Mittwoch, 4. Juni 2008

Der Teufel mag in Lafontaine gefahren sein - geritten hat er aber Friedbert Pflüger

Wenn die Regierung, in diesem Fall die Berliner SPD-Linke-Koalition, Erfolge vorzuweisen hat, muss man sich als Oppositionsführer eben andere politische Schlachtfelder suchen. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Friedbert Pflüger (CDU) will daher Anne Will absetzen. Die Sendung vom letzten Sonntag hat ihm nicht so recht gefallen: Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit war da, gegen den Pflüger vor gut eineinhalb Jahren grandios die Wahl vergeigt hat; zu viele Linke waren da (nämlich einer, und dann auch noch der Staatsfeind Nr.1); dazu ein Wirtschaftsvertreter aus altem und degeneriertem Adel, der mutmaßte, dass der Teufel in Lafontaine gefahren sei; und es wurde über rot-rote Zusammenarbeit gesprochen - garniert mit der aberwitzigen These, Regierungsbeteiligungen der Linkspartei bedeuteten nicht unbedingt den sofortigen Untergang der Zivilisation.

Pflüger stößt sich unter anderem an der Aussage, die rot-rote Koalition habe bei ihrem Regierungsantritt 2001 einen Schuldenberg von 60 Mrd. Euro geerbt. Stimmt gar nicht, meint Pflüger, es seien nur 38,5 Mrd. Euro gewesen, die man der neuen Regierung hinterlassen habe. Das stimmt zwar auch wieder nicht so ganz, es handelte eher um 42,3 Mrd. Euro, aber da sind wir jetzt mal nicht kleinlich - viel wichtiger ist nämlich, dass die Berliner Staatsverschuldung nicht erst seit 2001 dramatisch in die Höhe geschossen ist, sondern eine Entwicklung fortgesetzt hat, die in den frühen 90er Jahren begann und durch den milliardenschweren Bankenskandal auch nicht besser wurde. Die "Wer wird Millionär"-Frage für 200 Euro lautet nun: Welche Parteienkoalition hat von 1990 bis 2001 in Berlin reagiert und die Schuldenspirale in Gang gesetzt? Die Antwort, ganz ohne Telefonjoker: Eine Große Koalition unter - Trommelwirbel - CDU-Führung. Statt auf einer schlampig recherchierten Zahl herumzuhacken, sollte Pflüger sich einmal dazu äußern.

Natürlich ist es legitim, TV-Sendungen vom Bildschirm verbannen zu wollen. Ich will das so ziemlich jeden Tag. Und sogar Anne Will hat ihren Sympathiebonus bei mir allmählich aufgebraucht, da hilft auch die kecke Augenbraue nicht mehr. Einspieler über eine arme Berliner Familie, die wegen Oskar Lafontaine nicht mehr ins Schwimmbad gehen kann, sind journalistisch nicht einmal mehr grenzwertig, sondern manipulative und an den Tatsachen vorbeigehende Gehirnwäscherei, die Pflüger eigentlich gefallen müsste. Aber wenn Leute wie er die Sendung absetzen wollen, ist das Grund genug, sich für ihren Erhalt einzusetzen - und ARD-Programmdirektor Günter Struve sieht das wohl ähnlich.

"Als Mitglied des Rundfunkrates des rbb Berlin werde ich mich für eine Ablösung von Frau Will einsetzen", kündigt der schlechte Wahl-Verlierer in seiner Hof-Hetzpostille "Bild" an. Das würde allerdings nichts weniger als einen parteipolitischen Missbrauch seines Amtes im Rundfunkrat bedeuten. Das ist kein Medienwächtertum mehr, sondern schamlose Missachtung der Pressefreiheit. Der Umstand, dass die Anne Will-Redaktion hier ungenau gearbeitet hat, ändert daran nichts.

Es geht Pflüger hierbei gar nicht darum, wann die Berliner Schulden wie hoch waren, das wäre nämlich für seine Partei eher peinlich. Es geht ihm sicher auch nicht um Anne Will. Es geht for allem darum, mit Attacken gegen Rot/Rot die Anti-Linke-Propagandamaschine weiter laufen zu lassen - nach dem Motto: Wer die Linke nicht kompromisslos verteufelt, hat ernsthafte Konsequenzen zu befürchten und soll zum Schweigen gebracht werden. So hat das in der Vorstellung eines Friedbert Pflüger zu laufen. Früher hieß das mal "Reichsschriftkammer". Und die hatte mit unabhängiger Berichterstattung ja auch nicht viel am Hut.

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