Im Internet-Buschfunk (nein, nicht dem von StudiVz) macht derzeit ein Link zu einem Posting im FDP-Forum die Runde und sorgt allenthalben für Empörung: Unter der Überschrift "Den marktradikalen Kapitalismus vollenden" fordert ein User u.a. die Absenkung der Sozialleistungen auf ein Niveau, dass "Hunger und Frieren" nach sich zieht. Was viele erschütterte Twitterer aber übersehen haben: Das Ganze ist offensichtlich eine - zugegebenermaßen recht zynische - Satire. Der Beitrag lässt aber dennoch tief in die liberale Seele blicken.
Die Ironie in dem Posting von "Miracolix" erschließt sich tatsächlich nicht sofort: Zu geschickt spielt der Autor mit neoliberalen Begrifflichkeiten und bemüht die sattsam bekannten Thesen. Aber spätestens, wenn er den Einsatz der Bundeswehr im Innern fordert, sollte sich eigentlich das erste Stirnrunzeln einstellen. Ebenso eine leichte Übelkeit - denn im Prinzip wird hier bloß die reale FDP-Politik konsequent weitergedacht.
Wer sich die Mühe macht, den anschließenden, unten am Posting angehefteten Diskussionsthread durchzuackern - anders kann man es kaum formulieren, es ist ein wenig zu anstrengend, um es als bloßes "Lesen" zu bezeichnen -, wird feststellen, dass der Autor des Posts eigentlich entschiedener Gegner der manchesterkapitalistischen Ideologie ist und einfach mal mitten ins Wespennest stechen wollte. Und wer sich die teils wütenden, teils bräsigen und teils schlicht dummen Reaktionen der anderen Forenteilnehmer antut, wird feststellen, dass sich das FDP-Fußvolk aus genau denselben wandelnden Phrasendreschmaschinen zusammensetzt wie bei jeder anderen Partei.
Da wird immer wieder der uralte und stets als "letzte Wahrheit" propagierte, gleichsam aber seit jeher falsche Kausalzusammenhang bemüht, dass Steuersenkungen Arbeitsplätze schaffen würden - nein, besser noch: Arbeitsplätze würden dann entstehen! Einfach so! Denn vermutlich tun sie das von selbst, wie von ruhiger Geisterhand gelenkt, und ploppen mit einem hörbaren "Puff!" und einer spektakulären Rauchwolke oder einem Lichteffekt ins irdische Dasein. Wow, guckt mal - ein neuer Arbeitsplatz! Der war doch gestern noch nicht da!
Da wird unreflektiert die Mär von der "Überregulierung" hervorgekramt, ohne je länger als fünf Sekunden darüber nachgedacht zu haben, wohin der Mangel an Regulierung die Weltwirtschaft geführt hat. Und da wird gebetsmühlenartig die von Alters her als heilig betrachtete Unterscheidung von Lohn, Lohnkosten und den dämonischen "Lohnnebenkosten" verkündet, wobei man auch als FDPler im Eifer des Gefechts auch mal "brutto" und "netto" verwechselt, kann ja mal passieren, aber der Kern aller Probleme ist ja, dass Arbeit viel zu teuer ist und überhaupt.
Sie plappern genauso die ewig gültigen Weisheiten ihrer Gurus und Meister nach wie der letzte ins Wolkenkuckucksheim dahinmeditierte Sannyasin, kleben bei jedem Abflug von Kritik geschlossen an der offiziellen Leitlinie ihres Vorstands wie der Bodensatz der CSU an ihren Stammtischen und sülzen und labern und salbadern, ohne je über die intellektuellen Schwachheiten nachzudenken, die ihnen aus dem geifernden Maul tropfen, weil sie früher zu oft Sozialkunde geschwänzt haben, um sich ihrem Börsenspiel oder ihrer Schülerfirma zu widmen.
Wir sehen: Nicht alle FDP-Soldaten sind eiskalte, mit Taschenrechner und Scheckbuch bewaffnete, menschenverachtene Profitgier-Technokraten. Manche sind auch einfach nur ganz normale Honks.
Ob mich das jetzt allerdings beruhigend soll - da habe ich so meine Zweifel.
2 Kommentare:
Wenn Arbeit viel zu teuer ist, dann wundert es mich, dass all die FDP-Schergen so reich sind. Ich meine, die verdienen ja ihr Geld durch Arbeit. Und nur, wenn man zu teuer ist, kann man solche Reichtuemer anhaeufen. Vielleicht sollten die Herren und Damen Anwaelte, Unternehmer und Aerzte erst einmal bei sich selbst anfangen. Aber halt! Das ist ja nicht teuer, das ist ja Sozialhilfe. Das hilft ihnen, ihren sozialen Status zu behalten, nicht?
(Ich bin irgendwie das Spamschutzwort: antie)
Sooo teuer ist Arbeit tatsächlich nicht. So'nen Westerwelle kriegt man ja schon für schlappe 7000 Euro die Stunde. Vielleicht lade ich ihn in einem Anfall spätrömischer Dekadenz auch mal ein. Man hilft ja gern.
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