung von Kinderpornoseiten hätten sich als zu kompliziert und die Verfahren als zu langwierig herausgestellt, weshalb man jetzt, um beim Auftauchen von Kinderpornos schnell reagieren zu können, doch auf die Stoppschilder zurückgreifen und sperren müsse. Nach einem Jahr kann man davon ausgehen, dass die Medien das Thema in der Schublade "L" wie "langweilig" abgelegt haben und nicht wieder hervorkramen. Und nach einem Jahr - wer weiß? - ist man vielleicht auch schon die nervige Piratenpartei wieder los.

Und dann ist es da, das ungewollte Kind des Gesetzgebers. Und das, obwohl eigentlich alle an die Verhütung gedacht haben.



Siehe hierzu auch die Anhörung vor dem Petitionsausschuss.

2 Kommentare:

Petty hat gesagt…

...und die SPD legt den Kriechgang ein und wollte sowas eigentlich nie beschliessen...HartzIV-like...

Dr. No hat gesagt…

Jaja, die gute alte Tante SPD. Was man als nichts-zu-melden-habender Juniorpartner in vier Jahren Koalition so alles verbocken kann... das schafft auch nicht jeder.