Sonntag, 22. Februar 2009

Lasst sie doch, sie macht gerade eine schwere Zeit durch

Vier bis sieben verschiedene Phasen durchläuft der Mensch, wenn er einen Schicksalsschlag verarbeiten muss, heißt es - je nachdem, welcher Theorie man nun glauben möchte und wie weit man zählen kann. Mal ganz unwissenschaftlich über einen Kamm geschoren und sinnverzerrend verkürzt sind dies: Leugnen, Trauer und/oder Wut, Loslassen und schließlich Akzeptanz; egal, ob man dabei eine Trennung, einen Trauerfall oder einen Karriereknick wegstecken muss. Was bislang jedoch weitgehend unbekannt war: Ähnliche Phasen gibt es auch in der Wirtschaft.

Zum Beispiel bei Madame Schaeffler, die auch gerade durch eine schwierige Zeit geht und so ihre Phasen durchmacht. Dort sind es derer bislang fünf: Großkotzigkeit, Katzenjammer, Bettelei, Niedertracht sowie Blenderei.
  • Phase I: Großkotzigkeit. Das Ansinnen, den viel größeren Dax-Konzern Continental unbedingt schlucken zu wollen; koste es, was es wolle.
  • Phase II: Katzenjammer. Von der Finanzkrise, die schon länger als ein Jahr tobt, vollkommen überrascht zu werden und dann hilflos zuschauen müssen, wie der Kurs der teuer eingekauften Conti-Papiere im freien Fall in den Keller taumelt.
  • Phase III: Bettelei. Mit einem Arsch voll Schulden den Steuerzahler um Hilfe anhauen. Die Belegschaft will ihre Arbeitsplätze behalten, was verständlich ist; und feiert ihre flennende Chefin - die bislang nicht einsieht, ihr mehrere Milliarden Euro schweres Privatvermögen anzutasten und stattdessen lieber Geld vom Staat will -, was ein gutes Stück weit weniger verständlich ist. Bettelei ist hier nicht einmal der richtige Ausdruck: In einem Restbestand von Phase I (Großkotzigkeit) werden Finanzhilfen nicht erst erbeten, sondern gefordert.
  • Phase IV: Niedertracht. Von den eigenen Angestellten Lohnverzicht einzufordern, um die Verluste wenigstens halbwegs abzumildern. Dem Staat für den Fall der Hilfsverweigerung mit dem Verlust von Arbeitsplätzen drohen (funktioniert fast immer).
  • Phase IV: Blenderei. Die Behauptung, wann wolle vom Staat gar keine Geschenke, sondern ein normal verzinstes Darlehen, dass selbstverständlich bald zurückgezahlt werde. Die Banken scheinen sich da indes nicht so sicher zu sein, denn sie haben Schaeffler den Hahn längst zugedreht. Warum sollte also (a) der Staat, der ohnehin nicht dazu da ist, Bankdienstleistungen zu vollbringen, mehr Vertrauen haben und (b) Schaeffler dem Staat, der vor der Wirtschaft sowieso regelmäßig den Kotau macht, irgendetwas zurückzahlen wollen? Falls der Gläubiger irgendwann die Hand aufhält, wird kurz mit der Arbeitsplätze-Keule drübergezogen und gut. Funktioniert, wie gesagt, fast immer.
Die Erforschung der Phasen bei der Verarbeitung wirtschaftlicher Traumata steckt noch in den Anfängen, daher weiß niemand genau, wie' s weitergeht. Ich für meinen Teil hoffe stark auf eine Phase VI: Zorn. Und zwar den der Bevölkerung.

1 Kommentar:

juwi hat gesagt…

Da ist dir eine sehr detailierte Analyse gelungen. Gut gemacht!

Bliebe noch zu erwähnen, dass der Staat von Otto Normalverbraucher, sollte er aufgrund von Arbeitslosigkeit in eine vergleichbar wirtschaftlich katastrophale Lage geraten, fordert, dass dieser zuerst sein privates Vermögen verbraucht, bevor er auf Hartz-IV Unterstützung vom Staat hoffen kann. Zu dem anzurechnenden Vermögen zählen unter anderem auch Lebensversicherungen, die der eine oder andere, lange bevor Hartz-IV erfunden wurde, zur Sicherung seines Lebensabendes abgeschlossen hat. Mir fällt kein Grund ein, warum die gute Frau Schaeffler mit ihren Milliarden vor diesem Hintergrund anders behandelt werden sollte als Otto Normalverbraucher?