Freitag, 19. Februar 2010

Westerwelles willige Vollstrecker

Und der Chefredakteur sprach: "Es werde Hartz-IV-Debatte!" Und siehe, die Menschen rotteten sich überall zusammen und diskutiertierten darüber, ob Alg-II-Empfänger nicht zuviel Geld bekämen. Und der neoliberale Gott sah, dass es gut war. (Buch Westerwelle 10,2)
Wieder einmal stellt der reaktionäre Teil des politischen Spektrums klar, dass er über die weitaus effektivere Presse- und Öffentlichkeitsarbeit sucht. Und wieder einmal rennt er in den Redaktionen offene Türen ein.

In einer Art stillschweigender Übereinkunft ziehen Redakteure nahezu aller etablierten Medien aus Westerwelles übler, volksverhetzender und beleidigender Schimpfkanonade zielsicher jenen geschmeidigen Halbsatz heraus, dem wohl jeder zustimmen wird: Dass arbeitende Menschen mehr Geld zur Verfügung haben sollten als arbeitslose. Die Frage, ob man einen vernünftigen Abstand zwischen Alg-II-Regelsatz und Nettoeinkommen nicht viel besser durch Anhebung des letzteren, sprich: durch Mindestlöhne würde herstellen können, wird indes überhaupt nicht diskutiert. Schließlich heißt das Ding ja "Hartz-IV-Debatte"! Da stören inhaltliche Nebeneinflüsse nur.

Und da die Wirtschaft und damit auch die Politik auf den allmächtigen "Niedriglohnsektor", in dem Stundenlöhne von zwei bis vier Euro nicht so selten sind, wie es sich ein normal denkender Mensch wünschen würde, nicht verzichten mögen, bleibt als Debattierthese nur die Eindampfung des Hartz-IV-Satzes. Die wird, das kristallisiert sich seit Tagen heraus, so sicher kommen wie das Amen in der Kirche, und sei es durch mehrjährige Nichterhöhung. Die Propagandamaschinerie läuft längst. Die Meinungsmacher der Nation haben aus der "Hartz-IV-Debatte" eine "Hartz-IV-Kürzungsdebatte" gemacht.

Es ist faszinierend und deprimierend zugleich zu beobachten, wie der Boden für die nächste Großoffensive auf den Sozialstaat bereitet wird. Wie erwähnt ziehen jetzt alle Medien, vom "Sturmgeschütz der Demokratie" bis zum "Stürmer" der neoliberalen Partei Beispiele faulenzender, aber auch glücklicher Hartz-IV-Bezieher aus dem Hut, da werden "Hartz-IV-Forscher" an die Front geschickt, die Bild-Zeitung verklärt Westerwelle gar zum Generalfeldmarschall des Volkswillens. Handbücher mit Tipps, wie man vom Regelsatz in Saus und Braus leben könne, werden promoted. Eine geschickt lancierte Auftragsumfrage scheint den mit der Brechstange herbeigeführten Trend zu bestätigen.

Und siehe da: Die Leute scheinen es allmählich zu glauben, dass der Hartz-IV-Regelsatz zu hoch ist. So etwas nennt man Gehirnwäsche. Und man braucht dafür gar keine Diktatur.



Vgl. hierzu auch Impi. Schön auch das hier.

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Ach, übrigens: Das hier scheint sich leider als Ente herausgestellt zu haben. Ich vermute, der Text war für den Fall des Falles "kalt vorgeschrieben" und von irgendwem versehentlich online gestellt worden. Schade eigentlich.

4 Kommentare:

Pathologe hat gesagt…

Oh ja. *holt tief Luft und schmiert die Tastatur (nicht mit Geld. Bin ja nicht die FDP)*

Ich geh mal mit meinen Antworten durch die Verlinkungen. Hartz-IV-Saetze senken, damit der Anreiz zur Arbeitsaufnahme erhoeht wird ist wie den Wasserstand im Ozzean zu erhoehen, damit der Anreiz zum Schwimmen ebenso erhoeht wird. Oder man kuerzt einem Verhungernden in der Sahel-Zone die Essensration, damit der Anreiz zum Essen gesteigert wird.
Herr W. mag es noch nicht bemerkt haben, aber so viele freie Stellen wie moeglicherweise in der Politik oder im Anwaltswesen gibt es in anderen Bereichen nicht. Wahrscheinlich weiss er das, so wie Kurt B. aus M. weiss, dass seine Aktion damals nur ein einziges Mal einem Friseur einen neuen Kunden brachte. Aufschwung in der Mikrowelt.

Es ist eine muessige Diskussion. Diejenigen, die viel haben, wollen bei denen sparen, die wenig haben. Um ihr eigenes Vermoegen weiter anzuhaeufen. Nur: irgendwann, wenn all "das Kroppzeug" unten weggestorben ist, dann sind sie selbst die untere Grenze. Und dann beginnen sie zu schreien.

Dr. No hat gesagt…

"Oder man kuerzt einem Verhungernden in der Sahel-Zone die Essensration, damit der Anreiz zum Essen gesteigert wird." - Wie sind Sie denn an die geheimen Pläne aus dem Entwicklungshilfeministerium gekommen? Da sitzt doch noch irgendwo ein Maulwurf - Niebel hat offenbar immer noch nicht genug Leute ausgetauscht.

Pathologe hat gesagt…

Ich muss nochmal was ablassen. Hier gibt es ein Interview mit Herrn W. Und da sind viele, kleine Gemeinheiten versteckt. Ich darf mal zitieren?
Wer mehr arbeitet, muss mehr haben als der, der nicht arbeitet. Ich habe mal ein Wort hervorgehoben. Fuer mich bedeutet das, dass derjenige, der "nur" arbeitet also genausoviel haben soll wie derjenige, der nicht arbeitet. Erst Ueberstunden machen den Unterschied zur Sozialhilfe aus. Soso. Also 8 Stunden malochen darf dann Hartz-IV-gerecht bezahlt werden. Mit gut 2,25 Euro Stundenlohn.
Nehmen sie die Gesundheitspolitik: Da geistern Phantasiezahlen durch die Reihen, was die dringend nötige Reform angeblich kosten soll. Nichts davon ist richtig. Jetzt werden, auch im Gesundheitsbereich, Kommissionen an den Inhalten arbeiten und konkrete Ergebnisse vorlegen. bedeutet fuer mich, dass all die Zahlen viel zu niedrig angesetzt sind. Und dass diese Kommissionen erst mal fuer sich selbst was abschoepfen, was dann noch in die Kosten eingerechnet wird.

Wenn ich den Namen nur lesen muss, schlage ich die Wortbestaetigung: salti!

Dr. No hat gesagt…

Naja, bei der Erreichung des Ziels, dass derjenige, der "normal" arbeitet, so wenig bekommen soll wie derjenige, der nicht arbeitet, sind wir ja auf einem guten Weg.

Allerdings ist es übertrieben, einen 8-Stunden-Job Hartz-IV-gerecht entlohnen zu wollen. Es geht schließlich auch noch niedriger, der Staat stockt dann ja auf.

Im TV tauchen jetzt übrigens verstärkt Berichte auf, in denen Zwangsarbeitssysteme in anderen Ländern hochgelobt werden. Ein Schelm, wer...