Manchmal frage ich mich, ob der Spiegel das alles ernst meint, was er über die Al-Qaida-Strukturen berichtet - oder ob das nicht eher eine geschickt getarnte Realsatire ist. Jetzt soll das Terrornetzwerk, dessen Büroräume ja angeblich in irgendwelchen Höhlen liegen, auch noch seine eigene Vereinszeitung herausgeben. Ich habe einen heißen Tipp für die Fahnder bezüglich des Aufenthaltsortes von Osama bin Laden: Guckt doch einfach ins Impressum.
Und wenn er da nicht mit gültiger Adresse steht, dann hagelt es aber Abmahnungen - da bliebe nicht mehr viel übrig von seinen Millionen. Problem gelöst.
Obwohl eine ganze Reihe von Experten die Ansicht vertritt, Al Qaida sei als höchst lose zusammenhängendes Netz von mehr oder weniger autonom agierenden Zellen zu betrachten, stellen die meisten Medien das Terrornetz nach wie vor als ähnlich fest organisierte Hierarchie wie die katholische Kirche dar. Vor allem der Spiegel dünkt mich die Institutionalisierung dieser Radikalenbande mitunter auf die Spitze zu treiben. Schon im Terror-Sonderheft von 2004 wurde die Al-Qaida-Führungsstruktur wie das Organigramm eines öffentlichen Abwasserverbandes dargestellt; mitsamt "Beraterorgan", einem "Finanzausschuss" und einem für "Öffentlichkeitsarbeit" und - natürlich - dem "Chef".
Und jetzt soll diese Pseudo-Organisation auch noch wie ein durchschnittlicher Rassegeflügelzuchtverein eine Art Mitgliederzeitung herausgeben. So schreibt Spon von "der aktuellen Ausgabe des Online-Magazins 'Echo der Schlachten', das die Filiale [natürlich haben die auch Filialen, der Verf.] des Terrornetzwerks Al Qaida auf der Arabischen Halbinsel herausgibt [...] Die neue Nummer erschien in der Nacht zum Montag. Sie liegt Spiegel Online vor." - Äh. Ich dachte, es handelt sich um ein Online-Magazin - liegt es dann nicht der gesamten Welt vor? Oder ist der Zugang zu den Seiten eingeschränkt, und der Spiegel hat ein Abo? Oder ist einer der Redakteure gar Mitglied?
Und was mich am meisten interessiert: Was für Anzeigenkunden inserieren dort? Und gibt es eine Rätsel- oder eine Witzecke? Oder zumindest ein Preisausschreiben?
Im Ernst: Ich neige ja bekanntlich eher nicht zu finsteren Verschwörungstheorien, aber dieses ganze Brimborium um Al-Qaida-Bekennervideos, Online-Propagandatexte und so weiter ist mir reichlich suspekt. So hagelt es regelmäßig Drohvideos, wenn Wahlen vor der Tür stehen oder es dem jeweiligen Sicherheitsdienst sonst irgendwie zupass kommt. Nach dem Bombenangriff von Kunduz gab es allerdings keines, soweit ich es mitbekommen habe - aber was wäre ein passenderer Anlass für die Gotteskrieger gewesen, Deutschland öffentlichkeitswirksam mit Vergeltung zu drohen? Stattdessen diese langweilige Ansprache eines schmierlappigen Konvertiten, der aussah, als wäre er von Mutti in seinen alten Konfirmationsanzug gestopft worden.
Man erinnere sich nicht zuletzt an die zahllosen Video- und Audiobotschaften, auf denen bin Laden zu sehen bzw. zu hören sein soll - und zwar mit verschiedenen Stimmen und manchmal einem grauen, manchmal aber auch einem schwarzen Bart. Statt sich zu fragen, ob der Terrorpate eventuell gedoubelt worden sein könnte, und falls ja, von wem und zu welchem Zweck, wird dann ernsthaft über eine etwaige Eitelkeit des Gotteskriegers nachgedacht. Man muss ja nicht gleich an Außerirdische, Illuminaten oder Reptiloide glauben - aber die Frage, ob der Mann nicht schon seit Jahren tot ist und von Geheimdienstmitarbeitern auf diese Weise aus Gründen der Staatsräson virtuell am Leben gehalten wird, könnte ja auch mal außerhalb der üblichen Verschwörungsseiten diskutiert werden.
Stattdessen wird nun ein Al-Qaida-Magazin aus dem Hut gezaubert. Und darin steht, oh Wunder, die Bekennung der üblichen Verdächtigen zum gescheiterten Attentat von Detroit - fast zwei Monate später. Da fragt man sich schon, warum die CIA so lange dafür gebraucht hat. Ist doch nicht einmal mit Video.
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