Donnerstag, 18. Februar 2010

Sturm im Quasselwasserglas

Manchem Redakteur würde es gut tun, zwischendurch einmal den Kopf unter kaltes Wasser zu stecken. Auf solche Art erfrischt bestünde dann zumindest eine theoretische Chance, dass er erkennt, wie abgehoben, akademisch und affektiert die von ihm betriebenen Hochstilisierungen banaler Begebenheiten zu Eklats, Skandalen oder politischen Erdbeben mitunter eigentlich sind. Merkel rücke von Westerwelle ab, heißt es; sie gehe auf Distanz zu ihm; lasse ihn abblitzen; ja, sie rüffele ihn sogar - aber was hat sie nun eigentlich konkret gesagt? "Der Schwachkopf sollte besser mal den Kopp zumachen"? Oder "Maul, sonst Beule"? Leider nicht.

Sondern bloß die lauwarm-weichgespülten Sätze: "Ich habe klargemacht, dass das, was Guido Westerwelle gesagt hat, nicht meine Worte sind. Das ist nicht mein Duktus." Das ist nicht nur kein Rüffel, es ist nicht einmal eine inhaltliche Positionierung der Kanzlerin. Denn unter "Duktus" versteht man eine besondere, charakteristische Ausdrucksweise. Merkel kann mit ihrem Geschwurbel genausogut gemeint haben, dass sie Westerwelles Armenhetze von ganzem Herzen zustimmt, sie es nur anders formuliert hätte.

Es ist schon klar, dass in diplomatischen, parlamentarischen und überhaupt allen innerpolitischen Kommunikationskanälen eine andere Wortwahl herrscht als am Tresen in der Stammkneipe. Natürlich sagt da niemand: "Der Parteikollege X hat Stuss gelabert" oder "Herr Y sollte künftig seine Tabletten nehmen, bevor er den Mund aufmacht", sondern "Diese Äußerungen sind parteiintern nicht mehrheitsfähig" oder "In unserer Partei ist Platz für abweichende Meinungen". Journalisten wissen zumeist, wie solche Sätze zu werten sind - oder meinen es zu wissen. Der ungewaschenen Leserschaft aber muss man's natürlich vorkauen; und so wird eine solch fade Buchstabensuppe flugs zum handfesten Parteikrach hochgesext.

Aber diese zartbesaitete Wattebäuschchen-Ausdrucksweise scheint sich im Medienzirkus irgendwie zu einer eigenen Realität entwickelt zu haben; eine Realität in Form eines Hundes, der seinem eigenen Schwanz nachjagt. Da wird jede Sprechblase auf die Goldwaage gelegt, in die eine oder andere Richtung gedeutelt und bei Bedarf auch mal das Gewünschte hineininterpretiert. Dabei fragt sich kaum noch jemand, was eigentlich wirklich gesagt wurde. Das Kommunikationsverhalten im politsch-medialen Elfenbeinturm erinnert an den Witz vom Chef, der seiner Sekretärin sagt: "Schreiben Sie ihm, er kann mich mal - aber schreiben Sie's auf eine nette Weise". Es ist da eigentlich kein Wunder, wenn Politiker irgendwann gar nicht mehr normal reden können. Vielleicht sollte man sie einfach mal lassen.

Denn ein Satz wie "Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch" hat doch tausendmal mehr Umdrehungen als "Das ist nicht mein Duktus". Und jeder weiß, was gemeint ist.

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